PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in Chris Hani Baragwanath (7/2025 bis 9/2025)

Station(en)
Chirurgie
Einsatzbereiche
Station, Notaufnahme
Heimatuni
Marburg
Kommentar
Also, wo soll ich bloß anfangen. Ich hatte mich mit sehr großen Vorlauf beworben, im September 2023. Nach ca. 30 Mails die unbeantwortet blieben (danke Mrs Kgauwe) kam dann im Juli 24 die Zusage. Nach der Zusage müsst ihr nichts weiter machen als die Unterkunft zu buchen (christine ist sehr empfehlenswert) und einen Flug. Visum brauch ihr bis 90 Tage nicht bzw. bekommt es bei der Einreise ausgestellt. Sagt aber nicht unbedingt, dass ihr dort arbeitet ;) Einfach Holiday antworten und ihr seid fine! Am 1. Tag im Bara nehmen euch andere Studis einfach mit und zeigen euch alles. Es braucht ca. 2 Wochen bis man irgendwie checkt wie der Hase läuft. Das ist normal und geht wirklich jedem so.

Das Bara ist ein sehr sehr eigenwilliger Ort, viele Vorberichte sind extrem ausführlich und deskriptiv. Deshalb versuche ich mich etwas kürzer zu halten.
Es ist laut, es riecht häufig schlecht, NICHTS ist geordnet, die Pflege ist (mit ein paar Ausnahmen) z.t. extrem unkooperativ - obwohl viele bei "normalen" small talk sehr zugänglich sind. Das Patientenaufkommen variiert zwischen überhaupt keinen Patienten an nem ruhigen Wochentag bis hin zu absoluter Dekompensation am Wochenende mit 30-40 Patienten im Resus (der hat eigentlich 15 Patienten). Das geht auch mal soweit, dass ein akutes A-Problem nicht getubed werden kann, weil es einfach keine Beatmungsgeräte gibt.
Was mich an der Pflege am meisten gestört hat war mit Sicherheit, dass sie sich von NIEMANDEN etwas sagen lassen. Das das bei mir als Student so ist kann ich akzeptieren, ist hier in D ja auch nicht anders. Aber selbst wenn da gestandene Fach/Oberärzte etwas verlangt haben wurde diskutiert oder verweigert. Das ging auch zt. soweit, dass das Polytrauma mit nem GCS von 9 nach Ketamin nicht ganz weg war - der Arzt mehr wollte, die Pflege es verweigert und dann das Rocuronium bei mehr oder weniger wachen Patienten appliziert. Das ist hochgradig verstörend.
Das gleiche gilt für intubierte SHTs - fast keiner hat eine kontinuierliche Sedierung (meistens nur nach OA Anordnung). Neben dem Patienten liegen (mit Glück) 2 Spritzen mit Mo und Midaz und das wird dann nach "Gefühl" gegeben. Letztlich ist man aber selber oft genug derjenige der "es einfach tut", weil sonst werden die Patienten wach - pressen gegen die Beatmung und sich damit in die Hypoxie. Vom Hirndruck will ich nichtmal anfangen :D das geht aber auch soweit, dass man die Schwestern nach den Medis fragen muss - und die dann wirklich keinerlei Anstalten machen sich zu beeilen. Ich habe selbst 2 mal mitbekommen wie sich Patienten dann letztlich mit dem Tubus im Rachen erbrochen haben - dann ist die Therapie der Wahl eine "emergency extubation". Alternative ist es die zappelnden Patienten 4 Punkt zu fixieren (NEIN IST ES NICHT) - so bleibt wenigstens der Tubus im Hals.
Die pflege hat alles was irgendwie von Relevanz ist idR unter Verwahrung: Nahtsets, Thoraxdrainagesiebe, Skalpelle, Verbandsmaterial und sowas ist eigentlich nur Zugänglich wenn man fragt. Das gleiche gilt für Medikamente - wenn man etwas eher dringender haben möchte muss man nach Anordnung direkt zur Pflege und fragen, da bist du sehr auf wohlwollen angewiesen. Es ist idR normal, dass Schmerzen kein Grund zur Beeilung sind.
Ich musste mich bspw. persönlich dafür verbürgern, dass meine Patientin Analgesie erhält vor der Bildgebung (sonst würden die Patienten abhauen) - sie hatte eine dissoziierte Tibiaplateufraktur und konnte keinen centimeter laufen und hat vor Schmerzen geweint.......
Die radiologischen Assistenten sind teilweise auch so - ich bin nicht nur einmal mit einem intubierten und instabilen Patienten ins CT gefahren der dann ne halbe Stunde warten sollte, weil andere ja vorher dran wären. Da musste ich manchmal auch ein bisschen die Ellenbogen auspacken, sonst stirbt dein Patient nämlich einfach. (Anmerkung meinerseits: mir sind 2 beatmete Patienten im CT wirklich abgeschmiert - ich hatte mir immer Supra (10 µg/ml) mitgenommen, was jedoch eigentlich für Studis verboten ist. Ich war wirklich froh es mitgenommen zu haben, beide Patienten wären sonst vmtl. verstorben. Fragt die richtigen Ärzte und Pfleger, dann kriegt man das)
Die Geschichten mit der Pflege gehen eigentlich so weiter - man muss aber auch sagen, dass wenn es wirklich richtig kracht (Polytrauma Reanimation, Thorakotomie im Schockraum oder sowas) die Sachen wirklich schnell da sind und man sich auf sie verlassen kann. Ich hatte oft das Gefühl, dass eine große Komponente südafrikanische Gelassenheit ist und auch eine gewisse Demotivation sich alle paar Monate von anderen "foreign doctors" was sagen lassen zu müssen. Es gab nicht nur eine/n Pfleger/in die ich zum Dienstbeginn umarmt habe oder einen Kaffee mitgebracht habe. Einige wollten mich auch verheiraten oder mir ihre Töchter vorstellen. Von anderen gabs Einladungen zu sich nach Hause zum essen usw. Nunja, lasst euch drauf ein - Vorstellen ist Pflicht, JEDE Konversation beginn mit "hi how are you" - egal was grade drumherum abgeht. Wenn man aufmerksam ist, sich Mühe gibt und ein bisschen die Kultur in seiner Zeit dort kennenlernt kann man es schaffen sich mit einigen echt gut zu stellen - das entscheidet darüber ob du dein Nahtset in 5 Minuten oder einer Stunde bekommst.

