PJ-Tertial Anästhesiologie in Kantonsspital Aarau (9/2023 bis 12/2023)

Station(en)
OP
Einsatzbereiche
OP
Heimatuni
Berlin
Kommentar
Orga:
Die Orga im Vorfeld verlief weitestgehend reibungslos. Was mich etwas irritiert hatte war, dass irgendwie vorausgesetzt wurde, dass ich eine Schweizerische Sozialversicherungsnummer habe. Da war ich kurz etwas überfordert, weil man die nur mit einem festen Wohnsitz in der Schweiz beantragen konnte, den ich ja nicht hatte - ich habe dann aber den Zuständigen vom HR, die mir den Personalbogen im Vorfeld zugeschickt hatten, das Problem geschildert und die haben das im Endeffekt für mich beantragt.
Es gibt immer am 1. des Monats einen Einführungstag für alle neuen Mitarbeiter und es wurde erwartet, dass ich daran teilnehme, das sollte man also im Bezug auf die anderen Tertiale mit einplanen. Grundsätzlich machen die Schweizer Studenten kürzere Einsätze, meistens 1, manchmal 2 Monate, die dann immer am 1. des Monats anfangen. Dadurch bin ich mit meinen 4 Monaten direkt herausgestochen und viele der Ärzte und Pflegekräfte waren ganz begeistert und meinten, dass ich ja dann richtig viel darf am Ende.

Struktur/Aufteilung:
Man muss wissen, dass die Pflege in der Schweiz in allen Bereichen deutlich mehr Kompetenzen hat. Sie dürfen auch intubieren und erfahrene Pflegekräfte übernehmen auch eigene Säle oder leiten alleine aus.
Das KSA deckt alle operativen Disziplinen mit Ausnahme der Herzchirurgie ab, wodurch man einen umfassenden Überblick bekommt. Am häufigsten war ich in der HNO (hoher Durchlauf, viele Intubationen und nicht so kranke Patienten, perfekt für den Einstieg), Viszeralchirurgie, Ortho (v.a. Schulter- und Kniechirurgie) und in der Plastischen/Handchirurgie. Auf Wunsch wurde ich auch ab und zu im Kindersaal eingeteilt, wobei ich da natürlich nicht so viel selbst machen durfte. Am wenigsten war ich im Thorax- und DaVinci-Saal und gar nicht in der Neurochirurgie (nur Wirbelsäule, aber keine Kraniotomien). Die Gyn inkl. Gyn-OP und Kreißsaal war in einem separaten Haus, da war ich 3 Wochen eingeteilt, was mir persönlich zu lang war, 2 hätten da auch gereicht. Keine Ahnung wie das im Neubau wird der aktuell in Arbeit ist, vermutlich ist dann alles im gleichen Haus.
In jedem Saal war normalerweise immer ein Leitender Arzt, ein Oberarzt (quasi alle Fachärzte haben hier die Bezeichnung Oberarzt), ein Assistenzarzt und eine Pflegekraft eingeteilt. Assistenten und Pflege betreuen dann gemeinsam und oft auch parallel (zB einer in der Einleitung, einer im Saal) die Patienten, die Oberärzte kommen bei Problemen und zum Ein- und Ausleiten dazu und die Leitenden sind quasi die letzte Instanz. Durch Personalmangel/-ausfälle konnte das nicht immer so erfüllt werden, so gab es dann zB Säle in denen keine Pflege oder kein Assistent eingeteilt war und Springer aushelfen mussten oder wo es keinen OA gab und dessen Aufgaben dann vom LA übernommen wurden.
Wir konnten dann häufig den nächsten Patienten mit viel Vorlauf bestellen und ganz in Ruhe vorbereiten und einleiten während die OP im Saal noch lief. Man muss dazu sagen, dass eben aktuell der große Neubau errichtet wird, wo das System dann ggf etwas anders wird, weil dann meines Wissens nicht mehr jeder Saal eine eigene Einleitung hat.
Als Unterassistentin wurde ich anfangs zusätzlich eingeteilt, später dann oft anstelle eines Assistenten oder einer Pflegekraft. Nachdem ich mich ganz gut angestellt hatte und man anscheinend viel Vertrauen in mich hatte, habe ich dann auch viel Verantwortung bekommen. Ich habe ein eigenes Telefon bekommen, stand fest im Dienstplan drin und wurde auch in den OP-Plan eingetragen. Manchmal wurde vergessen mich einzuteilen, wenn ich 16 Uhr noch nirgends drinstand habe ich dann oft den zuständigen Planer (wer das ist steht im Dienstplan, normalerweise der OA der im Notfallsaal ist) angerufen und darum gebeten mich einzuteilen, da konnte ich dann oft auch Wünsche äußern. Es gab einige wenige OÄ, die darauf etwas allergisch reagiert haben, aber das bekommt man dann schon mit und die habe ich dann auch einfach nicht mehr angerufen.
Ein Nachteil war, dass die Teams jeden Tag wechseln und es eine riesige Abteilung ist (bis zum letzten Tag habe ich noch Leute von der Anästhesie getroffen, die ich noch nicht kannte) und jeder unterschiedliche Erwartungen und Ansprüche hat. Dadurch war es dann manchmal zB so, dass mir ein OA den einen Tag etwas erklärt hat und eine andere OÄ am nächsten Tag dann meinte, dass ich das ja ganz falsch mache. Auch gab es einige Kollegen, die mich bis zum Schluss kaum etwas machen lassen wollten, während Andere mich sogar alleine im Saal gelassen haben, während sie Pause gemacht haben. Da muss man dann einfach flexibel bleiben und sich immer anbieten.

