PJ-Tertial Chirurgie in Policlinico Umberto I (3/2025 bis 6/2025)

Station(en)
Allgemeinchirurgie, Geßäßchirurgie
Einsatzbereiche
Notaufnahme, Station, OP, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde
Heimatuni
TU Muenchen
Kommentar
PJ-Alltag:
Ich warne an dieser Stelle schon einmal vor, dass mein Bericht stellenweise frustrierend negativ sein wird, warum sich ein PJ-Tertial in Rom meiner Meinung nach trotzdem lohnt, lest ihr im Verlauf. Natürlich kann ich nur für das Policlinico und die chirurgischen Abteilungen dort sprechen, andere Krankenhäuser habe ich in Italien bisher nicht kennengelernt.

Das Policlinico Umberto I ist das erste, der öffentlichen Universität La Sapienza zugehörige Universitätskrankenhaus und liegt direkt hinter dem Unicampus im Stadtviertel Nomentano. Es wurde ab 1888 erbaut, 1903 eröffnet und nach dem kurz vorher ermordeten italienischen König Umberto I benannt. Es gehört mit ca. 1200 Betten zu den drei größten Krankenhäusern Italiens und beinhaltet ein breites Spektrum an Kliniken.
2001 eröffnete das zweite Sapienza-Universitätsklinikum im nördlichen Randbezirk von Rom, das Ospedale Sant’Andrea. Auch dort ist es möglich, sein PJ zu absolvieren, jedoch wohnt man entweder quasi gar nicht mehr in Rom oder hat einen Anfahrtsweg von über einer Stunde.
Das Policlinico genießt über Rom hinaus sowohl einen guten, fachlichen Ruf als auch das Image, etwas chaotisch und heruntergewirtschaftet zu sein. Letzteres trifft zumindest ganz sicher zu. Von außen sind die Fassaden der historischen Klinikgebäude, insbesondere des Hauptgebäudes mit seiner beeindruckenden Eingangshalle aus Marmor (in der aber auch schon mal die Tauben umherfliegen) wunderschön anzusehen. Jedoch ist alles von Nahem mehr als renovierungsbedürftig und sowohl technisch als auch hygienisch nicht mehr zeitgemäß.
Offiziell sollte ich mein PJ-Tertial über die gesamten vier Monate in der Allgemeinchirurgie (Prima Clinica Chirurgica, es gibt 4 allgemeinchirurgische Abteilungen) ableisten, dies ließ sich dank Prof. Brozzetti noch ändern. Schlussendlich habe ich 10 Wochen in der Allgemeinchirurgie verbracht, zwei Wochen Urlaub gemacht und den letzten Monat in der Gefäßchirurgie absolviert.
Das PJ oder etwas vergleichbares gibt es im italienischen Medizinstudium nicht und genau da liegt auch das Problem: Die Ausbildung ist ausschließlich theoretisch, der Praxisteil ist im Studium einfach kaum vorgesehen und beginnt eigentlich erst mit der Facharztausbildung (specializzazione). Dadurch laufen an den italienischen Unikliniken zwar Studierende herum, diese dürfen jedoch ausschließlich zuschauen und werden ansonsten weitestgehend ignoriert.
Das System ist extrem hierarchisch. Alles dreht sich um die sogenannten Professori, vergleichbar mit unseren Oberärzt*innen, die sowohl an der Uni unterrichten als auch operieren. Diese sind zu 95% männlich, über 60 Jahre alt und verpassen leider kollektiv den Zeitpunkt, für den Nachwuchs Platz zu machen. Als Student*in muss man zwingend einem Prof. zugewiesen sein, der sich kaum für einen interessiert und am Ende nur alles unterschreibt. Jedoch wird man des öfteren gefragt (von der Pflege oder den Assistenzärzt*innen), bei „wem“ man denn sein Praktikum mache, von daher ist es ratsam, nicht einfach auf eigene Faust die Abteilung zu wechseln (auch wenn dies ansonsten kaum auffallen dürfte, da dauernd überall gelangweilte Studis herumschleichen, in der Hoffnung, dass sich ihnen mal wer annimmt). Menschlich variieren die Profs. natürlich, die meisten sind im persönlichen Kontakt (Mails werden kategorisch nie beantwortet) erst mal ganz freundlich, ihnen liegt jedoch wenig bis nichts daran, ihren Studierenden praktisch etwas beizubringen. Theoretische Erklärungen erhält man je nach Lust und Laune durchaus. Ansonsten fordern die meisten extrem viel Respekt und Demut von allen Seiten ein (auch von den Patienten) und verhalten sich oft herablassend und kritikresistent.
Fachärzte habe ich kaum gesehen, diese verlassen wohl schnellstmöglich nach der Assistenzarztzeit das Krankenhaus, um im privaten medizinischen Sektor Geld zu verdienen oder bekommen keine unbefristeten Folgearbeitsverträge angeboten.
Die Assistenzärzt*innen, specializzandi genannt, sind zahlreich (die Facharztausbildung darf in Italien ausschließlich an Unikliniken absolviert werden) und konkurrieren stark miteinander. Ihre Arbeitssituation ist mehr als prekär, sie sind von 7 bis 20 Uhr in der Klinik, verdienen ca. 1100€ im Monat und das 12. Gehalt müssen sie der Uni für ihre Ausbildung zahlen, da die Facharztausbildung quasi noch Teil des Studiums ist. Von ihnen kann man leider kaum Lehre, Geduld oder Zeit erwarten. Außerdem sind sie vor allem in den ersten Jahren noch sehr unerfahren (da sie ja im Studium nie wirklichen Patientenkontakt hatten) und entsprechend überfordert und mit sich selber beschäftigt.
