Notaufnahme, Diagnostik, Station, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, OP
Heimatuni
Heidelberg - Fakultaet Heidelberg
Kommentar
Allgemeine Informationen:
Das PJ-Tertial am Addington Hospital in Durban ist eine außergewöhnliche Erfahrung, die die Möglichkeit bietet, Medizin in einem komplett anderen Umfeld kennenzulernen. Das südafrikanische Gesundheitssystem steht grundsätzlich allen Menschen offen, funktioniert aber unter ganz anderen Voraussetzungen als das deutsche. Die Ärzte vor Ort arbeiten sehr gelassen, was zu einer wirklich angenehmen Arbeitsatmosphäre führt. Man hat viele Freiheiten bei der Gestaltung des Tertials und kann weitgehend selbst wählen, wo man mitarbeiten möchte – ob auf Station, im OP, in der Ambulanz oder in der Notaufnahme.
Krankenhaus:
Das Addington Hospital ist eines von zwei großen Krankenhäusern in Durban. Zu Zeiten der Apartheid war es das Krankenhaus für Weiße und das King Edward VIII Hospital für Schwarze. Heute unterscheiden sich beide Häuser nur unwesentlich, nur dass das PJ-Tertial etwas unterschiedlich strukturiert ist. Beides sind Public Hospitals, und es gibt natürlich unabhängig davon Private Hospitals.
Fachbereiche und Tätigkeiten:
Der Fokus meines PJs lag auf der Allgemeinchirurgie, wobei ich trotzdem zwischen verschiedenen Bereichen wechseln konnte. Auf Station habe ich die üblichen Aufgaben übernommen wie Blutentnahmen, venöse Zugänge legen und Klammern entfernen, konnte aber auch bei invasiveren Maßnahmen wie Abszessspaltungen oder Organbiopsien dabei sein. Im OP habe ich bei unterschiedlichen Eingriffen assistiert und dabei viel über die lokalen Besonderheiten gelernt. Die traumatologische Notaufnahme ist zwar organisatorisch getrennt, aber nach Absprache konnte ich dennoch hospitieren und bekam die für Südafrika typischen Fälle zu sehen: Stich- und Schussverletzungen, Folgen von Schlägereien und schwere Verkehrsunfälle. Besonders eindrucksvoll waren die Nachtdienste, die man freiwillig machen kann – dort sieht man die dramatischsten Fälle, vor allem an Wochenenden und am "Payday". Zeitweise passiert jedoch nichts, wobei dann die Möglichkeit besteht, eins der Dienstzimmer zu nutzen.
Besondere medizinische Herausforderungen:
Die HIV-Rate in KwaZulu-Natal beträgt 27%, im Addington Hospital liegt sie noch wesentlich höher. Die Medizinprodukte sind manchmal von schlechterer Qualität, wodurch das Risiko von Nadelstichverletzungen zusätzlich steigt. In der Notaufnahme erscheinen viele Patienten stark betrunken oder unter Drogeneinfluss, was unerwartete Bewegungen begünstigen kann. Tuberkulose ist ebenfalls weit verbreitet. Aber man wird nie zu etwas gedrängt, und man könnte Aufgaben ablehnen, wenn man sich dabei nicht wohl fühlt, was aber natürlich keinen guten Eindruck macht. Trotz dieser Schwierigkeiten – oder vielleicht gerade deswegen – habe ich unglaublich viel über Medizin unter diesen herausfordernden Bedingungen gelernt.
Arbeitsatmosphäre und Fortbildung:
Die Stimmung im Krankenhaus ist wirklich hervorragend. Die Südafrikaner sind außerordentlich freundliche Menschen, und sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte und Patienten haben sich über Interesse und Engagement gefreut. Es finden einige Fortbildungen statt, bei denen lokale oder internationale Interns medizinische Themen vorstellen. Nach den Morgenbesprechungen gibt es manchmal kleine Lehreinheiten.
Freizeitmöglichkeiten:
Der Freizeitwert in KwaZulu-Natal ist fantastisch – in Deutschland weniger bekannt, aber viele Südafrikaner aus anderen Regionen machen hier Urlaub. Durban ist ein Traumziel für Surfer – unmittelbar vor dem Krankenhaus befindet sich der Addington Beach (gut für Anfänger) und einige Kilometer die Strandpromenade (Golden Mile) entlang kommen North Beach und Battery Beach. In Bluff gibt es Ansteys Beach bzw. Cave Rock. Die Surf-Community ist sehr hilfsbereit, und ich bin oft morgens vor der Arbeit ab 5 Uhr surfen gegangen. An der South Coast finden sich weitere Spots für fortgeschrittene Surfer. Es ist sogar einige Male passiert, dass ich mich auf dem Surfboard inmitten von Delfinen wiedergefunden habe. Neben dem Surfen gibt es unzählige andere Outdoor-Aktivitäten: Safaris im St. Lucia und Hluhluwe-iMfolozi-Park, Wanderungen in den Drakensbergen, Tauchen, Schwimmen mit Haien oder Deep Sea Fishing. Der Stadtteil Umhlanga im Norden ist gehobener und hier gibt es viele Restaurants und Cafés. In Afrika ist mittwochs Karaoke Night, wobei die lokalen Studenten oft ins Mulligans gehen. Weiterhin gibt es einige Outlet Stores von Surfmarken. Es ist außerdem empfehlenswert, sich ein Rugby-Spiel anzuschauen, und das Stadion beinhaltet einen Nightclub, der nach den Spielen geöffnet ist. Beim Bluff Meat Supply gibt es erstklassiges Fleisch für Braais (südafrikanisches BBQ).