Von Arztseite ist meine Meinung sehr ambivalent: die internationals sind eine wirklich geile Truppe. Ich habe richtig gute Freunde in meiner Zeit dort gewonnen, mit denen ich zt. immer noch Kontakt habe und auch aufrechterhalten werde. Die locals sind teilweise etwas kompliziert. Die Oberärzte (Consultants) haben im laufe meiner Zeit einige bekloppte Regeln eingeführt (Sonoverbot für Studis - hat sich nur keiner dran gehalten), wir sind zt. für Dinge zusammengestampft worden die nicht so wirklich nachvollziehbar waren und auch unter vollständiger Ignoranz wie teuer und aufwendig dieses ganze Unterfangen für uns ist.....Die Registrars (begonnene Weiterbildung zum FA) sind auch unterschiedlich. Einige lassen dich ein SHT Tuben, alle Thoraxdrainagen legen, CT fahren mit beatmeten uvm machen - andere nutzen dich als persönlichen Arbeitssklaven und geben dir ausschließlich Scheißarbeit. Ich habe immer versucht allen zu helfen, mit der Zeit lernt man die Leute kennen und checkt an wen man sich halten muss.
Die interns (assis im 1. Jahr) sind in meinen Augen die ärmsten Schweine - arbeiten 100h/woche und mehr, haben mehrere 30h calls pro woche, sehen im Pit uu. Patienten am Fließband ohne Pause und müssen sich dann noch mit internationals um Prozeduren (THoraxdraingen va) battlen....Und sich auf Visite von den Oberärzten zusammenfalten lassen. Ich habe einige richtig coole Interns kennengelernt mit denen ich mich auch privat wirklich gut verstanden habe. Helft ihnen, seht regelhaft Patienten im Pit und chillt nicht nur im Resus. Wenn ihr nichts zu tun habt geht auf Station und helft bei Blutabnahmen, Verbandswechseln oder sonst was. Die werden es euch 10000x zurück geben!!