Die italienischen Studierenden sind in ihrem sechsten und letzten Studienjahr mit ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeit (tesi) und zahlreichen, ausschließlich mündlichen Prüfungen mehr als ausgelastet und müssen nebenbei noch jeweils 100 Stunden Praktikum in der Inneren und Chirurgie leisten (TPVS gennant). Da sie fürchten, gewissen Profs. aus den Abteilungen, wo sie Praktikum gemacht haben, in ihren Prüfungen zu begegnen, verhalten sie sich entsprechend unterwürfig und fordern natürlich kaum eine bessere Lehre oder einen angemessenen Umgangston ein.
Einen richtigen Arbeitsalltag hat man als PJlerin am Policlinico eigentlich gar nicht. Als Studentin durfte ich in der Allgemeinchirurgie auf Station mit auf Visite (leider keine feste Uhrzeit, irgendwann zwischen 7:45 und 10:00) und den specializzandi zur Hand gehen. Daran hatten die meisten jedoch kein Interesse und wollten das bisschen Verbandswechsel und Drainagenziehen eigentlich am liebsten selber machen. Auch die Visite war selten wirklich lehrreich, da vollkommen unstrukturiert und da man über die Patientengeschichte nie vorher Bescheid wusste, konnte man dem Gespräch aus siebter Reihe sowieso nur schwer folgen. Dokumentiert wird nur sehr lückenhaft, teilweise im IT-System, zu dem die Studierenden aber keinen Zugang bekommen, der Rest in den Patientenakten auf Papier, die aber immer bei der Pflege sind. Auf Visite ging man fast immer mit mindestens 10 Leuten und die Studierenden standen selbstverständlich ganz hinten, sodass die Teilnahme, wenn überhaupt, nur als Sprachübung sinnvoll war. Ich bin nach einer Woche nicht mehr hin und erst gegen 9:00 in die Klinik und dann direkt in den OP oder in die Ambulanz. Ich bin mir ganz sicher, dass mich niemand je auf Station vermisst hat ;-)
In der Ambulanz musste man den gesamten Vormittag über stehen (keine Sitzmöglichkeiten für die Studierenden und oftmals mehr als 4 Studierende pro Prof.) und bekam auch dort wieder nur theoretische Erklärungen. Bei bestimmten Profs. durfte man körperlich untersuchen oder mal einen kleinen Verbandswechsel durchführen, meistens stand man aber nur stundenlang rum und hörte zu. Die meisten Erasmusstudierenden sowie die weiteren ausländischen PJler gingen mit auf die Visite, danach für 1-2h zum Italienisch lernen in die Ambulanz und schließlich um 11:00 nach Hause. Wenn man die Sprache jedoch schon gut beherrscht, ist das natürlich nicht ganz Sinn und Zweck der Sache.
Um einen Einblick in die Notaufnahme zu bekommen, kann man sich entweder eine Rotation bei einem zuständigen Prof. der Notfallmedizin organisieren oder man hängt sich an einen der wenigen Fachärzt*innen (ggf. auch älteren specializzando) und macht mit diesen einen Tag-oder Nachtdienst mit. Da ich aber auch dort wenig bis gar nichts praktisch selber machen durfte und es ineffizient zuging, hat mich das dann doch zu sehr frustriert, um mir dafür die Nacht um die Ohren zu schlagen.
Für mich war es letzten Endes am ehesten möglich, im OP praktische Erfahrungen zu sammeln. Ironischerweise jedoch nur, weil ich bereits chirurgische Vorerfahrung hatte und sicherlich auch, weil ich gut Italienisch sprach. Die italienischen Studierenden durften auch hier nie am Tisch assistieren, da einfach kein Platz für sie war. Der Hauptoperateur (Prof.) operierte standardmäßig mit einem jungen und einem älteren specializzando und oft noch mit einem weiteren Facharzt. Das machte dann mit dem ferrista (OTA) bereits 5 Personen am OP-Tisch, da blieb den Studierenden nur noch übrig, von möglichst nah zuzuschauen. Dies war fast immer gestattet und für deutsche Verhältnisse erschreckend fahrlässig. Die Studierenden durften sich direkt hinter die Operateure stellen und kamen selbstverständlich immer wieder mit den eigentlich sterilen Bereichen in Kontakt, was jedoch niemanden störte. Auch der Mundschutz im OP war eher optional, wurde vom Springer und der Anästhesie eigentlich fast nie getragen und selbst manche Operateure hatten ihn eher unter der Nase hängen oder gar nicht auf. Des Weiteren trug jeder seine eigene OP-Haube aus Stoff, die Studierenden auch ihre eigene grüne OP-Kleidung, Die OP-Plastikschlappen, mit denen jeder munter auf dem gesamten Klinikgelände (und auch in die Bar für die Kaffeepause) herumspazierte, wurden nie sterilisiert. Eine OP-Schleuse existierte nicht und auch das Einwaschen (nur mit Wasser und Seife, Desinfektionsmittel musste man immer erst suchen, meist auch eher erfolglos) wurde nicht sehr ernst genommen. Insgesamt waren die vier OP-Säle der Prima Clinica Chirurgica wirklich in einem schlechten Zustand und auch technisch nicht besonders gut ausgestattet (altes Ultraschallgerät, schlechte Lichter, dauernd fehlte Naht-und OP-Material). Dies war in der Seconda Clinica Chirurgica (dort war die Gefäßchirurgie angesiedelt) deutlich besser, der OP-Trakt dort war viel größer, moderner und sogar ein Da-Vinci-OP-Roboter stand zur Verfügung. Die schlechten hygienischen Verhältnisse hatten auch sichtbare Konsequenzen: Postoperative Wundinfektionen waren an der Tagesordnung, wurden statistisch aber nicht erfasst. Die OPs mit Da-Vinci-Roboter hatten wohl eine 100%ige Infektionsrate mit Klebsiellen, dies wurde aber einfach hingenommen und nicht weiter hinterfragt.
