PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in Kantonsspital Liestal (3/2009 bis 7/2009)

Station(en)
Vier normale Stationen, Privatstation, Tagesklinik, Notfall
Einsatzbereiche
Station, OP, Notaufnahme
Heimatuni
Berlin
Kommentar
„Knastspital“, ich musste schon lachen.

In mancher Hinsicht nicht abwegig. Ich selbst benutze den Ausdruck hier nicht, weil ich nicht das gesamte Kantonsspital Liestal kritisieren will und kann, sondern nur mein chirurgisches Tertial dort.

So. Was nun? Ich habe gerade die Berichte meiner Vorgänger gelesen. Wagen wir doch mal eine kleine Metaanalyse. Seien wir mutig und fassen zusammen. Wir haben katastrophal schlechte Berichte und überschwänglich gute. Im Umkehrschluss bedeutet das nächstliegend: Irgendeine Seite spricht nicht die Wahrheit, denn die Positionen stehen sich unvereinbar gegenüber. Nur, wer spricht die Wahrheit? Oder liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen? Ich greife vorweg, wenn ich sage, dass sich das nicht abschließend beantworten lassen wird. Gehen wir der Sache auf den Grund.

Ich war selbst in Liestal und finde es erstaunlich, zu was Menschen in der Lage sind, wenn Ihnen die Hakenhalter davon laufen, ohne die sie zu operieren nichts in der Lage sind. Damit wären wir schon bei der Hauptbeschäftigung, dem Haken halten. Nur deswegen wirst Du nach Liestal geholt. Außerhalb des OP: Sekretärstätigkeiten jeder Art. Dann werden vielleicht auch Berichte in studentischen Portalen gefälscht, nur weil dieses Portal noch frei zugänglich ist. Ich sage nicht, dass manchen Berichten unbedingt Fälschungen zugrunde liegen müssen, denn man wird es nicht beweisen können. Ich sage nur, dass es durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Aber warum gleich davon ausgehen, vielleicht hat da wirklich nur jemand etwas anders als die Mehrzahl von uns, darunter auch ich, gesehen.

Im letzten Bericht ist eine Gruppe genannt, in der schlechte Stimmung geherrscht haben soll. Mag sein. Kann sein. Muss nicht sein. Wenn dem so ist, trifft das dann jedoch auf zehn Menschen oder gar mehr zu. Ist es wahrscheinlich, dass zehn a priori miesgelaunte Deutsche (eigener Schweizer medizinischer Nachwuchs: Fehlanzeige) in Liestal einfallen, um schlechte Stimmung zu verbreiten, weil sie nichts anderes zu tun haben? Ist es möglich, dass sie Deutschland verließen und in die weite Welt auszogen, um eine Stelle ohne Studientag, mit nächtlichem unkompensierten Rufdienst und Wochenendarbeit anzutreten sowie mit miserabeler Ausbildung und beinahe fehlender Fortbildung, weil sie bequeme Menschen sind und es sich einfach machen wollten? In beiden Fällen kann die Antwort nur nein lauten. Und warum blieben sie bis zum Schluss, bis zur Erfüllung ihres Vertrages? Weil es Ihnen an Pflichtbewusstsein und Loyalität mangelt? Oder geriet man da an Menschen, die frei ihre Meinung sagen, komme was wolle? Welcher geneigte Mensch würde derart negative Kritiken verfassen, wenn man sich ein wenig um ihn gekümmert hätte? Keine Klinik dieser Erde und keine Ausbildung dieser Welt ist perfekt. In jeder Klinik wird man bei seiner Ausbildung in der ein oder anderen Hinsicht kleine Abstriche machen müssen. Es scheint, es haben wohl einige Studenten Abstriche größerer Art machen müssen, wenn sie durch faire Überlegung und Abwägung zu ihren Einschätzungen gekommen sein wollen.


Die Geschichte einer Gruppe von zehn Studenten mit zwanzig linken Händen und unrealistischen Vorstellungen sowie mangelnder Motivation, die sich „nicht besonders gut angestellt“ hätten, ist mehr als unglaubwürdig. Lasst doch den Unfug. Unsachlich.


