Ich habe mein Chirurgie-Tertial gesplittet und 2 Monate im Tygerberg (Uniklinik der University of Stellenbosch) gemacht. Länger ging bei mir seitens der Stellenbosch-Uni nicht und dann wird es auch mit dem Visum etwas kompliziert (aber geht wohl generell auch).
Davon war ich ca. 4 Wochen in der Plastischen, 2 Wochen in der Trauma Surgery (und 2 Wochen im Urlaub :D).
Ich habe auf dem Campus gewohnt, was ich auch empfehlen würde, da Autofahren (gerade nachts oder in der rush hour) nicht so suuuper safe ist und man das dann nicht jeden Tag mehrmals machen muss. Außerdem hat man einen Supermarkt, Fitnessstudio, Tennisplätze, einen Pool / Schwimmbahn, Outdoor-Fitnessgeräte und eine 2km Laufrunde (etwas komisch über den Parkplatz, aber okay) auf dem Campus und kann sich dann doch gut die Zeit vertreiben. Die Region drumherum ist nicht spannend und auch nicht so super sicher, also da würde ich jetzt nicht draußen viel rumlaufen, aber es gibt wie gesagt auch nicht so viel zu tun, dann lieber nach Kapstadt reinfahren. :) Man arbeitet auch oft lang und an den freien Tagen kommt man mit einem Mietwagen und / oder Uber (ziemlich günstig und quasi immer verfügbar) überall hin und kann viel unternehmen. Ich habe mit einer Freundin in einem Doppelzimmer gelebt in einem Apartment mit anderen Internationals in der International Students Lodge gewohnt, hin und wieder haben wir ein Braai gemacht, etwas unternommen, zusammen gekocht oder ähnliches, also wirklich eine nette Stimmung! :)
Zur Bescheinigung: Am Ende die Unterschrift zu bekommen war überhaupt kein Problem und auch freie Tage konnte man nehmen / absprechen, ohne, dass sie auf der Bescheinigung standen, das war kein Problem, solange man nicht nur weg ist.
Plastische Chirurgie:
Hier war ich (außer in der ersten Woche) die einzige Studentin. Ich hatte das Gefühl sie haben nicht soo oft Student:innen und freuen sich, dass man da ist. Um 7:30h war Besprechung, das war meistens sehr entspannt und oft ging's auch erst deutlich später und mit viel quatschen los. Danach sind wir eigentlich immer direkt in den OP gegangen. Einige Ärzt:innen sind in die Sprechstunde / Poliklinik ("clinic"), da kann man wohl auch mit, wollte ich aber nie, da mich der OP deutlich mehr interessiert hat (die Ärzt:innen haben einen auch immer ermutigt in den OP zu gehen, da das ja eh viel spannender sei). Von ca. 8h an waren dann ganz verschiedene OPs, echt ein riesiges Spektrum.
- Montags hatte die leitende Oberärztin (super super nett und lustig!!!) ihre "Liste", da werden viele Gesichtsrekonstruktionen (zB nach Tumorentfernungen) gemacht, aber auch mal eine Mastektomie oder Vulvoplastik war dabei.
- Dienstags fand ich die OPs am Spannendsten, da haben die HNOler Tumorentfernungen und neck dissections gemacht und die Plastische dann das Gesicht, Kiefer, Hals (was auch immer vom Tumor betroffen war) mit freien Lappen rekonstruiert. Man sieht quasi 2 OPs in einer, weil man sowohl bei der neck dissection, als auch bei der Lappenplastik zuschauen kann. Die OPs gingen super lang und meistens konnte man auch nicht mehr machen, als zuschauen, aber ich fand es trotzdem sehr spannend zu sehen, wie zB aus einer Fibula ein Unterkiefer gebaut wurde und noch viel mehr. Zwischendurch konnte man auch Essen gehen und dann wiederkommen, das war kein Problem. Wenn doch Hilfe gebraucht wurde, weil jemand los musste, konnte ich mich doch noch einwaschen und näher dran sein, was echt cool war.
