PJ-Tertial Chirurgie in Muhimbili University of Health and Allied Sciences (12/2024 bis 2/2025)

Station(en)
Thoraxchirurgie, Allgemeinchirurgie, Kieferchirurgie
Einsatzbereiche
OP, Station
Heimatuni
TU Muenchen
Kommentar
Mambo mzungus ;-)
Vorweg, um es kurz zu machen: ein PJ-Tertial, empfehlenswert, wer ein höherpreisiges Urlaubstertial haben möchte, wer Lehre und Einblicke in die Medizin vor Ort oder einen Erfahrungsschatz an eindrücklichen, bei uns ungeläufigen Krankheiten sucht, wird hier nicht fündig, außer er/sie möchte von morgens 7 bis abends 21 Uhr, wie die hiesigen StudentInnen, in der Klinik stehen, sehr viel Engagement und Eigeninitiative, trotz nüchternem Outcome aufbringen und sich zuvor mindestens B1 in Suahili angelernt haben.
Dies soll keine negative Bewertung des Tertials, des Landes oder der Kultur sein, Tansania ist ein wunderschönes Land mit vielen, lieben, herzlichen und großartigen Menschen, leckerem Essen und herrlichen Urlaubsdomizilen. Dennoch möchte ich so kritisch wie möglich reflektieren, damit jeder der sich hier bewerben sollte, klare Vorstellungen davon hat, was auf einen zukommt.
Rotationen: selbstständig angehen. Schaut euch in der Klinik um, stellt euch vor und nehmt mit was ihr könnt. Die Ward Rounds sind meist ernüchternd, wenn ihr Glück habt werden diese auf Englisch durchgeführt, jedoch in Massen an Menschen und in sehr leiser Laustärke, Dozenten nutzen diese um Selbstdarstellung zu üben und die Studenten zu erniedrigen („You were saying he was a smoker with 1 Pack per day, but maybe he doesn’t like smoking at all and wanted to quit tomorrow, did you ask about that?“). Die surgical theaters meist voller Menschen, die Operationen beginnen häufig erst um 10 Uhr, da die Einleitungen lange dauern, die Operations-Prozedere sind ernüchternd, die Säle sehr unsteril und unhygienisch, z.T. Schimmelnde, feuchte Decken, nicht funktionierende Klimaanlagen, unsteriles Besteck, etc. Mosquitos oder sich in geöffnete Körperhöhlen setzende Fliegen sind keine Seltenheit.
Betreuung ist nicht gegeben. Die Zuständige, Gladys, ist eine unberechenbare, schwierige Persönlichkeit, die nicht zu unterschätzen ist. Es ist ein Paradoxon – zwar wird augenscheinlich wert darauf gelegt, dass man täglich in die Klinik kommt, geboten wird jedoch nichts, keine Lehre, keine Anbindung an einen Ansprechpartner, keine Information zu Abläufen in der Klinik oder Lageverhältnissen, keine klare Kommunikation, aber die sofortige Einzahlung der horrenden Studiengebühren wird gefordert. Solltet ihr von einer Universität kommen, die auf einem Formular sowohl den Stempel des Studiendekans, als auch den des Krankenhauses mit Fachbereich benötigen sollte, lasst ihr euch am Besten den ersteren Stempel durch Gladys geben, da sie den Standpunkt vertritt, dass zwei Stempel auf einem Dokument in Tansania nicht legal existieren dürften. Der Chief of Surgery hat sein Sekretariat im Kibasila-Trakt, der kleinen, einstöckigen Haus, neben dem Kibasila Hauptgebäude, hier bekommt ihr seinen Stempel und die Unterschrift, ohne großen Aufwand, Hickhack oder viele Erklärungen.
Prinzipiell könnte jeder Student zum ersten Tag um 9 Uhr im International Office erscheinen, sich höflich vorstellen, dann unbemerkt 8 Wochen Urlaub machen und schlussendlich am vorletzten Tag die Dokumente zur Unterschrift abgeben, am Folgetag abholen und sich verabschieden. Eure Existenz interessiert nicht. Wer jedoch ein Urlaubssemester machen möchte, könnte es einfacher in einer schöneren Umgebung und günstiger haben, als extra nach Dar zu kommen.