Mein Tipp, es lasse sich niemand von einer vermeintlichen Gehaltserhöhung auf 1700 Franken blenden. Auch mit diesem Geld wird man wohl kaum Nerven und Gesundheit bezahlen können, die man in Liestal quitt wird.

Wer sagt, die Hierarchien der chirurgischen Klinik in Liestal seien flach, dem widerspreche ich energisch. Die hierarchischen Strukturen unterscheiden sich in nichts von bester deutscher Universitätsklinikamentalität. Vielleicht wird schneller das „Du“ angeboten. Könnte sein, nicht einmal das ist allgemeingültig. Doch das nutzt nichts. Unsinnige und bestimmungsfremde Arbeiten unter Verfehlung des Ausbildungsziels werden trotzdem verlangt. Weniger nett formuliert heißt das, man nennt Dich beim Vornamen, wenn man Dir unliebsame Arbeiten gibt. Deinen Namen kennen wenige Oberärzte und manche der Assistenten. Der Rest gibt Dir die Arbeiten ohne Dich beim Namen zu nennen. Der Chef kennt deinen Namen, glaubt er jedenfalls. In meinem Fall muss er wohl angenommen haben, ich hieße mit Nachnamen „Studentin“, weil er mich während einer OP so anherrschte, das Licht einzustellen. Konnte ich aber nicht, da ich gerade in den Tiefen des Beckens die Spitze meines Hakens betonen musste. Hierarchie hin oder her. Ein Pferd, das im Kuhstall steht, ist am Ende immer noch ein Pferd.

Ein leitender Arzt nannte mich „Du“. Problem: Der Assistent hieß auch „Du“. Es kam zu Kollisionen, da weder der andere „Du“ noch ich wussten, welcher „Du“ jeweils gemeint war. Gruselig.

Ein wiederum anderer leitender Arzt wusste meinen Namen auch nicht. Das war mir aber egal, denn dieser zeigte alles, erklärte alles, forderte zum Anfassen auf. Und wir finden: Das war spitze!

Besonders stutzig gemacht hat mich der Rufmord, dem sich die örtliche chirurgische Klinik in Liestal aufgrund von Vorgängerberichten ausgesetzt sieht. Ich hätte es gerne vermieden, doch ich sehe mich zur Offenbarung gezwungen. Es ist schon interessant, dass da vermutlich Leute schreiben, die mit diesem Stilmittel aller bestens vertraut sind. Eine direkte Kollegin von uns wollte eigentlich 16 Wochen bleiben, lief aber nach zwei Wochen davon. Sie hielt die Zustände nicht aus, wofür ich ihr nachträglich meinen Respekt ausspreche. Sie heuerte in einem anderen Schweizer Spital an. Als sie sich dort vorstellen wollte, war das eigentlich nicht mehr nötig. Sie war bereits bekannt. Der damalige für Unterassistenten in Liestal zuständige Arzt hatte sich bereits telefonisch gemeldet und sich kurzerhand erlaubt, sie „vorzustellen“ und von ihrer „mangelhaften Belastbarkeit“ zu berichten. So ging das laufend, auch in anderen Zusammenhängen und mit anderen Mitarbeitern. Es wird dir auch ausdrücklich gesagt, die Schweiz sei klein. Man kenne sich untereinander. Benimm Dich, Kritik unerwünscht, sonst berufliche Chancen in der Schweiz: Ade. Ich verzichte darauf, weitere Exempel aus der Beispielkiste zu holen.

Interessant ist auch, wer meint einteilen zu können, wer für ein chirurgisches Fach geeignet ist und wer nicht. So stelle ich die Frage: Wer stellt denn die Eignung fest? Wie stellt er/sie das fest? Was für Qualitäten sollte man besitzen? Fleiß und Fingerfertigkeit oder eher unbedingten Willen zum Gehorsam? Dinge zu hinterfragen ist meiner Meinung nach kein Ausschlusskriterium zu einem chirurgischen Fach soweit meine spärliche Erfahrung das natürlich festzustellen erlaubt.

