Krankenhauserfahrung:
Mein PJ-Tertial in der Kardiologie in Newcastle upon Tyne war durchwachsen. Statt einer festen Station wurde ich einem Consultant zugeteilt, wodurch man theoretisch sehr frei zwischen verschiedenen Bereichen wechseln konnte. In der Praxis war der Einstieg jedoch etwas schwierig, da die Aufgaben für Studierende nicht klar definiert waren. Während man in Deutschland typischerweise aktiv in den Stationsalltag eingebunden ist, überwiegt hier das Beobachten. Tätigkeiten wie Blutabnahmen oder das selbstständige Untersuchen gehören nicht bzw. nur sehr selten zum Aufgabenspektrum.
Positiv hervorzuheben ist die ausgesprochen flache Hierarchie: Ärzt*innen, Pflegekräfte und Studierende begegnen sich auf Augenhöhe, und Fragen werden jederzeit freundlich beantwortet. Das gesamte Team war offen, hilfsbereit und international zusammengesetzt – ein spannender Einblick in unterschiedliche Ausbildungssysteme. Besonders interessant waren auch die sogenannten Care Practitioners, eine Rolle, die es in Deutschland so nicht gibt.
Die Arbeitsatmosphäre war insgesamt angenehm entspannt. Ärztinnen nehmen sich Zeit für Patientinnen, was die Kommunikation sehr lehrreich macht. Gleichzeitig führt dieses ruhigere Tempo aber auch dazu, dass man häufig längere Leerlaufzeiten hat und weniger praktisch tätig wird. Lehrqualität und Engagement hängen stark von den einzelnen SupervisorInnen ab – von sehr engagiert bis kaum betreuend war alles vertreten.
Insgesamt bot das Krankenhaus einen guten Einblick in das britische Gesundheitssystem, insbesondere in Hinblick auf interdisziplinäre Zusammenarbeit, Teamarbeit und PatientInnenkommunikation. Wer Eigeninitiative zeigt und sich aktiv Bereiche sucht, in denen man mitarbeiten kann, profitiert am meisten.
Wie viel man aus dem PJ-Abschnitt machen kann, hängt leider sehr von den ÄrztInnen und der aktuellen Personalstruktur ab, die man antrifft. So gab es auch einige Tage, wo ich z.B. von einem Herzkatheterlabor ins nächste geschickt wurde, da überall zu viele Studierende waren. Wenn man das Tertial eher nutzen möchte, um viel auch außerhalb des Krankenhauses zu sehen, trifft man dort auf mehr Freiheiten als in den meisten deutschen Krankenhäusern.
Generell ist das Leben in Newcastle etwas teurer als in Deutschland, bietet dafür aber viele Freizeitmöglichkeiten und Ausflugsziele. Der nordenglische Akzent ist teilweise sehr stark, jedoch hatte ich keine größeren Schwierigkeit im Umgang mit den PatientInnen und ÄrztInnen.
In meinem PJ habe ich gelernt, wie unterschiedlich medizinische Ausbildungssysteme sein können, und wie wichtig Eigeninitiative in einem wenig strukturierten Umfeld ist.
Wer eine internationale Perspektive auf die Medizin, ein freundliches Arbeitsumfeld und ein entspanntes Lernklima sucht, ist hier genau richtig. Wer hingegen großen Wert auf praktische Fertigkeiten legt, wird in Deutschland wahrscheinlich besser aufgehoben sein.
Bewerbung
Ich habe mich 1 Jahr vorher bei mehreren Supervisoren beworben und ca. ein 3/4 Jahr vorher bei der Uni angemeldet.