Da ich von Anfang an bei meiner Professorin und bei paar von ihren netteren Kollegen insistierte, dass ich unbedingt praktische OP-Erfahrung sammeln müsse, da mir ansonsten mein Praktikum in Deutschland nicht anerkannt werden würde, durfte ich tatsächlich ab der ersten Woche ca. einmal wöchentlich an den OP-Tisch. Fast nur bei offenen Eingriffen (davon wurden jedoch jede Menge gemacht, selbst Leistenhernien wurden dort hauptsächlich offen-chirurgisch versorgt), wo ich dann klassisch Haken halten und am Ende manchmal die Hautnaht machen durfte. Meine Highlights waren eine totale Entfernung einer 300g-Schilddrüse, eine offene Nephrektomie sowie eine Beinamputation ab Kniehöhe.
Man bekam jedoch so viel schlechte Stimmung im OP und Wutausbrüche der Profs. ab, dass ich schnell die Lust verlor und mich nur noch gezielt bei bestimmten OPs oder wenn Prof. Brozzetti operierte, blicken ließ. Denn absurderweise rechnete sie irgendwann fest mit mir und plante nur noch einen älteren specializzando mit ein, sodass ich bei ihr wöchentlich mit operieren durfte. Damit machte man sich aber auch nicht gerade beliebt bei den italienischen Studierenden und den jüngeren specializzandi, was mehr als nachvollziehbar ist. Da aber auch Prof. Brozzetti, obwohl sie es als weibliche Chirurgin seit ihrem Karrierebeginn in den 1980er Jahren sicherlich nicht leicht hatte, eine äußerst launische und dominante Person war, habe ich es irgendwann auch bei ihr vermieden, kritisch nachzufragen oder gar Behandlungsmethoden in Frage zu stellen. Ihre Patientengespräche in der Ambulanz waren nämlich mehr als einmal ziemlich fragwürdig, von Fatshaming, Fehldiagnosen, schreiend Respekt einfordern oder eine Depression ins Lächerliche ziehen war alles dabei. Die Studierenden, die von ihr betreut wurden, hatten freitags mit ihr zusammen den Ambulanztag zu absolvieren, wo sie auch die Anwesenheit kontrollierte.
Ansonsten waren die Arbeitszeiten sehr entspannt. Eigentlich konnte man faktisch kommen und gehen wann man wollte, vorausgesetzt, der jeweilige Prof., dem man gewiesen war, hatte damit auch kein Problem. Direkt ansprechen, dass man 1-2 Tage pro Woche zuhause bleibt, wäre wahrscheinlich bei keinem Prof. eine gute Idee, aber nach ein paar Wochen hatte man dann auch herausgefunden, welcher Prof. an welchem Tag operiert oder Ambulanztag hat. Damit ließ sich dann die Anwesenheit, sagen wir es mal diplomatisch, gut optimieren ;-) Ich assistierte donnerstags Prof. Brozzetti bei 2-3 Eingriffen im OP (meist Hernien, Gallenblasen oder Lipomausräumungen) und musste freitags von 8:30 bis 14:00 mit ihr in die Ambulanz. Montags war ich meist bei Prof. D’Urso in der Ambulanz, einem sehr netten, jüngeren, gerade erst frisch berufenen Prof, der vorher 15 Jahre in Frankreich gearbeitet hatte und entsprechend auch einen ganz anderen Umgang und Lehre mit den Studierenden gewohnt war, eine angenehme Abwechslung. Dienstags und mittwochs musste ich mir meine Aktivitäten jedes Mal neu organisieren, wobei dafür mit jeder Woche die Motivation sank… Hier und da ein Wochenende verlängern war problemlos mit Bescheid sagen möglich, die zwei Urlaubswochen hatte ich mit Prof. Brozzetti abgesprochen. Wenn sie im Urlaub oder auf Konferenzen war, konnten wir ihr zugeteilten Studierenden sowieso tun und lassen, was wir wollten. Ich habe im Durchschnitt ca. 4-5h täglich im Policlinico verbracht, jedoch zeitlich sehr unterschiedlich verteilt.
In der Gefäßchirurgie ging es insgesamt ein bisschen organisierter zu und es herrschte ein besserer Umgangston. Es gab eine einigermaßen strukturierte und erstaunlich pünktliche Visite um 8:30 und danach ging das ganze Personal zusammen Kaffee trinken. Auch dort durfte ich wahlweise im OP zuschauen (einmal bei einem Varizen-Stripping assistieren) oder in die Ambulanz, wo ich etwas Ultraschall der Halsgefäße üben konnte. Da es jedoch auch in der Gefäßchirurgie keine festen Aufgaben für mich gab und v.a. keine weiteren Studierenden mit mir dort waren, verlor ich schnell die Motivation. Mit der ausdrücklichen Erlaubnis von Prof. Jabbour (der mir die Rotation ermöglicht hatte, Prof. Brozzetti hatte am Ende meines 3. Monats die Bescheinigung sowieso schon unterschrieben), habe ich die vier Wochen in der Gefäßchirurgie verkürzt und am Ende noch eine wunderschöne Sommerzeit im Rom verbracht.
Mit den weiteren Studierenden kommt man äußerst gut in Kontakt und es bleibt sehr viel Zeit zum Unterhalten und Kennenlernen, da sowieso alles auf Eigeninitiative beruht und v.a. die italienischen Studierenden davon recht wenig an den Tag legen. Es gab PJler/Erasmusstudierende aus den unterschiedlichsten Ländern (Polen, Tschechien, Deutschland, Spanien, Türkei), teilweise völlig ohne Italienischkenntnisse. Mit der Gruppe an italienischen sowie ausländischen Studierenden, die allesamt von Prof. Brozzetti betreut wurden, sind wir nach ein paar Wochen tagtäglich gegen 10:00 Kaffeetrinken gegangen, für die meisten das Highlight des Kliniktags. Zur Mittagszeit war man meistens schon zuhause, es gibt es eine (v.a. für italienische Verhältnisse) wirklich schlechte Mensa, in der man aber für wenig Geld satt wird. Außerdem gibt es auf dem Klinikgelände einen kleinen Kiosk mit Bar, der belegte Brötchen und Pizza mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis verkauft. Ich habe am OP-Tag auch manchmal Patientenessen auf Station gegessen, was auf einer chirurgischen Station ja meistens reichlich übrigbleibt. Ansonsten gibt es rund um das Policlinico viele kleine Bars, Cafés und einfache Restaurants, die einen günstigen Mittagstisch anbieten.