In einer freien Welt kann sich der eine positiv äußern und der andere negativ zum selben Sachverhalt. Völlig legitim. So wäre wahrscheinlich mein Bericht überhaupt nicht notwendig gewesen, weil positive und negative Fürsprecher bereits gehört worden sind. Auf den Bericht meines direkten Vorgängers möchte ich dennoch gerne eingehen. Ich kann da nur fragen: In welchem Liestal willst Du gewesen sein? Gibt es auf einem anderen Planeten vielleicht noch eins?


Wahrscheinlich wäre auch kein Bericht erforderlich gewesen, wenn ich gelesen hätte: „Ja. Die Zustände waren so oder zumindest ähnlich wie in manchen negativen Berichten ausgeführt, auch wenn wir das in Nuancen anders sehen. Aber wir haben daran gearbeitet. Die Leute, die sich angesprochen gefühlt haben, wurden entsprechend beraten. Und wir haben einiges verbessert.“

Nichts dergleichen, stattdessen wird geleugnet. Das kann bei mir nur Kopfschütteln hervorrufen. Diese hartnäckige Uneinsichtigkeit und Arroganz verdient beinahe einen Preis in Gold.


Ein einfaches „Weiter so“ kann und darf es nicht geben.


Kein Student der Medizin bei Trost sollte meiner Meinung nach in der chirurgischen Klinik des Kantonsspitals Liestal für ein chirurgisches Tertial unterschreiben, ohne dass sich vorher etwas geändert hat. Ich schreibe diesen Bericht im Bewusstsein meiner Verantwortung vor kommenden Generationen von Ärzten in Ausbildung. Sie müssen gewarnt sein. Sie zu schützen ist ein höheres Gut als eine Abteilung eines Krankenhauses in einem guten Licht erscheinen zu lassen.


Ich selbst wurde vor Stellenantritt vorgewarnt und trat sie trotzdem an. So schlimm könne es wohl schon nicht sein, sagte ich mir.



Das Ambiente des Wohnheims (in dem ich selbst ein Zimmer hatte), seine Lage oder Ähnliches will ich nicht ausführlich beurteilen. Ich empfand es als zweckmäßig. Etwas kahl, ja. Super schmutzig, wie manche suggerieren war es aber nicht. Super toll auch nicht. Ich fand es in Ordnung. Ich habe schon schlechtere und bessere Wohnheime gesehen. Ruhig war es, das fand ich positiv. Nichts los, sagten andere. Das kann man munter hin und her drehen. Auch ich habe Fotos vom Wohnheim in Liestal. Ich sehe wenig Sinn darin, diese wie mein Vorgänger diesem Bericht hinzuzufügen. Ich könnte schöne hineinstellen (ähnlich denen meines Vorgängers) und auch Fotos der negativen Seiten. Was sollte das bringen? Fotos sind so aussagekräftig wie ihr Fotograph es will und nur bedingt geeignet, Stimmungen einzufangen.


Genauso verhält es sich damit, ob man nun Liestal als Stadt mag oder nicht. Jeder sollte schnell auf einer Landkarte sehen, dass Liestal klein ist. Der eine mag kleine Städte, der andere nicht. Ja, es ist tatsächlich nichts los. Und ja, man kann von dort aus gut Ausflüge in die Nord- und Mittelschweiz machen. Kann man aber auch von jedem anderen Ort der Schweiz aus.


Nun ist es selbstverständlich möglich, dass ich eine Querulantin bin. Eine undankbare Spinnerin, der seitens der chirurgischen Klinik des Kantonsspitals Liestal beste Ausbildung geboten worden ist, aber trotzdem undankbar ist. Eine persönlich Frustrierte, die „schlechte Stimmung“ verbreiten möchte sowie gezielt aufgrund eigener persönlicher Erfahrung und zwischenmenschlicher Differenzen Rache nehmen und ganz speziell der chirurgischen Klinik des Kantonsspitales Liestal schaden möchte. Ja, möglich ist das. Ist es wahrscheinlich? Und warum bekommen andere Ausbildungsanstalten, mit denen ich während des Praktischen Jahres auch das Vergnügen hatte, weit bessere Kritiken von mir, auch wenn dort sicherlich auch nicht alles „rosig“ war?


