PJ-Tertial Chirurgie in Karolinska Universitetssjukhuset (11/2024 bis 1/2025)

Station(en)
ME Transplantationskirurgi
Einsatzbereiche
OP, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Diagnostik, Station
Heimatuni
Luebeck
Kommentar
Alles in allem eine großartige Erfahrung.

--- STOCKHOLM ---

Stockholm ist einfach eine tolle – nein, meine Lieblingsstadt! Warum genau, führe ich hier nicht im Detail aus – dafür gibt’s andere Kanäle. Einziger Wermutstropfen: Ich war von November bis Januar dort, also zur absolut dunkelsten Jahreszeit. Teilweise gab’s nur zwei Stunden Tageslicht. Und trotzdem – die Stadt und die Leute schaffen es, auch in dieser Zeit total lebenswert zu sein. Im Sommer ist das Ganze dann nochmal exponentiell besser.
Etwas Eingewöhnung braucht das konsequente Du-System – gerade im Krankenhaus, sowohl gegenüber Patient\:innen als auch im Kollegium.

--- GESUNDHEITSSYSTEM IN SCHWEDEN ---

In Schweden gibt’s ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem, das im Gegensatz zum NHS stationär ziemlich gut funktioniert. Die Schwächen liegen wohl eher im ambulanten Bereich – davon habe ich aber wenig mitbekommen.
Das Land ist in Regionen aufgeteilt, die gesundheitswirtschaftlich weitgehend selbstständig agieren. Das Karolinska gehört also zur „Region Stockholm“. Private Krankenversicherungen oder Zwei-Klassen-Medizin? Gibt’s nicht. Mein Eindruck war: Man bekommt einfach einheitlich ein hohes Versorgungsniveau – z. B. Einzelzimmer für alle.

--- KAROLINSKA ---

Das Karolinska Universitätskrankenhaus ist eines der größten und renommiertesten Häuser der Welt – und das rückblickend auch völlig zu Recht.
Es besteht aus zwei Standorten: Solna (ultramoderner Neubau im Norden Stockholms) und Huddinge (ein Vorort im Südosten, aber super mit der Metro erreichbar).

Hierarchien? Eher flach. Es gibt keine klassischen Weiterbildungsassistent\:innen, sondern gestufte Ausbildungsabschnitte (BT, AT, ST) – ich nenne sie hier einfach „Residents“. Oberärzt\:innen (Överläkare) brauchen in der Regel einen „echten“ PhD – den machen viele direkt während ihrer Weiterbildung.
Nach dem, was ich von den Residents gehört und gesehen habe, ist die Weiterbildung aber insgesamt deutlich unstrukturierter als in Deutschland – u. a. wegen geringerer Fallzahlen.

Was sehr angenehm ist: Die Trennung zwischen akademischer und klinischer Leitung. Der akademische Direktor – gleichzeitig Vorsitzender der europäischen Gesellschaft für Transplantationschirurgie – ist eine absolute Koryphäe. Mit solchen Leuten per Du zu sein, Fragen stellen zu dürfen und ernst genommen zu werden, war richtig beeindruckend.

Spannend: In Schweden sind chirurgische Fächer – allen voran Herz- und Transplantationschirurgie – extrem beliebt für die Weiterbildung. Da sieht man mal, was gute Arbeitsbedingungen bewirken können.

--- VORBEREITUNG UND ERSTER TAG ---

Nachdem ich alles rund um Anmeldung und Anerkennung geklärt hatte, bekam ich eine super freundliche Mail von der Abteilungssekretärin. Ich sollte meinen Pass und einen MRSA-Abstrich vorlegen. Dazu kam ein ca. 60-seitiges Handbuch über die Abläufe – eigentlich für neue Residents gedacht. Das war anfangs etwas einschüchternd, weil ich dachte, das wären alles meine Aufgaben – war aber nicht so.

Am ersten Tag war um halb acht Treffpunkt mit der Sekretärin. Sie hatte alles vorbereitet: Spind, Klamotten, ID-Karte mit vollem Computerzugang. Ich bekam eine kleine Hausführung. Meine Handynummer wurde notiert, damit ich bei anstehenden Transplantationen (die ja auch mal nachts oder am Wochenende stattfinden) angerufen werden konnte. Dafür bekam ich sogar eine Art Taxi-Abo-Karte, um nachts kostenlos zur Klinik zu kommen.