Insgesamt wird am Policlinico leider extrem ineffizient, chaotisch, unhygienisch und nachlässig gearbeitet, was am allermeisten den Patient*innen schadet. Natürlich mag das Policlinico aus finanziellen Gründen nicht die gleichen Ressourcen zur Verfügung haben wie eine deutsche Universitätsklinik, jedoch wären viele Dinge mit einem Mindestmaß an Sorgfalt, Organisation, funktionierendem Teamwork und Kommunikation leicht zu verbessern.
Ehrlicherweise wusste ich um die Zustände und auch die limitierte Lehre für Studierende im Vorhinein, hatte mir jedoch bei entsprechenden Sprachkenntnissen und Eigenmotivation mehr erhofft.

Unterkunft:
Rom ist zum Wohnen leider eine sehr teure Stadt, gemessen am italienischen Durchschnittseinkommen eigentlich unbezahlbar. Das Jubiläumsjahr der Katholischen Kirche 2025 hat den bereits vorher angespannten Wohnungsmarkt nur noch verschärft.
Meines Wissens nach existieren nicht wirklich Studentenwohnheime oder ähnliches, auch die klassische WG ist untypisch. Vielmehr werden einzelne Zimmer in Wohnungen vermietet und man wohnt zufällig mit anderen Menschen zusammen, was natürlich nicht unbedingt das ist, was man sich für vier Monate vorstellt, um nette Leute im gleichen Alter kennenzulernen. Außerdem sind die meisten Verträge auf mindestens ein Jahr ausgelegt und die Angebote kommen erst kurzfristig vorher. Die Preise für ein möbliertes, kleines Zimmer lagen Anfang 2025 bei 600-900€, für die camera doppia (Doppelzimmer, mit einer weiteren Person gleichen Geschlechts geteilt) bei ca. 200-400€ pro Person.
Ich habe ca. 2 Monate vorher hauptsächlich in entsprechenden Facebook-Gruppen und auch auf Idealista (ähnlich zu WGgesucht) ziemlich erfolglos gesucht. Mein Alternativplan wäre ansonsten gewesen, für die ersten zwei Wochen ins Hostel zu gehen oder ein AirBnB zu mieten und die Wohnungssuche vor Ort anzugehen. Im Allgemeinen sind die studentischen Viertel Tiburtina, San Lorenzo und insbesondere die Gegend um Piazza Bologna aufgrund der Nähe zum Policlinico sehr zu empfehlen, wenn man zu Fuß zur Arbeit gehen möchte.
Auf mein Gesuch in einer Künstlergruppe auf Facebook meldete sich schließlich ca. 4 Wochen vorher eine nette, jung gebliebene Frau Mitte 60 bei mir, die in Rom als Kostümbildnerin arbeitet und in ihrer Wohnung ein Zimmer mit eigenem Bad untervermietet. Ein Zufall, fast zu gut um wahr zu sein. Ich wohnte also für die vier Monate in bester Lage an der Piazza Regina Margherita im Nobelviertel Trieste in einem wunderschönen Palazzo aus dem 20. Jahrhundert mit Dachterasse und einer Weinbar unter Orangenbäumen vor dem Eingang. Ich zahlte pro Monat 600€ warm inkl. einer wöchentlichen Zimmer-und Badreinigung. Außerdem musste ich 600€ Kaution hinterlegen, einen offiziellen Vertrag hatte ich nicht. Das Policlinico war in 15min Laufweite (absoluter Luxus bei den unpünktlichen öffentlichen Verkehrsmitteln) und das Viertel, mit allem, was man zum Leben braucht, pittoresk und auf gediegene Art sehr italienisch. Der wunderschöne Park Villa Torlonia 5min entfernt (Sport und etwas Natur tanken) und die Nähe zum Zentrum und zum Hauptbahnhof Termini (25min zu Fuß oder paar Stationen mit dem Bus) haben mir viel Zeit erspart, die ich ansonsten in der römischen Metro verbracht hätte. Auch die diversen Bars (eher Cafés, dort wo in Italien im Dorfkern oder Herz des Viertels das alltägliche Leben am Tresen bei einem Espresso zelebriert wird) und guten Restaurants ganz in der Nähe waren meiner Lebensqualität sehr zuträglich ;-)

Kosten & Finanzierung:
Tja, meinem Geldbeutel hat das PJ-Tertial definitiv nicht gut getan, meiner Psyche dafür umso mehr! Zum Wohnen ist Rom wie bereits geschildert sehr teuer, auch der Supermarkteinkauf ist etwas teurer als in in Deutschland. Günstiger sind öffentlicher Verkehr und allgemein die Gastronomie. An den Cappuccino mit Cornetto alla crema für insgesamt 3€ kann man sich schnell gewöhnen! :D
Miete zahlte ich 600€ im Monat. Meine Wohnung in München konnte ich für die Dauer von zwei PJ-Tertialen untervermieten und mir damit meine Auslandsaufenthalte teilfinanzieren. Theoretisch könnte man auch noch 690€/Monat Erasmus-Stipendium bekommen, jedoch finanziert die TUM pro akademischem Jahr nur max. vier Monate pro Person. Damit hatte ich mein Kontingent durch mein vorheriges Auslandstertial bereits aufgebraucht und habe das Erasmus+ Traineeship als Zero Grant Student absolviert. Für das Praktikum am Policlinico fielen keine Kosten an.

Alltagsleben & Freizeitgestaltung:
Und jetzt kommen wir zum Hauptgrund, warum sich ein PJ-Tertial in Rom mehr als lohnt! Vier Monate in Italiens Hauptstadt zu verbringen, die ich vorher noch gar nicht kannte, war für mich nicht nur aus persönlichen Gründen etwas ganz besonderes.