- Mittwochs gabs die Chefvisite (und auch die einzige Visite, die überhaupt mit dem Team gemacht wurde), das war immer sehr cool, weil die Assistent:innen viel gefragt wurden (ich aber nie) und dadurch total viel Lehre stattfand. Danach ging es ins "Koeberg Theatre", wo kleine Hauttumore in Lokalanästhesie entfernt wurden. Das mochte ich immer gerne, weil ich immer assistieren und dadurch auch echt etwas beitragen und den Ärzt:innen helfen konnte. Einmal durfte ich alleine ein Fibrom entfernen (von Anfang bis Ende), was echt cool war. Sonst auch häufiger nähen, Blutstillung machen etc... Ich hab viel über kleine Lappen und Wundverschluss gelernt und die Stimmung war da auch immer ziemlich lustig. So viel, wie in den alten Bewertungen stand, konnte ich aber dann nicht selber machen, da früher viel mehr benigne Tumorentfernungen stattfanden (die oft die Student:innen machen durften) und heute fast nur noch maligne (die die Ärzt:innen machen müssen), ich hatte quasi Glück mit dem Fibrom. Aber trotzdem hat das Assistieren Spaß gemacht.
- Donnerstags standen meistens die Kinder-OPs an (Lippen-Kiefer-Gaumenspalten), die zwar spannend sind, aber wo man leider nicht so viel sieht, da das OP Feld so mini ist. Da bin ich dann auch mal in den Verbrennungs-OP gegangen, wo die Plastischen und Allgemeinchirurg:innen zusammen debridieren,..., da konnte ich auch selber mithelfen. Teilweise waren die Verbrennungen sehr großflächig und schon sehr furchtbar anzusehen muss man dazu sagen, also sollte man sich überlegen, ob man das machen / sehen möchte.
- Freitags war die "trauma list", was meistens Mandibulafrakturen (macht im Tygerberg die Plastische, nicht die MKG) oder andere Gesichtsfrakturen waren. Es gab auch die Möglichkeit freitags mal in der Orthopädie reinzuschauen, wo teilweise zusammen mit beiden Abteilungen Unterarmfrakturen / Handverletzungen /... operiert wurden, da durfte ich auch viel mitmachen.
Soweit der grobe Wochenablauf. Das Team war total nett, ich habe keine einzige Blutentnahme oder sonstige Stationsarbeit gemacht, sondern war wirklich nur im OP oder einmal pro Woche auf der Lehrvisite. Ich durfte sehr viel mit an den Tisch und mitoperieren, was Spaß gemacht hat. Die Stimmung im OP war total locker und überhaupt nicht vergleichbar mit der teilweise sehr angespannten Stimmung in Deutschland. Es lief immer Musik, es wurde viel gelacht und gequatscht.
Wenn man Lust auf Chirurgie hat, assistieren und OPs zuschauen einem Spaß macht, kann ich die Plastische total empfehlen! Oft haben die Ärzt:innen auch eigeninitiativ etwas erklärt, gezeigt,... und das Wissen war echt immens. Unter Anderem weil die Abteilung bis vor Kurzem noch einen deutschen Chef hatte, war auch der Wissenstand und das OP Spektrum sehr advanced und mit uns vergleichbar (die Stationsausstattung etc. aber natürlich nicht). Außerdem müssen die Chirurg:innen in Kapstadt lange auf einen Platz in der Plastischen warten und arbeiten in der Zeit zB in der general surgery, also sind sie schon echt sehr gut und die Assistent:innen operieren teilweise den ganzen Tag alleine (und freuen sich dadurch umso mehr über Hilfe und Gesellschaft von Student:innen).
Obwohl es mir gefallen hat, würde ich Jedem empfehlen auch noch in die Trauma Surgery (Notaufnahme quasi) zu rotieren, da man da Diinge sieht, die man sonst nie sehen würde und so viel selber machen und sich praktische skills aneignen kann, wie wahrscheinlich nirgendwo sonst, also selbst für eine kurze Zeit lohnt sich das echt.
Trauma-Chirurgie:
Ich war nur kurz da, deshalb verweise ich da bezüglich Orga, Schichtdienstpläne etc. eher auf andere Bewertungen. Ich bin einfach mit einer Freundin bei ihren Schichten mitgegangen, was kein Problem war, da im Januar noch keine südafrikanischen Studis da waren und die sich deshalb über Hilfe gefreut haben, aber ich weiß nicht, wie das so spontan geht, wenn es voller ist, also vielleicht lieber vorher bei der Bewerbung abklären, dass man dahin möchte.