--- SPRACHE ---

Ich hab in meiner Kindheit viel Zeit in Schweden verbracht und dazu ein paar Semester Schwedischkurse gemacht. Mein Schwedisch war trotzdem eher rudimentär – aber es hat gereicht. Man muss sich ein bisschen einhören, aber dann versteht man als deutschsprachige Person schon echt viel.
In der Klinik wurde super viel Rücksicht genommen: Die komplette Frühbesprechung wurde auf Englisch gemacht, im OP wurde auch oft gefragt, ob ich’s lieber auf Englisch hätte – wobei ich da meist ganz gut mit Schwedisch durchkam.
In meiner Abteilung gab es außerdem Kolleg\:innen auf allen Ebenen, die auch Deutsch sprachen – das hat es natürlich noch leichter gemacht.

--- KLINIKALLTAG ---

Jeden Morgen um 8 war Frühbesprechung: Der Nachtdienst berichtete, anstehende oder gelaufene Transplantationen/OPs wurden besprochen. Danach ging man entweder direkt mit in den OP (oder wurde gefragt, ob man mitmöchte) oder auf Station.

Die Station der Transplantationseinheit war organspezifisch gegliedert, ähnlich wie die Ambulanz.
Morgens gab’s erst mal, in einem sehr großzügigen Aufenthaltsraum, ein von der Klinik gestelltes interprofessionelles Frühstück – mit Pflege, Ärzt\:innen und anderen Berufsgruppen. Danach ging man in den Besprechungsraum der Station.

Ein\:e Resident und ein\:e Oberärzt\:in waren für etwa 10 Patient\:innen verantwortlich, zusammen mit einer Pflegefachkraft und einer Pflegehelfer\:in (2:3-Schlüssel). Im Besprechungsraum wurden die Patient\:innen einzeln durchgegangen – Labor, Medikamente (in Schweden werden standardmäßig Handelsnamen statt Wirkstoffe verwendet), klinischer Zustand.
Meistens ging’s um Immunsuppression, Organfunktion, Ernährung und mögliche Abstoßungsreaktionen – insgesamt sehr spannend, fast schon internistisch.

Diese Übergaben liefen für mich meist auf Englisch, manchmal – wenn’s den Pflegenden lieber war – auch auf Schwedisch. Ich hab dabei das meiste verstanden, aber inhaltlich eher wenig beigetragen. Fragen waren immer willkommen, ich hab mich nie als Störfaktor gefühlt.
Es wurde sich einfach viel mehr Zeit pro Patient\:in genommen als in Deutschland. Danach ging’s zur Visite. Wenn es Intensivpatient\:innen gab, wurden die auf der anästhesiologisch geführten Intensivstation besucht.

Nach der Visite war meistens Dokumentation angesagt – dabei konnte ich wenig helfen, also bin ich mit den anderen Studis Mittagessen gegangen (Kantinen gibt’s mehrere, aber relativ teuer – Empfehlung: Grillt korv im Pressbyrån). Danach hab ich meistens nochmal auf Station geschaut, ob was Spannendes los war, bin in den OP oder auch mal früher heim.

--- IM OP ---

Ich will nicht Chirurg werden, hab aber schon immer Spaß an der Chirurgie und am Handwerklichen gehabt. Und der OP dort war einfach nur beeindruckend – großzügig, modern, sehr freundlicher Umgangston.
Ich wurde von Anfang an voll integriert.

Fachlich war’s auch super spannend: organisatorisch z. B., wie Dinge wie das Team-Time-Out wirklich gelebt werden. Ich durfte bei allen OPs assistieren – auch bei Lebertransplantationen, die locker mal 10+ Stunden dauern und körperlich ziemlich anstrengend sein können. Aber: Es war kein stumpfes „Haken halten“, sondern es wurde erklärt, gefragt, angeleitet. Ich durfte nähen, Knoten schneiden – nicht nur am Ende die Hautnaht.

Die Transplantationseinheit ist auch für die Access-Chirurgie zuständig – also AV-Shunts und PDKs. Die werden oft von Residents alleine gemacht, auch da durfte ich viel mitmachen.

Eine Anekdote, die es auf den Punkt bringt: Bei einer Da-Vinci-geführten Lebendnierentransplantation hat mich ein Oberarzt spontan angerufen, weil’s „was Spannendes“ war, mich an die zweite Konsole gesetzt und mir die OP im 1:1-Teaching erklärt – während ein anderer operierte und das Ganze mit witzigen Kommentaren begleitete.