Die Jahreszeit für einen längeren Rom-Aufenthalt ist von März bis Juni ideal, die Römer*innen sprechen gar vom perfekten Zeitpunkt: Warme, noch nicht heiße Temperaturen (den Juni je nach persönlicher Hitzetoleranz ausgenommen), der einziehende Frühling mit seiner Blütenpracht und die noch verhältnismäßig geringen Touristenmassen zeigen die Stadt von ihrer besten Seite. Natürlich wurde auch in Vorbereitung für das Heilige Jahr die Stadt aufgehübscht, das jahrzehntelang allgegenwärtige Müllproblem in den Griff gekriegt und viele Baustellen endlich beseitigt.
Ich habe meine Zeit in Rom wirklich mehr als genossen. Die Sonne und das Licht haben mir nach einem langen, grauen Winter sehr gut getan, dazu das wunderbare Essen, das entschleunigte Leben, das freundliche Miteinander der Italiener*innen und natürlich die großen und kleinen Sehenswürdigkeiten Roms haben meine ganz persönliche Komfort-Zone erschaffen, in der ich viel Neues entdecken durfte und mich gleichzeitig von Anfang an zuhause gefühlt habe.
Durch die abwesende Anwesenheitspflicht im Policlinico blieb natürlich mehr als genug Zeit, Rom und die Umgebung zu erkunden. Wobei an dieser Stelle schon gesagt sei, dass auch vier Monate in Rom nicht ausreichen, um die Stadt vollends kennenzulernen. Die großen Sehenswürdigkeiten sollte man sich zum Zeitpunkt des geringsten Touristenaufkommens anschauen, da sie dann zwar immer noch überlaufen sein werden, man jedoch wenigstens auch etwas zu Gesicht bekommt. Ab Ostern war im Stadtzentrum nämlich dann die Hölle los.
Ich empfehle einen ausführlichen Rom-Reiseführer und werde hier nicht alles im Detail beschreiben. Meine persönlichen Favoriten im Stadtzentrum (und vielleicht etwas unbekannter) waren jedoch: Sonnenaufgang am Campidoglio mit Blick auf die römischen Ruinen, Sonnenuntergang auf dem Denkmal Vittorio Emanuele (nur freitags), das Kaufhaus Rinascente mit Aquädukt im Untergeschoss und schöner Dachterrasse, die Kirchen Santa Croce in Gerusalemme (abstruse Reliquien), Santa Cecilia in Trastevere (mit römischer Ausgrabungsstätte darunter) und Sant’Andrea della Valle (tolle Deckenfresken) und das Museo Nazionale Romano mit seinen drei Standorten (ein Eintritt gilt für alle drei innerhalb einer Woche). Wunderschön spazieren geht man am Gianicolo, in der Villa Doria Pamphili, auf der Via Appia Antica und im Parco degli Aquedotti.
Leider zahlt man ab 25 Jahren trotz Studentenstatus den Vollpreis bei den Sehenswürdigkeiten, was sich über die Zeit ganz schön summiert. Das Foto von einem Ausweis einer jüngeren Person vorzeigen hat bei den kleineren Museen jedoch gut funktioniert, nicht ganz korrekt, aber schont den Geldbeutel. Ansonsten kann man sich mit seiner Matrikelnummer der Sapienza auch die MIC-Card holen, die einmalig 5€ kostet und mit der man dann die entsprechenden Museen des Verbunds kostenlos besuchen kann. Davon sind besonders die Musei Caoitolini und die Mercati di Trajano einen Besuch wert.
Auch was Kultur-und Musikevents angeht, hat Rom natürlich extrem viel zu bieten. Zum Sommer hin gibt es immer mehr Open-Air-Events, wie das Cinema in Piazza oder verschiedene Tanzfestivals auf der Via dei Fori Imperiali. Das Teatro dell’Opera und die Academia di Santa Cecilia (toller Konzertsaal und eines der renommiertesten italienischen Orchester) sind definitiv auch einen Besuch wert, unter 30 Jahren bekommt man vergünstigte Tickets. Ab Juni finden auch Musicals und Opern in den Caracalla-Thermen statt, eine sehenswertere Theaterkulisse gibt es wohl kaum!
Im Rahmen des Heiligen Jubiläumsjahrs der Katholischen Kirche haben wir Erasmusstudierenden auch das gesamte Spektakel um den Tod von Papst Franziskus, dem Konklave und der Amtseinführung seines Nachfolgers erlebt. Ein wahnsinniger Zufall, ausgerechnet solchen Jahrhundertereignissen beiwohnen zu können, wenn man selber nur vier Monate in Rom zu Gast ist. Vom Ostergottesdienst, bei dem sich Papst Franziskus ein letztes Mal der Weltöffentlichkeit zeigte, über seine öffentliche Aufbahrung im Petersdom, seinem Begräbnis, bei dem mehr als 500.000 Menschen für ihn auf die Straßen Roms gingen und die Regierungs-und Landesvertretungen der ganzen Welt zu Gast waren bis hin zum Konklave und dem hautnahen Erleben, als über der Sixtinischen Kapelle der weiße Rauch aufstieg und sich Papst Leo auf der Mittelloge des Petersdoms das erste Mal zeigte – an all dies werde ich mich ein Leben lang erinnern. Die Stunden, in denen ich mir auf dem Petersplatz die Beine in den Bauch stand oder wahlweise beim Warten Uno spielte, möchte ich lieber nicht zusammenrechnen, aber gelohnt hat es sich allemal.