Sollte euch das international office einen Zeitpunkt nennen, zu dem Gladys euch treffen möchte, könnt ihr euch sicher sein, dass sie nicht da sein wird und ihr womöglich mehrere Stunden auf sie warten müsstet, sie gar nicht auftaucht oder sie euch sagt, ihr könnt erst eine Woche später als eigentlich geplant mit dem Tertial starten, da sie keine Kapazitäten habe, sich um die Formalitäten zu kümmern. Alles in allem erhält man auch per Mail lange keine Antwort, auch im Rahmen der Bewerbung für das PJ. Sollte man die Zusage bekommen, haben sie keinen Überblick, wann welcher Student beginnt und auch keine konkreten Vorstellungen, wie euer Tertial gestaltet werden soll.
Falls ihr eine schöne Unterkunft braucht, in der ihr auch als Alleinreisender schnell in Kontakt mit anderen kommen möchtet, empfehle ich euch, wie viele PJ Bewertungen vor uns das Mtitu Haus von Dr. Thuraiya. Tolle Unterkunft mit genügend Nischen zum Entspannen und sich wohlfühlen. Security bewacht 24/7, Putzkräfte kommen jeden Tag, die Zimmer sind klimatisiert und viele En-Suites. Es gibt jeden Morgen Eier, Toast, Milch, Kaffee und Zucker, sowie 24h einen Wasserspender. Hier findet ihr auch eine Waschmaschine und Wäscheleine. Nebenan gibt es ein Café, das auch Thuraiya gehört. Am besten ihr bucht per WhatsApp oder Airbnb, fragt aber nach einem fairen Studentenrabatt. Die Uniklinik ist fußläufig und es gibt einige authentische indische Restaurants ringsum.
Ansonsten gibt es noch die Nordicschool im westlicheren Stadtteil Masaki. Hier seid ihr an eine internationale Schule angegliedert, es gibt 4 Schlafzimmer, die normalerweise an junge, internationale Lehrkräfte vermietet werden, aber ggf auch von Studenten bezogen werden dürfen. Ihr habt dort einen Pool und Tennisplatz mit jeweiligen Coaches und Security.
Die Menschen in Dar sind freundlich, aber skeptisch und dennoch sehr distanzlos, sowohl was die körperliche Nähe, als auch das Verhalten gegenüber Fremden angeht. Unsere Gespräche liefen häufig auf Betteln oder auf sexuelle Anfragen hinaus, was den Willen des in Kontakt treten Wollens mit den Locals trübt.
Als Frau alleine wird man unsanft umworben und belagert, ein männlicher Begleiter hingegen wirkt wie ein unsichtbares Schutzschild. Wer die Arme und Beine nicht bedeckt hat, wird angestarrt. Frauen tragen hier oftmals Burka und zeigen sehr selten Haut. Tansania ist nunmal ein konservatives Land mit einem hohen Anteil an Muslimen.
Da wir wenig bis kein Suahili sprechen konnten, konnten wir kaum Kontakte knüpfen oder tiefergehende Gespräche mit Fremden führen. Die hiesigen StudentInnen sind lange Zeiten in der Universität, werden dort ziemlich gefordert und haben somit keinen Freiraum, um sich mit den Mzungus (Weißen) anzufreunden. Hier geht es heiß her, wenn es um den Blick auf den Patienten auf dem Operationstisch geht (je nach Fachgebiet viele Menschen, ca 15-20 Personen der chirurgischen Seite, da wird gedrängelt und sich gegenseitig das Blickfeld weggenommen, wo es nur geht).
Überschlägt man die Kosten ist man mit Flug, Unterkunft, Lebensmittel, Transport, Reisen um das Land besser kennenzulernen, und ca. 100€ Studiengebühr/Woche in einem eher gehobeneren Preissegment im Vergleich zu anderen Ländern.
Im Einkauf sind insbesondere Milch-/Fleischprodukte, Ersatzprodukte für tierische Nahrungsmittel, sowie weitere westliche Lebensmittel kostenintensiver als bei uns. Straßenstände und Mensaessen sind sehr günstig – zwischen 1.000-2.000 TZS, entspricht ca. 40-80ct. Und extrem lecker (Pilaw mit Kuku (Hühnchen), Mchicha (Spinat), sowie frischgepresste Säfte/Samosas/Vitumbua/Chapati/Paratha/Smoothis/Zuckerrohrsäfte für unter 1€, sowie frische Obstteller am Campus (Avocado, Gurke, Papaya, Mango, Ananas und Wassermelone, für, je nach Verkäufer, zwischen 40-80ct). Obst und Gemüse auf dem Markt preistechnisch unschlagbar.