Die Einheit betreut übrigens auch alle HTx-Patient\:innen aus der Region ab sechs Monate postoperativ (HTx selbst wird in Schweden ausschließlich in Lund gemacht).

Perioperativ war spannend, dass die Anästhesie fast komplett von Pflegekräften übernommen wurde – inklusive Intubation (!).

Bei Organentnahmen wurde ich regelmäßig gefragt, ob ich mitmöchte. Die finden ja oft auch nachts oder am Wochenende statt, aber man konnte jederzeit sagen, wenn’s nicht passt – alles kann, nix muss.
Ich durfte immer assistieren, hab so viele andere Kliniken in der Region kennengelernt und konnte moderne Verfahren wie Normothermic Regional Perfusion (NRP) miterleben.

Da ich durch meine Tätigkeit für die DSO den Prozess in Deutschland gut kenne, war der direkte Vergleich super spannend.
Am auffälligsten: In Schweden sind auch „Donation after Cardiac Death“ (DCD) erlaubt – im Gegensatz zu Deutschland, wo nur DBD-Spenden legal sind.

--- LEHRE / TEACHING ---

Während meiner Zeit gab’s verschiedene Kurse: Blockpraktika für Drittsemester und ein „Repetitorium Transplantationschirurgie“ für Studis im letzten Jahr. Ich wurde sofort eingeladen, mitzumachen – total selbstverständlich.
Die Gruppen waren klein (\~6–12 Leute), und die Mischung aus Theorie und Praxis war richtig gut gemacht.

Außerdem gab’s regelmäßig Journal Clubs und interne Fortbildungen.

Ich hab gefragt, ob ich mal ein paar Tage in andere Abteilungen reinschauen kann – kein Problem. Für mich wurde Zeit in der Radiologie und Kardiologie organisiert.

--- NACHTEILE ---

Direkt an Patient\:innen arbeiten konnte man auf Station eher wenig – das liegt aber nicht an mir als Studierenden, sondern daran, dass Blutabnahmen, ZVKs, PVKs, Sono etc. Aufgaben von Pflege oder Techniker\:innen sind.
Und weil mein Schwedisch schriftlich eher schwach war, hatte ich auch keine „eigenen“ Patient\:innen. Wenn man allerdings gut Schwedisch spricht, hätte man dort alle Möglichkeiten, richtig mitzuarbeiten – inklusive eigener Fälle.

--- ZUSAMMENFASSUNG ---

Insgesamt ein unglaublich lehrreiches Tertial – medizinisch und gesellschaftlich.
Ich habe mich in keiner Klinik bisher so willkommen und wertgeschätzt gefühlt.
Man hat wirklich das Gefühl, dass sich jemand für einen interessiert und Mühe gibt.
Wäre die Weiterbildung besser strukturiert – ich würd sofort auswandern. 😄
Bewerbung
Man muss wissen: Im schwedischen System ist man mit dem Konzept eines PJ oder einer Famulatur ein echter Sonderfall – das gibt es dort schlicht nicht. Und auch im deutschen System ist ein Tertial in Schweden eher ungewöhnlich.
Über den offiziellen Weg des Karolinska klappt das in der Regel nur, wenn man von einer Partneruniversität kommt – aktuell Berlin oder München. Für alle anderen gilt: Ohne Kontakte – schwierig.

In meinem Fall lief es über das Netzwerk meines Studienstipendiums. Darüber kam der Kontakt zu einem Oberarzt der Abteilung zustande, der später mein offizieller „Supervisor“ wurde.

Stockholm ist eine teure Stadt – richtig teuer. Ich konnte mir den Aufenthalt nur durch die Förderung meines Stipendiums leisten. Aber auch ohne Stipendium gibt es realistische Optionen: PROMOS (z. B. in Lübeck), DAAD-Programme oder Erasmus+ sind gute Anlaufstellen.

Man muss es wirklich wollen. In meinem Fall war es auch organisatorisch aufwändig: Ich war der erste Lübecker Studi, der das Tertial in Stockholm durch das Dekanat und das LPA überhaupt genehmigen lassen musste.
Unterricht
5x / Woche
Inhalte
Bildgebung
Sonst. Fortbildung
Repetitorien
Patientenvorstellung
Nahtkurs
Tätigkeiten
Poliklinik
Patienten untersuchen
Mitoperieren
Punktionen
Chirurgische Wundversorgung
Röntgenbesprechung
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
15:00 bis 16:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Kleidung gestellt
Mittagessen regelmässig möglich

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
1
Unterricht
2
Betreuung
1
Freizeit
2
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.13