Ansonsten spielte sich mein Alltagsleben etwas entfernt vom Stadtzentrum ab. Alle Besorgungen erledigte ich in meinem Viertel Trieste, zum Joggen ging ich in die Villa Torlonia oder Villa Ada (wunderschöne Parks und nicht touristisch) und Aperitivo machte man irgendwann fast täglich (da kürzer und günstiger als Abendessen gehen) wahlweise unter meiner Haustür, in San Lorenzo oder in Policlinico-Nähe. Für 5-6€ bekommt man einen Aperol-oder Limoncello-Spritz mit kleinen Snacks wie Chips, Erdnüsse oder Oliven dazu, für 10€ oft schon Getränk inkl. einem tagliere, einem Brett mit einem halben bis ganzen Abendessen, bestehend aus Pizza oder Antipasti. Die Restaurants im Stadtzentrum und Trastevere meidet man am besten alle (im Verhältnis extrem teuer und schlecht), gut essen lässt es sich in Trieste (etwas schicker) oder Testaccio (ursprünglicheres Arbeiterviertel). Am allermeisten geht man jedoch Kaffeetrinken, natürlich mit einem cornetto dazu, oder eben Aperitivo machen.
Selber kochen lohnt sich bedingt, wenn man aber irgendwann auch mal etwas anderes als Weißmehlprodukte zu sich nehmen möchte (bei aller Liebe, aber irgendwann braucht man neben Pizza und Pasta auch mal etwas Gemüse :D) sind die Supermärkte Pam, Tigre oder tatsächlich Penny (selbstverständlich mit italienischen Produkten) eine gute Wahl, die man auch an jeder Straßenecke findet. Carrefour und Elite fande ich persönlich zu teuer. Lebensmittelmärkte habe ich in Rom leider keine in der Nähe gehabt, diese finden jedoch in anderen Stadtvierteln meist unter der Woche vormittags statt.
Überall kann man mit Karte zahlen und mit meinem Girokonto von der DKB konnte ich mit dem Aktivstatus auch kostenlos abheben, viel Bargeld braucht man allerdings nicht.
Die öffentlichen Verkehrsmittel sind günstig, aber leider sehr unzuverlässig. Eine Ausnahme bildet die Metro mit ihren nur zwei Linien (A und B, wird derzeit erweitert um eine dritte Linie C), die bis Mitternacht alle paar Minuten fahren. Große Empfehlung, entweder in Laufnähe zum Krankenhaus oder an einer der Metrostationen zu wohnen, da Busse und Straßenbahnen chronisch unpünktlich sind. Ein Einzelticket kostet 1,50€, das Monatsabo 35€. Regionalzüge, um einen Tagesausflug z.B. ans Meer zu machen, sind günstig (3-5€ für eine Stunde Fahrt) und meistens pünktlich. Ansonsten kann ich tatsächlich das Fahrradfahren in Rom sehr empfehlen. Was sich erst einmal etwas lebensmüde anhört, erspart einem nach einer Eingewöhnungsphase jedoch extrem viel Zeit und Nerven und man fühlt sich jederzeit wie in einem Freiluftmuseum. Überraschenderweise gibt es sogar teilweise Fahrradwege, einen Helm würde ich nichtsdestotrotz sehr ans Herz legen. Elektrische Leihräder von Lime (zu teuer) oder Dott (Monatspass für 5€, dann jede Fahrt unter 30min nur 1,75€ und länger fährt man kaum, wenn man halbwegs zentral wohnt) waren v.a. abends und nachts auch eine gute Option.
Um insbesondere italienische Studierende kennen zu lernen und auch, um mein musikalisches Hobby weiterzuführen, hatte ich schon vor Ankunft das Universitätsorchester der Sapienza namens MuSa Classica (es gibt weitere Ensembles, u.a. MuSa Ethno, MuSa Jazz und einen Chor) kontaktiert. Ich wurde direkt in meiner ersten Woche zur Probe eingeladen und musste entgegen meiner Erwartung auch nicht vorspielen. So war meine Geige einmal wieder der Türöffner in eine wahnsinnig nette und herzliche Gruppe, die sich auch abseits der Proben zum Aperitivo traf oder eine Strandtag einlegte. Ich durfte ein Sommerkonzert mit dem Orchester spielen und hatte jeden Mittwochabend viel Spaß. Der Dirigent Demetrio Moricca ist selber noch jung und sehr engagiert und freut sich immer über Interesse und neue Mitspieler*innen, ich habe ihm versprochen, für MuSa Classica Werbung zu machen – in diesem Sinne, hier die Kontaktadressen: [email protected] oder direkt an [email protected]. Besser schon ein paar Wochen vor Ankunft kontaktieren, manchmal dauert es mit dem Antworten etwas länger… Sollten alle Stricke reißen, einfach hingehen: Mittwochs 20 Uhr in der Sala MuSa im Palazzo del Rettorato auf dem Unicampus, vor den großen Stufen links und an der leichten Abfahrt geht es rechts in eine Art Garage.
Zuletzt sei noch das ebenfalls sehr engagierte Erasmus-Netzwerk ERA (Erasmus Rome Association) erwähnt. Rom heißt jedes Jahr Tausende Eramusstudierende willkommen, die die Stadt nicht zuletzt wegen der Dolce Vita auswählen. ERA organisiert Tagesausflüge, Picknicks, Wanderungen oder Surfkurse in Ostia und täglich eine Party. Außerdem gibt es ein breit gefächertes Sportangebot, welches von einem Running Club über Yoga und Pilates in der Villa Borghese bis zu den Mannschaftsballsportarten reicht. Man braucht dafür die ERA-Card, für die man einmalig 10€ zahlt, manche Aktivitäten erfordern eine Zuzahlung. Die Stimmung war bei den Veranstaltungen immer gut, aber auch sehr partywütig. Auch der Altersdurchschnitt war bei ERA (generell bei den Erasmusstudierenden) schon gute 4-5 Jahre jünger als wir PJler oder ausländischen Medizinstudierenden im letzten Jahr, sodass wir nach der Anfangszeit die meisten Aktivitäten und Ausflüge selbst organisiert haben.
