Insgesamt war ich mit meinem Chirurgie Tertial in der Schweiz echt zufrieden und habe viel gelernt. Am Anfang habe ich vor allem viel auf Station mitgearbeitet (Visite, Briefe etc.), auch um erstmal reinzukommen und mich einzugewöhnen. Im Verlauf des Tertials bin ich immer häufiger in den Notfallbereich gegangen, weil hier lernt man mit Abstand am meisten. Prinzipiell gilt: keiner nimmt dich an die Hand, du musst selbst sagen, dass du heute in den Notfallbereich gehst bzw. allgemein muss man selbst Initiative ergreifen. Im Notfallbereich betreut man nach etwas Eingewöhnung Patienten von A bis Z, man macht die Aufnahmeuntersuchung, kontaktiert selbst die Oberärzte (Notaufnahme Chirurgie bedeutet Allgemeinchirurgie und Orthopädie!), bespricht den Fall mit den OÄ, man meldet Bildgebung an und klärt alles weitere selbst, wenn man etwas von der Pflege braucht, ruft man diese selbst an. Die Assis stehen natürlich bei Fragen immer zur Verfügung aber es gilt das Prinzip, dass es deine eigenen Patienten sind, du also alles organisierst. Wenn Wundversorgung ansteht, darf man diese nach einer kurzen Einarbeitung komplett selbst machen. Am Ende erstellt man einen Bericht und schickt diesen an die Oberärzte. Natürlich dauert es etwas, bis man sich im Computerprogramm komplett selbstständig zurechtfindet, aber gerade gegen Ende des Tertials habe ich komplett selbstständig gearbeitet, eine echt gute Vorbereitung für das Examen und Berufsleben. Man muss jeden Tag in den OP Plan schauen, ob man eingeteilt wurde. Manchmal hat man täglich operiert, manchmal 2-3 Wochen gar nicht. Das ist sehr wechselhaft. Insgesamt habe ich aber schon viel gesehen. Chirurgie bedeutet Allgemeinchiruegie (kein Ortho! Außer in der Notaufnahme). Dazu weiter unten etwas. Folgende Eingriffe habe ich gesehen: TAPP, TEP, viele weitere Hernien OPs, Hemikolektomie, Sigmaresektion, Appendektomie, Thyroidektomien, Cholezystektomie, Eingriffe am Rektum und vieles mehr. Letztlich wird das komplette Standartprogramm der Chirurgie operiert (keine speziellen Sachen wie Whipple oder so). Die Urologen leihen sich manchmal Freitags die UAs der Chirurgie aus, ich habe bestimmt 3-4 mal mit den Uros operiert. Auf der chirurgischen Station liegen auch Uro Patienten, diese werden von den chirurgischen Assis mitbetreut, da die Uros keine eigene Station haben und keine Assis, nur leitende Ärzte. Ansonsten kommen auch Belegärzte, insbesondere die OPs mit dem HNO Belegarzt Prof. Arnold sind ein absolutes Highlight, unbedingt wenn es geht mit ihm operieren, bei ihm darf man selbst Hautschnitt machen, präparieren und nähen. Die anderen Chirurgen lassen einen eher weniger machen, je nach Laune des Chirurgen ist Nähen mal drin, aber sonst klassisch Kamera/Haken halten. Die Stimmung in der Abteilung ist so mittelmäßig bis gut. Geht besser, geht aber auch deutlich schlechter. Die UAs führen selbstständig die Präoperative Sprechstunde durch, man ist auch selbst verantwortlich, dass dort alles läuft. Eine wirklich gute Einführung gab es dafür nicht, ist learning by Doing und immer Fragen stellen am Anfang! Man meldet dann EKG, Blutentnahme etc. an, erstellt manchmal Rezepte für Abführung/Dekontamination, macht körperliche Untersuchung. Letztlich checkt ihr, ob alles für die geplante OP passt und holt halt fehlende Sachen nach. Durchaus etwas Bürokratie-Lastig. Die Befunde muss man vor der Sprechstunde bei den Hausärzten einholen. Letztlich wird erwartet, dass man sich dort gut organisiert und selbst vieles auf dem Schirm hat. Natürlich nicht direkt am Anfang, aber habe den Eindruck im Vergleich mit PJ in Deutschland wird viel mehr Eigeninitiative und Performance erwartet. Die Tätigkeiten, die man bekommt, sind nicht immer super spannend aber man lernt selbstständiges Arbeiten! Meistens gibt es 2 UAs Chirurgie + 1 Blockstudent der Uni Bern.
Beachtet, dass Ortho in Schweizer Spitälern meist nicht zur Chirurgie dazugehört, das ist eine eigene Abteilung. Wenn ihr beides machen wollt, müsst ihr euch von Anfang an so bewerben bzw. separat bewerben. Und fragt unbedingt in Deutschland bei euren LPAs nach, ob nur Chirurgie in Ordnung ist. Bei mir hieß es 2023 ja passt, 2025 war’s dann plötzlich ein Problem. Nach sehr viel Diskussion mit Dekanat, LPA durfte ich dann ausnahmsweise doch eine reines Allgemeinchirurgie Tertial machen, aber eigentlich gibt wohl die Regel in Hessen 8 Wochen AC 8 Wochen Ortho. Auch wenn diese Regelung nirgends steht…kann man sich nicht ausdenken. Aber was diese bürokratischen Hürden betrifft, kann ich nur empfehlen, sich doppelt abzusichern und auch regelmäßig zu überprüfen, ob sich Regeln ändern. Bei mir was das ein erheblicher Stressfaktor, da auch im Tertial die Anerkennung etwas auf der Kippe stand.
Zum Thema Dialekt: ich kam zuvor nie damit in Berührung, der Berner Dialekt ist nicht einfach, die ersten 2-3 Wochen struggelt ihr, aber keine Sorge, wenn man am Ball bleibt, kommt man automatisch nach ein paar Wochen rein und versteht dann das meiste. Bleibt immer schön höflich, freundlich und zuvorkommend, dann werdet ihr da eine sehr gute Zeit haben. Das Personalwohnheim ist leider ziemlich teuer…Aber modern. Was Freizeit betrifft muss ich nicht viel sagen. Ist wunderschön :) Berner Oberland ist nicht weit und im Emmental lohnt sich auch die ein oder andere Destination. Bern ist auch um die Ecke. Wenn ihr mit Auto kommt, das Spital selbst vermietet leider keine Parkplätze. Ich bin über die Immobilienfirma lubana an einen Parkplatz gekommen, erwartungsgemäß hohe Kosten (ca. 140 CHF).
Zu den Diensten: ihr macht so ungefähr einen pro Woche, wenn man Pech hat arbeitet auch mal am Wochenende, kam bei mir aber nur ein mal vor und wurde sehr gut zusätzlich vergütet! Auch 13. Lohn bekommt man anteilsmäßig für die paar Monate.