Ich hätte mir kein besseres Chirurgie-Tertial vorstellen können. Für mich stand schon vor dem Tertial fest, dass ich definitiv keine Chirurgin werden möchte. Und meine bisherigen Erfahrungen in der Chirurgie bzw. im OP waren bisher auch nicht so gut, sodass ich beinah schon etwas Angst vor der Chirurgie hatte. Ich erhoffte mir von meinem Chirurgie-Tertial einen sanften Einstieg ins PJ, in dem ich die Basics lerne, aber alles piano piano. Meine Angst vor der Chirurgie legte sich in Linz ganz ganz schnell, denn ich habe selten so freundliches Klinikpersonal erlebt. Und das von der Putzkraft bis zum Chefarzt. Die Leute waren immer freundlich, hilfsbereit, respektvoll und einfach toll. Das Eli in Linz hat 5 Mal in Folge den Preis für die besten Arbeitsbedingungen in Österreich gewonnen und das merkt man finde ich dem Krankenhaus auch an. Die Arbeitsatmosphäre war mehr als angenehm und ich hatte den Eindruck, dass die meisten Menschen mit ihrem Job dort sehr zufrieden sind.
Das System in Österreich ist ein wenig anders, als in Deutschland: Die Stationsarbeit wird von den sog. Turnusärzten (Allgemeinmediziner) und den Basisärzten (Ärzte im 1. Ausbildungsjahr vor der Facharztweiterbildung) erledigt. Im Vergleich zu deutschen Arbeitsbedingungen führt das dazu, dass das Personal insgesamt entlasteter ist und somit mehr Zeit für das Zwischenmenschliche bleibt.
Für die PJler galt mehr oder weniger: Alles kann nichts muss. Es gibt 3 chirurgische Stationen, wo der Arbeitsalltag so zwischen 06:45 Uhr und 07:30 Uhr beginnt. Als PJler macht man Neuaufnahmen, nimmt an der Visite und der Morgenbesprechung teil, dokumentiert die Visite teilweise, schreibt Arztbriefe und hat OP-Rufbereitschaft. Alle PJler hatten einen eigenen Zugang zum SAP und in die elektronische Fieberkurve und jeder PJler hatte auch ein eigenes Telefon. Zu den OPs kann man jederzeit freiwillig dazukommen. Ansonsten wird man angerufen, wenn man zum assistieren gebraucht wird. Wir waren zu der Zeit recht viele PJler und Famulanten in der Chirurgie. Da kam es vielleicht so 3-7 pro Woche vor, dass man angerufen wurde. Zum Mittagessen war immer Zeit und meist sogar auch zum gemeinsamen Frühstücken auf der Station. 1x/ Woche fand eine Fortbildung für die Basisärzte statt. Die war mal mehr mal weniger lehrreich. Was ich besonders cool fand war, dass man auch sog. Schnuppertage hatte, wo man tageweise mal in andere Fächer hineinschauen konnte. So habe ich zB. mal einen Tag in der Radiologie, NFA oder Psychiatrie verbracht. Wenn auf der Station nichts zu tun war, konnte man auch in die Ambulanz gehen und dort hospitieren oder sich dem diensthabenden chirurgischen Assistenzarzt anschließen und so dann in der NFA z.B. mal einen Abszess spalten. Gegangen bin ich meist nach der Nachmittagsvisite. Das variierte von Station zu Station, meist war das so gegen 14:00-15:00 Uhr. Blutentnahmen und Zugänge legen wird von der Pflege erledigt. Dabei muss man nicht, aber darf natürlich unterstützen. Das Spektrum der Operationen im Eli ist nicht riesig. Ich kann mir vorstellen, dass es für besonders Chirurgie-interessierte ein wenig langweilig werden könnte. Wenn man aber so wie ich einfach nur ein paar Basics lernen möchte und das in einem super freundlichen Arbeitsumfeld wo auch noch genug Zeit für Freizeit bliebt, ist man hier aber glaube ich genau richtig. Für mich war es der ideale Kompromiss aus ich lerne etwas und fühle mich auch sinnvoll und nützlich und ich arbeite mich aber auch nicht zu Tode.
Linz als Stadt hat mich jetzt nicht komplett vom Hocker gehauen. Nett war es aber trotzdem. Besonders gut hat mir aber vor allem das Umland gefallen. An vielen Wochenenden bin ich ins Salzkammergut gefahren an den Attersee, Mondsee oder Traunsee zum Wandern und/ oder Baden. Ich habe einen Hund und ich habe die Stadt und Umgebung als extrem hundefreundlich empfunden. Ich habe die Stadt auch als sehr sportlich erlebt. Wer gerne läuft ist im Howwasyourday-Club richtig und ich glaube Radfahrer kommen entlang der Donau auch auf ihre Kosten. Im Sommer war auch fast jedes Wochenende ein Event (Stream-Festival, Bubble-Days, Lido-Sound, Pflasterspektakel, ...) in der Stadt mit Party, Kunst, Musik etc. Linz ist zwar klein, aber so war trotzdem immer etwas los :)
Für PJler gibt es eigentlich die Möglichkeit ein Zimmer im Wohnheim des Krankenhauses zu mieten. Das kostet glaube ich ca. 150 Euro pro Monat und wurde mir auch angeboten. Allerdings sind dort keine Hunde erlaubt, weswegen ich mir dann selbst eine Unterkunft suchen musste. Das war leider nicht so einfach, möglich jedoch schon. Außerdem bestand die Möglichkeit OP-Rufbereitschaftsdienste zu machen und sich dadurch 80-160 Euro pro Dienst dazu zu verdienen. Das habe ich aber nicht gemacht. Andere PJler fanden das aber sehr entspannt, weil sie teilweise auch gar nicht angerufen wurden und dann aber trotzdem bezahlt wurden. Die Möglichkeit Dienste zu übernehmen und sich dadurch zusätzlich freie Tage zu erarbeiten bestand auch. Ein kleines cooles Extra: Das Krankenhaus hat ein eigenes Schwimmbad im Keller, welches Mitarbeitende kostenlos nutzen dürfen ;)
Insgesamt für mich persönlich war das wirklich eine 12/10 und falls das hier nochmal jemand von dort liest - Danke, dass ich mit euch so eine tolle Zeit haben durfte!
Bewerbung
Ca. ein Jahr im Voraus bei Frau Hemmelmeir.
Die Organisation war super!