Team/Atmosphäre:
Im Großen und Ganzen waren die meisten Kollegen, sowohl Pflege als auch Ärzte, sehr nett und freundlich zu mir. Ausnahmen gibt es natürlich immer, aber ich habe mich allgemein gut aufgenommen gefühlt. Natürlich sollte man sich immer nett vorstellen und aktiv einbringen. Meine Arbeit wurde wertgeschätzt und ich habe viel Lob gehört wenn ich mich gut angestellt habe, was natürlich immer motivierend ist. Es gibt viele deutsche Kollegen, an das Schweizerdeutsch habe ich mich relativ schnell gewöhnt (außer bei den Kollegen aus Bern, die hab ich bis zum Schluss kaum verstanden), wenn ich mal was nicht verstanden habe sind auch viele netterweise zum Hochdeutsch geswitched.

Aufgaben:
Grundsätzlich waren meine Aufgaben: Einleitung/Narkose vorbereiten (Medis aufziehen, Equipment bereitlegen, Infusionen vorbereiten), Patienten vorbereiten (Zugang legen, Monitorisierung, Checkliste durchgehen), Atemwegsmanagement (ich durfte oft intubieren und Lamas legen), Protokoll ausfüllen (hier noch auf Papier), Beatmung einstellen und dann eben verschiedene Sachen die im Verlauf so anfallen. Später habe ich dann auch oft mit einem OA ausgeleitet und stabile Patienten alleine an den AWR übergeben. "Nur" assistiert habe ich beim ZVK legen, bei Regionalanästhesien und bei spezielleren Atemwegen, wie (wach-)fiberoptischer Intubation oder Doppellumentuben.
Viele wissen, dass PJler in Deutschland viele Zugänge legen müssen und erwarten deshalb oft, dass man das schon kann. Es kann also nicht schaden, wenn man das vorher gut geübt hat oder am besten vorher ein anderes Tertial in Deutschland gemacht hat.

Tagesablauf:
Der Tag beginnt kurz vor 7 Uhr in der Einleitung und endet offiziell 17:30. Die Pflege hat 15:30 Feierabend, die Assistenten machen dann die Säle fertig und gehen danach noch prämedizieren. Das sollte ich theoretisch auch so machen, ich habe mich aber bis zum Schluss erfolgreich davor gedrückt und bin meistens einfach gegangen wenn mein Saal fertig war bzw wenn es im OP nichts mehr zu tun gab. Man hat morgens, für gewöhnlich nach der ersten Einleitung, eine kurze Frühstückspause und mittags eine ganze Stunde Mittagspause (die Pflege hat nur 30 min und bleibt immer im OP-Bereich). Hier gehen die Ärzte aus dem OP raus und essen in der Cafeteria, da gibt es feste Gerichte und ein Buffet, bezahlt wird mit dem Mitarbeiter-Badge. Ich habe eigentlich immer was vom Buffet genommen und ca 8-11 CHF gezahlt.
Ich hatte keine Dienste, Feiertage sind frei und man hat 2 Tage Urlaub pro Monat, die ich gesammelt am Schluss genommen habe.