Man selbst kann unglaublich viel lernen. Ich wusste vorher so halb auf was ich mich einlasse, hatte etwas Rettungsdiensterfahrung und im Studium recht viel Intensivmedizin und Anästhesie gemacht, aber so ein hardcore Notfallmediziner war (und bin) ich nicht. Dennoch war es medizinisch die beeindruckendste Erfahrung meines Lebens. Ich habe Dinge getan die ich in Deutschland mit Sicherheit niemals als junger Assistent alleine gemacht hätte: Beatmete CT Fahrten, eigenständige Applikation von Ketamin, Fentanyl, Morphin, Midazolam und Adrenalin, komplexeste Nähte im Gesicht, Ohren, Lippen, Hände oder Füße, Thoraxdrainagen, ZVKs und so so viel mehr. Ich habe wahnsinnig viele Patienten nach PVA, MVA oder mob assault gesehen und eine so extreme Routine entwickelt das ich mich manchmal vor mir selber erschrocken habe. An einem busy Wochenende sieht man irgendwann auch im Resus am Anfang die Patienten selber und muss so die ersten 10-15 Minuten selber "überbrücken" und macht alles was man kann. Schusswunden und va. Messerstichverletzungen Gehören ziemlich schnell zum Alltag und lösen nichtmal mehr eine Sympathikusreaktion bei einem selbst aus - das war schon ein krasser Mehrwert. Ich habe in meiner Zeit dort 14 Thoraxdrainagen gelegt, ca. 150-200 chirurgische Wundversorgungen, 400-500 großlumige (14 und 16G) Zugänge und 3 Intubationen machen dürfen.
Als PJler der "zugangsverantwortliche" bei nem Stab-heart (Messerstich in der cardiac box) oder einer Polytraumareanimation zu sein ist schon eine ungewohnte Situation. Ich empfehle also wirklich dringend vorher schon passabel darin zu sein - es dort zu lernen geht, aber ihr tut euch einen Gefallen wenn es nicht so ist.

Meine Erfahrungen und va. mein PJ Tertial in der Anästhesie haben mir extrem geholfen und ich empfehle unbedingt ein Tertial darin vorher zu machen. Ohne geht auch, aber ich würde sagen das es meine Zeit definitiv aufgewertet hat - auch hinsichtlich dessen was dir einfach zugetraut wird (oder nicht).
Grundlegende Nahtkenntnisse sind nicht schlecht, ich hatte aber 2 chirurgische Wundversorgungen vorher mal gemacht und war echt ne Katastrophe. Ich wurde dann dort gut...geht auch ;)
Ich habe meine Zeit dort mit viel Aufwand verlängert (wurde mir als komplettes Tertial angerechnet) - offiziell sind nur 8 Wochen vorgesehen und länger geht als Studi nicht. Ich war erst bei einem Oberarzt für ein Empfehlungsschreiben und dann etwa 2 Wochen in Diskussion mit der Uni ob ich verlängern darf oder nicht. Ich bin dann am Ende (weil Mrs. Kgauwe es verweigert hat) zu ihrer Chefin und habe mit der persönlich geredet. Letztere war mega nett und hat mich verstanden und hat mir dann letztlich die Erlaubnis gegeben. Mrs Kgauwe ist logischerweise kein Fan mehr von mir gewesen, aber das hätte niemals geklappt wenn sie das "für mich" geregelt hätte. Proaktives handeln und Eigenitiative sind so oder so wichtig, in SA fand ich es nochmals wichtiger.

Anm bzgl Christine: Sie ist die beste Option um dort zu wohnen, 15 Minuten Auto zum Bara. Die Gegend ist relativ sicher, wenn auch nicht Sandton oder sowas....Sie selbst ist wirklich nett und hilft absolut immer. Ihre Einstellung bzgl ihrer "Mitarbeiter" (farbige Frauen als Hausmädchen) ist z.t. wirklich nicht in Ordnung und erinnert manchmal an Apartheidzeiten. Das ist aber häufig noch so bei denen die Geld haben - SA ist einfach noch zwischen 1. und 3. Welt und irgendwie noch mitten in der Apartheid und gleichzeitig wieder nicht.....
Allan ist auch eine Option, das Haus ist aber deutlich weiter vom Bara entfernt. Ich persönlich fand ihn zu nett und zuuuuuu zuvorkommend, mit teilweise auch fraglichen Ansichten (Mit beiden Meinungen war ich bei weitem nicht alleine, das ist also nicht nur subjektiv sondern ist einigen von uns damals aufgefallen)

Fazit: Es war die beste Zeit meines Lebens, mich haben die dort gemachten Erfahrungen vermutlich für den Rest meines Medizinerlebens geprägt. Man muss lernen das negative auszublenden und sich auf die positiven Aspekte fokussieren und einfach Bock auf ein bisschen Chaos haben. Ich würde es jederzeit wieder genauso machen, ohne jeden Zweifel!! Solltet ihr kein Blut sehen können oder sicher wissen mit schweren Schicksalsschlägen nicht umgehen zu können, dann geht auf gar keinen Fall dorthin.
Bewerbung
2 Jahre
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Notaufnahme
Blut abnehmen
Gipsanlage
Untersuchungen anmelden
Mitoperieren
Briefe schreiben
Braunülen legen
Patienten aufnehmen
Patienten untersuchen
Botengänge (Nichtärztl.)
Chirurgische Wundversorgung
Eigene Patienten betreuen
Punktionen
EKGs
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
17:00 bis 18:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
4
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
2
Unterricht
6
Betreuung
2
Freizeit
5
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
2

Durchschnitt 2.53