Meine Kritik richtet sich nicht gegen das Kantonsspital Liestal oder die Schweiz oder die Schweizer im Allgemeinen, sondern ausschließlich gegen die chirurgische Klinik des Kantonsspitals Liestal und dort auch nicht gegen jeden, sondern gegen bestimmte Strukturen und die sie vertretenden Mitarbeiter. Ich halte nichts davon, einen Ländervergleichswettstreit oder eine politische Veranstaltung aus dem Praktischen Jahr zu machen. Insofern sei mir nur eine Nebenbemerkung erlaubt zu den tiefsinnigen Ausführungen meines „Mainzer Kollegen“. Was heißt bitteschön, der Arbeitsintensität eines „Schweiztertials“ müsse sich jeder Student im Vorhinein bewusst sein? Völliger Unsinn. Als wenn man sich in Deutschland oder an irgendeinem anderen Fleck dieser Erde im Arztberuf geringeren Arbeitspensen ausgesetzt sähe. Mein lieber Mainzer Kollege, zur Erheiterung in dieser Frage hast Du beigetragen, zur Sache bedauerlicherweise nichts. Scharfsinnig hast Du bestimmt im Nachhinein erkannt, dass zu hohe (vor allem zeitliche) ärztliche Arbeitsbelastungen mindestens in weiten Teilen ein paneuropäisches, wenn nicht sogar globales Problem sind.


All das Negative und auch alles Positive, das in anderen Berichten erwähnt wurde, kann einem auch in Deutschland passieren. Keine Frage. Die Frage ist, muss man dafür nach Liestal fahren? Und soll jemand, der da war, die Augen davor verschließen, was in seinen Augen Realität ist? Und soll man dann schweigen?


Ausdrücklich loben möchte ich die orthopädische Klinik des Kantonsspitals Liestal, in die ich rotieren konnte. Sehr nettes und engagiertes Team, das auch eine gute Lehre betreibt, vor allem wenn man Interesse zeigt. Ein PJ- Tertial in der dortigen orthopädischen Klinik ist meiner Meinung nach sicherlich empfehlenswert, wenn man sich für Orthopädie interessieren sollte.


Mit Kritik muss man leben können, ohne sie persönlich zu nehmen. Sie soll Ansporn sein, Dinge zu bewegen und zu verbessern, in ständiger Weiterentwicklung zu sein. Wem der Schuh passt, der zieht ihn sich an.


Man könnte Erfahrungsberichte wie diesen ja zum Ansporn nehmen, Dinge zu ändern. Von Neuem anfangen, wobei die Werbung sich dann vermutlich wie von selbst einstellen würde.


Habe überlegt, ob ich meine Email-Adresse für Rückfragen hinterlassen soll. Mache es nicht. Begründung: Habe dem Beschriebenen absolut nichts hinzuzufügen.


Ich nehme an, auch zu diesem Bericht wird es einen widersprechenden „Gegenbericht“ geben. Tenor: „Ja, aber.“ oder „So schlimm war es nicht.“ Nur zu. Vielleicht setzen die kommenden PJ-Studenten ihre Unterschrift nicht so schnell unter einen Ausbildungsvertrag wie ich seinerzeit, ohne skeptisch zu sein.


Jetzt kann jeder selbst entscheiden, wo er seine Zeit verbringen will. Falls doch in Liestal, geht niemand unversorgt. Weder mit positiven noch mit negativen Erfahrungsberichten.


Der vorstehende Bericht ist ausschließlich meine persönliche Meinung, verfasst nach bestem Wissen und Gewissen.


Ende der Durchsage.



Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Röntgenbesprechung
Patienten untersuchen
Notaufnahme
Mitoperieren
Botengänge (Nichtärztl.)
Untersuchungen anmelden
Patienten aufnehmen
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
nach 18:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Kleidung gestellt
Unterkunft gestellt

Noten

Team/Station
5
Kontakt zur Pflege
5
Ansehen des PJlers
6
Klinik insgesamt
5
Unterricht
6
Betreuung
6
Freizeit
5
Station / Einrichtung
5
Gesamtnote
6

Durchschnitt 5.53