Sonstige Restaurantbesuche sind sehr vergleichbar mit westlichen Preisen – Essen zwischen 8-12€, je nach Restaurant, Cappuccino 2-3€. Aber Vorsicht: während unseres Aufenthalts erwischte die Lebensmittelvergiftung jeden von uns mindestens einmal, bei einem Großteil von uns war Diarrhö ein Dauergast. Fitnessstudios sind teuer (Z.B. neben Mtitu 60€/Monat), es gibt viele kleine Pilates oder Yogastudios (Stunde 10€), aber wenn man Kontakte hat findet man auch kostenfreies Rugby, Basketball oder Fußball mit Locals und Internationalen.
Alles in allem hatten wir eine fantastische Zeit, das lag aber vorrangig an der tollen Gemeinschaft und den schönen Momenten miteinander. Im Laufe der Wochen resignierten wir und der Gang in die Klinik rückte in den Hintergrund. Dafür haben wir viel von Tansania gesehen, Safaris unternommen, sind zum Schnorcheln nach Mafia Island, zum Schwimmen nach Sansibar, Bongoyo Island, Sinda Island oder nachmittags in das Hotel „Giraffe Beach“, unter der Woche sind die Liegen am Strand kostenlos, zum Wandern in die Berge… Nummern für viele der Unternehmungen hängen aus im Mtitu Haus am Schwarzen Brett oder ggf. von den PJlern vor euch abgreifen, jeder hat für alles einen „guy“. Von A nach B immer Bolt oder Uber bestellen, geht schnell, ist sicher und günstig. Ultimativer Tipp: eure Ausweise der Universität könnt ihr als „Residents Card“ nutzen und somit viel Geld sparen – im Flieger einfach die Residents Fare auswählen, bei Ausflügen zuvor immer kommunizieren, dass ihr Residents seid, Nationalparkeintritte sind dann auch günstiger, genauso wie Fährfahrten. Führt z.T. Zu Diskussionen, aber Handeln und Feilschen müsst ihr ohnehin immer und überall (sonst zahlt ihr viel zu viel).
Wenn ihr genügend Geld habt und sowieso schon immer mal in den Serengeti/Ngorongoro oder auf den Kilimajaro wolltet, dann seid ihr hier genau richtig. Dafür reichen 8 Wochen aber dicke. Ich würde euch davon abraten länger dort zu bleiben. Sollte Tansania nicht der Ort sein, an dem ihr schon immer mal längere Zeit gewesen sein wolltet, gibt es andere schöne Hotspots, die vielleicht besser passen.
In diesem Sinne: Karibuni und Hakuna Matata.
P.s. für den OP-Trakt am besten eigene OP Schuhe mitbringen, und grüne Kasacks. Es kommt häufig zu einem Mangel an Kleidungsstücken vor Ort, da ist man besser bedient mit dem eigenen Equipment. Denkt auch Desinfektionsmittel und Reiseapotheke.
Bewerbung
Bewerbung am besten frühzeitig per Mail an Gladys Malimi: [email protected]
Zuvor solltet von dem Verantwortlichen eurer Universität die Application Form ausfüllen lassen und anhängen. Dieses findet ihr unter muhas.ac.tz
Die Bearbeitungszeit dauert und die Kommunikation ist ungemein schleppend…
Unterricht
Kein Unterricht
Dienstbeginn
Nach 8:00 Uhr
Dienstende
Vor 15:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Essen frei / billiger
Mittagessen regelmässig möglich
Kleidung gestellt
Gebühren in EUR
100€ pro Woche

Noten

Team/Station
6
Kontakt zur Pflege
5
Ansehen des PJlers
6
Klinik insgesamt
6
Unterricht
6
Betreuung
6
Freizeit
1
Station / Einrichtung
6
Gesamtnote
6

Durchschnitt 5.6