Sicherheitsaspekte:
Die Kriminalität in Durban muss man ernst nehmen. Die gefährlichste Stadt Südafrikas ist Pietermaritzburg (50 km von Durban in Richtung Landesinnere) und Durban ist ebenfalls in den Top 5. Das Addington Hospital befindet sich im Red Light District, wobei hier vor allem Junkies sind. Man kann sich nicht frei auf der Straße bewegen, insbesondere nicht in den Straßen hinter dem Krankenhaus. Die Golden Mile gilt hingegen als unproblematisch, weil hier viel Polizeipräsenz ist. Öffentliche Verkehrsmittel sind grundsätzlich keine Alternative. Ein Auto ist unverzichtbar, wobei man auch hier aufpassen muss – an Ampeln besteht das Risiko von Scheibeneinbrüchen. Nachts hält man prinzipiell nicht an roten Ampeln. Uber ist verhältnismäßig sicher für kürzere Fahrten. Nach 18 Uhr sollte man besonders achtsam sein, wobei Aktivitäten mit entsprechender Vorsicht durchaus möglich sind (was manche Leute aber auch anders sehen). Viele Verbrechen entstehen aus Gelegenheit und Unachtsamkeit – wer aufmerksam ist und nicht wie ein einfaches Opfer wirkt, reduziert das Risiko deutlich.
Bewerbung und Organisation:
Ich habe mit der Bewerbung etwa ein halbes Jahr vor Beginn angefangen. Man muss einige Unterlagen zusammenstellen und sollte proaktiv kommunizieren. Die Studiengebühren (ungefähr 4000 Rand monatlich) müssen im Voraus per SWIFT-Überweisung bezahlt werden, was reibungslos geklappt hat. Auch kurzfristige Bewerbungen können klappen, aber mehr Vorlaufzeit als bei mir ist definitiv sinnvoll.
Unterkunft:
Ich habe bei Celeste und Carl gewohnt, was wirklich super war. Die beiden sind leidenschaftliche Surfer und freuen sich sehr, wenn man sich dafür begeistern kann. Ich war vorher noch nie surfen und jetzt klappt es halbwegs, und ich teile auf jeden Fall die Leidenschaft. Andere Möglichkeiten sind Airbnb (teurer, aber sicher und bequem) oder Unterkünfte von einer Liste, die man von der Uni erhält (preiswerter, einfacher, aber trotzdem sicher). Die Wohnkosten liegen zwischen 300 und 800 Euro monatlich.
Finanzen:
Das Tertial war teurer, als ich erwartet hatte. Ein Auto ist absolut notwendig und kostet mit Versicherung mindestens 450 Euro im Monat (ohne Versicherung mindestens 250 Euro), Benzin kommt noch dazu. Benzin kostet ungefähr 1 Euro pro Liter. Die Lebenshaltungskosten sind allgemein geringer als in Deutschland, und Freizeitaktivitäten sind sehr preiswert, summieren sich aber über die Wochen. Das PJ wird nicht bezahlt. Wenn man sich Auto und Unterkunft teilt, wird es billiger, man verliert aber an Flexibilität. Dazu kommen noch Studiengebühren und Flugkosten.
Praktische Hinweise:
Ein Auto ist wirklich unverzichtbar – ich bin tatsächlich jede Strecke gefahren. Man sollte die Sicherheitshinweise sowohl vorher als auch vor Ort sorgfältig durchgehen. Frühere Auslandserfahrung ist nützlich, aber nicht unbedingt erforderlich. Während meiner Zeit waren immer andere deutsche PJler da, manchmal nur vier insgesamt, wobei ich zeitweise der einzige im Addington Hospital war. Man kann an manchen Parkplätzen, vor allem an den Surfstränden, einem Car Guard ein kleines Trinkgeld geben und ihm den Autoschlüssel anvertrauen.
Fazit:
Ich kann das PJ-Tertial in Durban absolut weiterempfehlen. Man lernt medizinisch unheimlich viel, arbeitet unter fordernden, aber sehr lehrreichen Umständen und erlebt die beeindruckende Herzlichkeit der Südafrikaner. Die Möglichkeit, das Tertial nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, zusammen mit der Chance, Medizin in einem völlig anderen Kontext zu praktizieren, macht diese Zeit einmalig. Die Sicherheitslage verlangt Wachsamkeit und Anpassung, aber wer sich darauf einlässt, wird mit einer unvergesslichen Erfahrung belohnt. Die Mischung aus anspruchsvoller klinischer Tätigkeit und großartigen Freizeitmöglichkeiten in einer der schönsten Gegenden Südafrikas macht dieses Tertial zu etwas ganz Besonderem. Man sollte wissen, worauf man sich einlässt, aber wer bereit ist für diese Erfahrung, wird sie niemals bereuen.