Ich habe in der Unfallchirurgie/Orthopädie am Kantonspital Luzern eine 1-monatige Famulatur absolviert. Hier gibt es keinen Unterschied zwischen PJlern und Famulanten, da beide offiziell als Unterassistenten angestellt sind. Daher hat man für eine Famulatur vergleichsweise viel Verantwortung und viele Handlungsmöglichkeiten, was ich sehr genossen habe. Die Hauptaufgaben als Unterassistent liegen v.a. in der OP-Assistenz und als Unterstützung in den Sprechstunden. Auf Station wird man generell selten benötigt (höchstens Fragebögen für Studien ausfüllen und Chefarztvisite vorbereiten), aber bei Interesse kann man auch den zuständigen Stationsarzt fragen, ob man ihn begleiten kann, falls man nirgendswo anders gebraucht wird. In den Sprechstunden (Trauma, Hüfte, Knie, Schulter, Fuss) sieht man bereits sehr schnell eigenständig Patienten (meistens Nachkontrollen, wenn man sich traut auch teilweise Neuzuweisungen), wobei man zunächst selbstständig Anamnese und Körperliche Untersuchung durchführt und anschliessend mit dem Kaderarzt den Fall bespricht und sich den Patienten meistens nochmal zusammen anschaut. Durch das eigenständige Arbeiten hat man eine sehr steile Lernkurve und man kann sich auch jederzeit bei den Kaderärzten rückversichern, falls man sich unsicher bei etwas ist. Im Anschluss an die Konsultation verfasst man dann den Sprechstundenbericht, welchen man dann an den betreuenden Kaderarzt zur Kontrolle weiterleitet. Man lernt dadurch schnell, wie man effizient Arztbriefe verfasst und man bekommt teilweise auch Rückmeldung über mögliche Verbesserungsvorschläge. Neben der Sprechstunde ist der Einsatz im OP ein fester Bestandteil der Aufgaben als Unterassistenz. Je nach Auslastung des OPs und Anzahl der Unterassistenten (meistens 5-6 gleichzeitig) kann man mehrmals wöchentlich im OP assistieren, wobei die Einteilung der Tagesaufgaben unter den Unterassistenten selbst ausgemacht wird und man sich nach dem morgendlichen Röntgen-Rapport selbstständig aufteilt. Ich habe selten so eine angenehme Atmosphäre im OP-Saal erlebt, wo Operateure, OTA, Anästhesie und Lagerungspflege so nett miteinander umgehen und man als Unterassistent sich willkommen fühlt. Hauptaufgabe im OP ist das Haken halten, allerdings darf man auch oft beim Zunähen helfen (wenn man noch nicht geübt ist, nehmen sich viele Assistenzärzte auch Zeit, um einen Tipps zu geben). Generell hat man sowohl in der Sprechstunde als auch im OP jederzeit die Möglichkeit Fragen zu stellen und viele Ärzte erklären auch von sich aus sehr gerne viel. Zusätzlich gibt jede Woche Mittwoch einer der Assistenzärzte eine 30-minütige Fortbildung für die Unterassistenten und zusätzlich kann man an den Assistenzarzt-Weiterbildungen (Montag, Dienstag, Donnerstag) sowie wenn man Glück hat an zusätzlichen Unterassistenten-Fortbildungen (Nahtkurs, Gipskurs) teilnehmen.
Ein normaler Arbeitstag geht von 7:10-17:40 Uhr mit einer 30-minütigen Mittagspause, wobei man bei fehlenden Aufgaben auch etwas früher gehen kann. Dazu kommen noch regelmässig Pickett-Dienste (also Rufbereitschaft), welche unter der Woche immer vom Dienstende bis zum Dienstanfang des nächsten Tages (17:40-7:10 Uhr) gehen und am Wochenende von Freitagnachmittag bis Montagmorgen durch einen Unterassistenten immer betreut werden. Hier wird man wirklich nur angerufen, wenn man in einer OP unbedingt gebraucht wird und dann muss man innerhalb von 30 Minuten im OP sein. Insgesamt hatte ich in den 4 Wochen 6x Pickett-Dienst (3x unter der Woche und ein komplettes Wochenende). Generell bekommt man für die Rufbereitschaft eine zusätzliche Vergütung auf das Grundgehalt obendrauf und je nach Uhrzeit bekommt man noch weitere Zuschläge, falls man angerufen wird. Sollte man reingerufen werden bekommt man die Anwesenheitszeit als Kompensationszeit für freie Tage gutgeschrieben zusätzlich zu den 2.5 Ferientagen, welche man pro Monat generell hat.
Bei einer Grundarbeitszeit von 50 Stunden pro Woche (und zusätzlichen Pickett-Diensten) hat man unter der Woche generell eher weniger Freizeit, dafür lässt sich das Wochenende umso mehr in der Stadt Luzern und der Natur geniessen. Sowohl im Sommer als auch im Winter hat man viele Freizeitmöglichkeiten in der Umgebung, was definitiv für jede Outdoor-Person empfehlenswert ist.
Wenn man sich früh genug meldet hat man die Möglichkeit einen Platz im Wohnheim direkt auf dem Klinikgelände für einen günstigen Preis zu bekommen, sonst ist Luzern leider (wie die Schweiz generell) sowohl für Wohnung als auch für Essen sehr teuer. In der Spital-Mensa kann man ab ca. 10 CHF ein gutes Mittagessen bekommen (für Schweizer Verhältnisse günstig), sonst gibt es dort auch eine Mikrowelle für Meal-Prep.
Zusammenfassend kann ich die Unterassistenz hier wärmstens empfehlen, wenn man wirkliches Interesse an der Unfall/Ortho hat, da man hier viel lernt und selbstständig arbeiten kann. Wenn man eher ein entspanntes PJ-Tertial/Famulatur mit viel Freizeit sucht, dann sind die 50h/Woche und Pickett-Dienste auf jeden Fall wahrscheinlich zu lang.
Bewerbung
Ich habe mich 1 Jahr vorher für die 1-monatige Famulatur beworben und durch Glück einen Platz erhalten, allerdings muss man sich für einen PJ-Platz schon meistens 2 Jahre vorher bewerben aufgrund der hohen Nachfrage.