Man arbeitet entweder von 8-18h oder nachts von 18h-8h, immer ein paar Tage / Nächte am Stück und dann wieder ein paar Tage frei. Teilweise war es sehr anstrengend, teilweise gar nicht, sehr wechselnd. Die Arbeit in der Notaufnahme war total spannend. Es war eine reine Trauma-Notaufnahme, die meisten Patient:innen kamen mit Schusswunden, Stichverletzungen, community assaults, gender based violence von Männern gegen Frauen oder Unfällen (Auto / Fußgänger, meist unter Drogeneinfluss). Die Schicksale, Verletzungen und Geschichten waren schon sehr fruchtbar und schwierig auszuhalten teilweise. Sehr viele sehr junge Patient:innen mit schlimmen Verletzungen, oft auch überwiesen aus kleineren Krankenhäusern, die kein CT / ... haben und deshalb schon lange Anreisen hinter sich haben und ewig auf gute Versorgung warten. Man sieht auch echt die Überreste der Apartheid, da die Patient:innen fast ausschließlich schwarze Menschen aus townships waren, die unter Gewalt, Gangkriminalität, Perspektivlosigkeit und Mittellosigkeit leiden mussten. Das war schon sehr bedrückend zu sehen und es war teilweise schwierig für mich die extremen Unterschiede zwischen arm und reich (und eben auch zwischen weiß und schwarz) im Land anzusehen und zu ertragen.
Man schaut sich die Patient:innen selber an, macht Anamnese, Untersuchung, eFast, BEs (arteriell und venös, auch femoral kann man hier viel machen) und überlegt sich einen Therapieplan. Man hat schnell die gängigen Schemata und Pläne drauf, am Anfang war ich überfordert, aber das hat sich dann doch schnell gelegt, wenn man wusste, was zB bei einer Stichverletzung im Thorax für Diagnostik etc. gemacht wurde. Dann stellt man den Ärzt:innen den Fall vor, bespricht es und versorgt die Patient:innen, meldet Untersuchungen an usw. Ich habe durch das selbständige Arbeiten extrem viel gelernt und bin sehr dankbar für die Erfahrung. Man darf sehr viel selber machen (viele Studis haben auch Thoraxdrainagen gelegt etc.), kann viel nähen, wird aber nicht alleine gelassen und kann immer sagen, wenn man sich unsicher ist. Ein Nachteil: Man bekommt oft nicht mit, was aus den Patient:innen wird und kriegt das follow up nicht mit, das fand ich etwas schade. Die Ärzt:innen waren sehr gut und hatten viel Wissen - nur teilweise etwas langsam und haben dann doch erstmal noch ein paar Kaffee getrunken, wenn die Patient:innen nicht umgehend Hilfe brauchten... wenn aber doch, war die Versorgung echt gut mit den Mitteln, die zur Verfügung standen. Allem in allem lernt man extrem viel und kann sich in vielen praktischen Tätigkeiten doll verbessern und die Hemmung verlieren, strukturiert am Patienten zu arbeiten, da es gefordert wird und man mit der Zeit deutlich sicherer darin wird.
Zur Sprache: Man gewöhnt sich an das Englisch / den Akzent und es wird im medizinischen Bereich auch sehr viel Englisch gesprochen. Hin und wieder mal Afrikaans, aber man kommt trotzdem gut zurecht und jemand kann übersetzen oder so, darüber sollte man sich echt keine Sorgen machen.
Soooo das meine vielen langen Worte zum Krankenhaus, jetzt noch ganz kurz zur Stadt:
Kapstadt ist der Wahnsinn (Berge, Meer, Großstadt beieinander), wenn auch sehr sehr ambivalent und riesige Unterschiede zwischen arm und reich... das bedrückende Gefühl dadurch wurde ich bis zum Ende nicht los.
Tipps für Kapstadt / Umgebung / Südafrika: The Rock für Sonnenuntergang (!!!), Lions Head (!!!), auf den Tafelberg wandern, Our Local Restaurant (!!!), Nourished Café, Camps Bay, Llandudno Beach, Garden Route, Safari im Addo Elephant Park, Tour ums Kap der guten Hoffnung, First Thursdays auf der Bree / Kloof Street feiern, Rainbow's End Weingut und Stark Condé zum Wine Tasting, Sonnenuntergang / Strand / Panorma in Blounerg Beach (!!!), Galileo Open Air Cinema im Kirstenbosch Park soll gut sein, free walking tour (Apartheid to freedom), Robben Island Tour, Little Bay Beach, Chapmans peak Drive, Blended Health Cafe auf dem Weg zum Kap, Neighbourgood Market am Wochenende (!!!), Mozambik Restaurants und noch viel mehr!
Große Empfehlung also, vorher etwas über die Sicherheitslage und Tipps informieren, nicht nachts rumlaufen (Uber nehmen), generell viel in Gruppen unterwegs sein und dann hat man ne super Zeit!
Bewerbung
Ca. 1 Jahr im Voraus über das Online-Bewerbungsportal der University of Stellenbosch