Außendienst:
Es gibt neben der Tätigkeit im OP auch einen Schmerzdienst, einen Außendienst für Außennarkosen (zB im Herzkatheter oder in der Kieferchirurgie) und einen "0er"-Dienst, der prämediziert und für den Schockraum zuständig ist. Das ist für Unterassistenten eigentlich nicht vorgesehen, aber da ich so lange da war und mich viel eingebracht habe durfte ich auf Nachfrage auch eine Woche beim Außen-/0er-Dienst mitgehen. Ich habe mich einfach an den LA der für den Dienstplan zuständig ist gewendet. Ich war dann quasi mit dem Außendienst unterwegs und wenn ein Schockraum reinkam habe ich Bescheid bekommen. Was man da sieht ist natürlich "Glücks"sache, ich konnte tatsächlich sehr viel mitnehmen (Herzinfarkt mit Rea, VKU mit Polytrauma, diabetische Ketoazidose, Aortendiss, ICB nach Lyse und ein paar kleinere Sachen die eher prophylaktisch eine Schockraumanmeldung hatten).

Unterkunft:
Ich habe in einer 4er-WG in einer Personalwohnung des KSA gewohnt. Das Zimmer war spärlich, aber ausreichend möbliert. Ich hatte mit Abstand das größte Zimmer, gut möglich dass das aufgrund meines im Vergleich zu den Schweizer UAs langen Aufenthalts so war. Unsere Wohnung war ca 15 min zu Fuß vom KSA entfernt, es gibt aber auch Wohnungen die weiter weg sind. Ich habe dafür etwas mehr als 500 CHF gezahlt die direkt von meinem Lohn abgezogen wurden. Die Ausstattung ist okay, in den Unterlagen steht es gäbe keine Utensilien u.ä. in der Küche, bei uns gab es aber alles Nötige an Töpfen, Besteck und Geschirr, vermutlich von anderen Bewohnern da gelassen. Ich würde also empfehlen nicht alles mitzunehmen sondern erstmal anzukommen und zu schauen was da ist.
Wer mit Auto kommt sollte beachten, dass man für das Parken auf der Straße über die App Parkingpay zahlen muss und nur an den markierten Stellflächen stehen darf. Man kann auch Stellplätze vom KSA mieten (es gab bei uns zB 2 Stück für zwei 4er-WGs), die sind aber tatsächlich teurer (20 CHF für 7 Tage auf der Straße, 100 CHF pro Monat für den Stellplatz). Da ich immer einen Parkplatz auf der Straße gefunden habe, war das für mich die bessere Alternative.

Freizeit:
Ich würde jedem der 4 Monate bleibt empfehlen, sich sofort ein Halbtax-Abo für die SBB zu holen. Durch die guten Verbindungen sind die Öffis einfach meistens das bequemste Verkehrsmittel und man spart auf Dauer extrem viel, man hat das Geld mit 8-9 Fahrten nach Zürich schon wieder rein.
Wenn man gern wandert gibt es in der Nähe die Biosphäre Entlebuch oder den Höhenweg AargauSüd die gut mit Öffis zu erreichen sind, ansonsten natürlich die Wanderungen im Hochgebirge. Basel, Bern und Zürich sind alle in relativ kurzer Zeit unkompliziert mit dem Zug zu erreichen und eignen sich für Tagestrips. Aarau selbst hat eine nette kleine Altstadt und man kann schön am Ufer der Aare spazieren.

Fazit:
Trotz der langen Arbeitszeiten hatte ich hier eine tolle Zeit, habe viel gelernt und gesehen und würde ein Tertial am KSA in der Anästhesie auf jeden Fall weiterempfehlen.
Bewerbung
Ich habe mich vergleichsweise kurzfristig ca 9 Monate vorher über die Chefarztsekretärin Barbara Porta beworben, die für die Lehre zuständig ist. Ich habe nur durch Glück einen Platz bekommen, weil jemand am gleichen Tag für den exakt gleichen Zeitraum abgesagt hat. Wer also einen Platz sicher haben will, sollte sich mit mindestens doppelt so viel Vorlauf bewerben.
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Braunülen legen
Eigene Patienten betreuen
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
17:00 bis 18:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Essen frei / billiger
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Kleidung gestellt
Unterkunft gestellt
Gehalt in EUR
ca 1500, abzüglich Miete und geringem Steuer-/AHV-Beitrag
Gebühren in EUR
Zimmer in Personalunterkunft: 500-600 CHF, 100 CHF Reinigungspauschale

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
2
Klinik insgesamt
2
Unterricht
5
Betreuung
2
Freizeit
1
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.6