Was die Umgebung von Rom angeht, gibt es viele lohnenswerte Ziele, sowohl für Tagesausflüge wie auch für Städtetrips am Wochenende oder ganze Urlaubswochen. Ich war jeweils für einen Tag in Tivoli, Subiaco und Castel Gandolfo sowie am Meer in Anzio und Santa Severa. In 1h Schnellzug ist man in Neapel, in 2h in Florenz und in 4h in Mailand. Ein verlängertes Wochenende war ich zum Wandern am Gran Sasso in den Abruzzen (leider mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwierig, mithilfe der Busgesellschaft TUA möglich). Mit dem Nachtzug (Intercity Notte) kommt man unkompliziert, direkt und günstig nach Sizilien, bei der Meeresenge von Messina wird der Zug kurzzeitig auf die Fähre verladen, ein erlebenswertes Abenteuer!

Kompetenz & Lernerfolg:
Mein medizinischer Lernerfolg hat sich definitiv in Grenzen gehalten, nichtsdestotrotz habe ich in vielerlei Hinsicht einiges gelernt: Frustrationstoleranz, einfordernde jedoch zugleich höfliche Kommunikation, deplatziertes Pflichtbewusstsein loswerden und gnadenlose Tagesplanungsoptimierung: Sobald sich abzeichnete, dass es im Policlinico an einem Tag keine Aussicht auf Lernerfolg gab, war ich weg und auf dem direkten Weg ins nächste Museum, bei dem ich garantiert mehr lernen konnte.
Natürlich habe ich letzten Endes ein wenig OP-Erfahrung sammeln können, mehr als genügend Donati-Nähte dafür gesetzt, dass man diese in Deutschland kaum als Hautnaht anwendet und Leistenhernien kann ich nun wirklich sicher diagnostizieren, aber all dies hätte man wahrscheinlich auch in 2-4 Wochen während einer Famulatur in Rom gelernt. Was ich aber am meisten an meinem PJ-Tertial in der Ewigen Stadt geschätzt habe, war die Zeit, die ich plötzlich nur der Erkundung Roms, seiner Kultur und Geschichte widmen konnte. In bester Gesellschaft durch dieses Freiluftmuseum zu ziehen, einen Sport daraus zu machen, sich so viele wie möglich der über 900 Kirchen anzuschauen, jedem Museum mit römischen Statuen ein bisschen mehr abzugewinnen als dem vorherigen, sich auf die Jagd nach versteckten Kunstwerken von Caravaggio, Bernini und Co. zu begeben – nie hätte ich gedacht, mich einmal so sehr für die römische Antike und barocke Kunstgeschichte begeistern zu können!
Außerdem konnte ich natürlich auch mein Italienisch wieder aufpolieren, auch wenn diese Lernkurve ehrlicherweise auf einer anderen Sprache steiler ausgefallen wäre.

Interkulturelle Erfahrung:
Zugegebenermaßen war für mich ein PJ-Tertial in Italien kein großer Schritt aus der Komfort-Zone hinaus, aber genau dies habe ich nach vielen Auslandsaufenthalten auch gebraucht. Italien ist für mich Sehnsuchtsort und Heimat zugleich und es war gleichzeitig befremdlich und aufregend, ohne meine Familie ein unabhängiges Leben in Rom zu führen. Ich kann die Italiener*innen gut einschätzen, weiß ungefähr, was und wie sie denken und trotzdem bin ich immer wieder von diesem Land und seinen offenherzigen und zugleich temperamentvollen Menschen überrascht und werde bestens dabei unterhalten. An dieser Leichtigkeit, Ruhe und Rückbesinnung auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben, nämlich eine Work-Life-Balance, gutes Essen und Gesellschaft durch Familie und Freunde, könnten sich viele Menschen in Deutschland ein Beispiel nehmen. Gleichzeitig hat mir die italienische Arbeitsmoral, zumindest im medizinischen Bereich, gezeigt, dass ich vorerst nicht als Ärztin im italienischen Gesundheitssystem (weder privat noch öffentlich) arbeiten kann. Wenn das Patientenwohl auf dem Spiel steht, ziehe ich die „deutschen“ Werte hinsichtlich Organisation, Struktur, Effizienz und Hygiene doch vor. Diese Erfahrung war dahingehend besonders wertvoll für mich, als dass man erneut sehr zu schätzen weiß, welches Privileg man in Deutschland und seinem viel bemängelten Gesundheitssystem hat.

Fazit:
Abschließend kann ich Euch ein PJ-Tertial in der Chirurgie am Policlinico Umberto I ans Herz legen, wenn für Euch gute Lehre und eine chirurgische Basisausbildung nicht im Vordergrund stehen. Medizinisch kann und darf man vom altersstarren, italienischen Ausbildungs-und Krankenhaussystem nicht allzu viel erwarten. Wer sich dennoch darauf einlässt, wird hier und da schon etwas mitnehmen, bei Eigenmotivation und Durchhaltevermögen auch hin und wieder praktisch zum Zug kommen. Viel wichtiger: Man lebt vier Monate im Frühling bis Sommer in der Ewigen Stadt und damit ist eigentlich auch schon alles gesagt. Wer erholt ins deutsche PJ zurückkehren möchte und bereit ist, hauptsächlich seine nicht-medizinischen Horizonte zu erweitern, der/die ist in Rom und am Policlinico goldrichtig!
Bewerbung
Ich habe mich ca. 10 Monate im Voraus ein wenig über kostenlose PJ-Möglichkeiten (am berühmten Gemelli-Krankenhaus muss man mittlerweile nämlich 500€ im Monat zahlen) in Rom informiert und habe diverse (Erasmus-)Sekretariate der verschiedenen römischen Universitäten abtelefoniert. Dabei erhielt ich bei einem freundlichen Gespräch mit dem Erasmus Office der Sapienza-Universität folgende Mailadresse für das Policlinico Umberto (das einzige wirklich zentral gelegene Universitätskrankenhaus): [email protected]
Ich bewarb mich also dort mit einer kurzen Mail und meinen Abteilungswünschen und bekam die Antwort, dass nach einem passenden Tutor für mich gesucht wird. Bereits zwei Tage später erhielt ich einen offiziellen Acceptance Letter für ein viermonatiges Praktikum in der Allgemeinchirurgie als „osservatore“ und bekam die Professorin Stefania Brozzetti und ihre Kontaktdaten zugeteilt.
Offiziell darf man ab da die Abteilung nicht mehr ändern, jedoch ist in Absprache mit dem zugeteilten Professor alles möglich, solang er oder sie am Ende die PJ-Bescheinigung unterschreibt und einen Kollegen organisiert, der einen in der anderen Abteilung unter die Fittiche nimmt. Wer also schon weiß, welche Rotationen er/sie machen möchte, sollte das am Anfang in die Mail schreiben, dann bekommt man sofort pro Fach einen Prof. zugewiesen.
Die Sapienza-Universität verlangt weder von normalen Erasmusstudierenden noch von PJlern einen Sprachnachweis, gute Italienischkenntnisse sind jedoch zu empfehlen, da wenig bis kein Englisch gesprochen wird. Da ich in Italien geboren und teilweise aufgewachsen bin, war für mich keine sprachliche Vorbereitung notwendig.
Die Erasmus-Bewerbung an der TUM war ebenfalls kurz und schmerzlos erledigt. Das Learning Agreement unterschrieb mir auf deutscher Seite Jaqueline Emmerich als Referentin für Internationales an der TUM School of Medicine und die Bewerbungsunterlagen musste man wie immer im MoveOn-Portal hochladen. Diese bestanden aus Lebenslauf, Motivationsschreiben, Learning Agreement, Immatrikulationsbescheinigung und Leistungsnachweis. Die positive Rückmeldung, dass meine Erasmus-Bewerbung erfolgreich war, bekam ich wenige Tage später von Paola Passadore aus dem TUM Global Office.
Das Erasmussekretariat der Sapienza forderte einen Nomination Letter mit meinen Kontaktdaten und Praktikumsdauer etc. von der TUM, diesen konnte mir Frau Passadore jedoch erst nach Erhalt des vollständig ausgefüllten Learning Agreements ausstellen. Prof. Brozzetti unterschrieb mir digital das Learning Agreement, den Rest davon füllte ich selber aus, da mir das Erasmussekretariat der Sapienza zwar lauter allgemeine Infomails sendete, jedoch meine Bitte über das Ausfüllen des Learning Agreements als Receiving Institution ignorierte.
Für die erste Praktikumswoche soll man sich einen Termin im Erasmussekretariat (meine Kontaktperson war dort Maria Carlotta D’Addona) ausmachen, um die Immatrikulation als Erasmusstudentin abzuschließen und sein Namensschild für das Krankenhaus zu erhalten. Auch dafür wurden meine Mails nie beantwortet und ich bin in der ersten Woche dann einfach ohne Termin hin, ebenso in meiner letzten Woche für den Unistempel auf der PJ-Bescheinigung.
Die zahlreichen Infomails (Uni-Intranet, Mensa, Dokumente hochladen etc.) kann man getrost ignorieren, ich habe zwar versucht, alles zu erledigen, hatte aber nie den Eindruck, dass das irgendwen interessiert. Ebenso die Forderungen über einen max. 30 Tage alten Hepatits B-Titer, Tuberkulintest und ein „Fit to work Certificate“ (was auch immer das sein sollte) bei Praktikumsbeginn habe ich all’italiana einfach mal „übersehen“ und geschaut, ob mich jemand vor Ort danach fragt – was natürlich, Überaschung, nie passiert ist.
Insgesamt steht einem also das zu erwartbare italienische Chaos gegenüber. Obwohl man als PJ-Studentin ja gar nicht an der zum Krankenhaus zugehörigen Universität immatrikuliert sein muss, legen sie an der Sapienza wert darauf (irgendwann wurden mal Versicherungsgründe genannt). Durch diesen Administrationsdschungel muss man sich ein bisschen durchkämpfen, das Meiste kann einem jedoch egal sein.
Ansonsten hielt sich die Vorbereitung in Grenzen. Die Wohnungssuche ist in Rom ein Thema für sich und war durch das Heilige Jubiläumsjahr 2025 nochmals erschwert, dazu später mehr.
Eine berufliche Haftpflichtversicherung hatte ich bereits durch den Marburger Bund abgeschlossen. Eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung ist ggf. nötig, bei mir hat die private Krankenversicherung mehrmonatige Auslandsaufenthalte in Europa mit abgedeckt.
Zugtickets habe ich ca. 2 Monate vorher über ÖBB und Trenitalia gebucht. Man steigt tagsüber einmal in Bologna oder Verona um (insgesamt ca. 9h) oder fährt den ÖBB-Nachtzug direkt von Wien/München nach Rom (ca. 12h).

Krankenhauskleidung muss man selbst mitbringen, auch OP-Kleidung wird für Studierende nicht gestellt. Empfehlenswert ist also ein Kittel und ein bis zwei grüne Kasaks/Hosen. Ebenso braucht man Plastikschuhe für den OP und sein Stethoskop. IT-Zugangsdaten und Türöffnerbadge bekommt man nicht, da jedoch alles noch sehr altmodisch gehandhabt wird, auch nicht weiter nötig.
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Botengänge (Nichtärztl.)
Patienten untersuchen
Mitoperieren
Chirurgische Wundversorgung
Dienstbeginn
Nach 8:00 Uhr
Dienstende
Vor 15:00 Uhr
Studientage
Frei verfügbar
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Gehalt in EUR
Erasmusstipendium 690€/Monat möglich
Gebühren in EUR
Keine Studiengebühren oder zusätzliche Kosten

Noten

Team/Station
3
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
3
Klinik insgesamt
3
Unterricht
4
Betreuung
4
Freizeit
1
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
3

Durchschnitt 2.93