PJ-Tertial Infektiologie in Raigmore Hospital (5/2024 bis 7/2024)

Station(en)
GC
Einsatzbereiche
Station, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Der Klinikalltag in Inverness ist ein bisschen anders als ich es aus Deutschland gewohnt war. Ich habe in der Regel um 9 Uhr begonnen und bin mit dem Stationsteam auf Visite gegangen, die meist den gesamten Vormittag in Anspruch genommen hat. Drei Mal in der Woche war Visite durch einen Consultant (äquivalent zu einem Oberarzt), bei der das gesamte Team bestehend aus drei weiteren Ärzt:innen und mir mitgelaufen sind ohne selbst viel beizutragen. Den Consultant, der mir als Supervisor zugeteilt wurde, habe ich im Endeffekt nur eine Woche richtig gesehen, weil danach andere Consultants für die Station zuständig waren. Einige Male durfte ich auch selbstständig Patient:innen visitieren und anschließend vorstellen. Darüber hinaus habe ich allerdings kaum selbstständig gearbeitet, wenn man von Blutentnahmen, Venenkathetern und kognitiven Testungen absieht. Grundsätzlich gab es zwar einen Blutentnahmedienst für das gesamte Krankenhaus, aber ich habe trotzdem auch viel Blut abgenommen wenn dieser ausgefallen ist oder bei isolierten Patient:innen nicht in die Zimmer gegangen ist.
Die Lehre, die in Deutschland ja oft etwas zu wünschen übriglässt, ist in Großbritannien wiederum hervorragend. Bei der Visite werden zwischendurch Fragen gestellt und die Consultants nehmen sich viel Zeit für Erklärungen und Fragen. Etwa zwei Mal pro Woche habe ich auch nachmittags an Unterrichtsveranstaltungen für Medizinstudierende oder FY1 Doctors teilgenommen, die eine große Bandbreite von Themen abgedeckt haben. Von den infektiologischen Krankheitsbildern, die meiner Einschätzung nach wirklich infektiologische Expertise benötigen (HIV, Hepatitis, Tuberkulose, Malaria, Endokarditis etc.), habe ich allerdings wenig gesehen. Die schottischen Highlands sind einfach kein Gebiet mit einer hohen Prävalenz für diese Erkrankungen, sodass wir überwiegend bakterielle Infektionen (Erysipel, Harnwegsinfektionen, Pneumonien) und allgemein-internistische Erkrankungen (Delir, Elektrolytverschiebungen, Stürze, Obstipation etc.) auf der Station behandelt haben, die ich in Deutschland auf anderen Stationen erwarten würde.
Das Raigmore Hospital in Inverness ist relativ alt. Viele Patient:innen liegen in 6-Bett Zimmern, in denen die Betten nur durch Vorhänge voneinander abgetrennt werden können, sodass auf den Stationen grundsätzlich viel Lärm ist und es wenig Privatsphäre für die Patienten:innen gibt. Aber auch in anderen Bereichen haben sich die strenge Budgetierung und weitere Besonderheiten des NHS gezeigt: es wurden kaum Ultraschalluntersuchungen durchgeführt, weil diese nur von speziell geschulte Ärzt:innen oder Radiolog:innen durchgeführt werden dürfen; es gibt extrem lange Wartezeiten und sehr strenge Indikationsstellungen für Operationen; bestimmte Blutuntersuchungen, die ich aus Deutschland kenne, dürfen gar nicht oder nur von Consultants bestimmter Fachrichtungen angeordnet werden; besser verträgliche Medikamente werden zugunsten älterer Medikamente nicht verschrieben, weil diese günstiger sind; einige Patient:innen habe extrem lange Liegezeiten (über mehrere Monate) weil es in Langzeitpflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten an Kapazitäten mangelt.
Was das Arbeiten in Inverness besonders macht, ist dass das Raigmore Hospital als Schwerpunktkrankenhaus für die gesamten Highlands zuständig ist und daher ein wirklich großes Einzugsgebiet hat. Zum Teil haben die Patient:innen mehrere Stunden Anfahrt zum Krankenhaus. Es gibt jedoch auch spezielle Untersuchungen und Fachrichtungen, die in Inverness nicht angeboten werden, sodass nach initialer Diagnostik Patient:innen auch nach Aberdeen, Edinburgh oder Glasgow, und Probenmaterial nach Glasgow oder Dundee weitergeleitet wird. Entsprechend aufwändig ist die gesamte Logistik, die betrieben werden muss.

Ich habe in einer Unterkunft für Mitarbeitende und Studierende des Krankenhauses auf dem Klinikgelände gewohnt. Die Zimmer sind ausreichend groß, recht alt und zweckmäßig ausgestattet und werden nach „first come, first serve“ Prinzip vom Accommodation Office des Krankenhauses vergeben. Ich habe für die zwei Monate meines Aufenthalts insgesamt ca. 650 GBP (also etwa 780€) bezahlt. In dem Block, in dem ich gewohnt habe waren außer mir noch weitere PJ-Studierende aus Deutschland und Studierende der Universität Aberdeen untergebracht, die für verschiedene Unterrichtsblöcke nach Inverness kommen.

Freizeit: Wer neben dem klinischen Alltag auf wirklich faszinierende Natur und Wanderungen aus ist, ist in Inverness und den Highlands genau richtig. Nicht umsonst ist Inverness in den Sommermonaten ein Hotspot für Touristen aus aller Welt und nicht selten hört man auch Deutsch in der Stadt (und leider auch im Krankenhaus). Von Inverness kann man Unternehmungen und Ausflüge zu Loch Ness, Fort William, an die schottische Westküste und in den Cairngorms National Park machen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind für viele dieser Dinge gut nutzbar, aber sicherlich nicht vergleichbar mit dem Netz und der Frequenz in einer Großstadt. Für einige Ziele, wie beispielweise die Isle of Skye, die wirklich extrem beeindruckend ist, ist ein Mietwagen sehr empfehlenswert.
Etwas schwieriger gestaltet sich das kulturelle Angebot. In Inverness und der Umgebung gibt es einige Veranstaltungen, die auch wirklich nicht schlecht sind, aber das Angebot ist generell eher eingeschränkt. Wer da mehr möchte, sollte sich nach Edinburgh und Glasgow orientieren – zwei wirklich tolle Städte, die empfehlenswert, aber ca. 4 Stunden mit dem Zug entfernt sind.
Ich bin etwa eine Woche vor Beginn meines PJs losgefahren und bin per Zug mit Übernachtungen Brüssel, London und Edinburgh angereist. Wenn man die Zeit dazu hat, kann ich die Reise mit dem Zug nur empfehlen. Ich war deutlich entspannter als auf der Rückreise mit dem Flugzeug. Wer mit dem Flugzeug anreisen möchte, kann sich einen Flug nach Edinburgh oder Glasgow nehmen und die letzte Etappe mit dem Zug fahren. Inverness selbst hat auch einen kleinen Flughafen, an dem überwiegend Inlandsflüge und einige wenige Auslandflüge abgefertigt werden, sodass man in der Regel mit einem Umstieg in London oder Amsterdam rechnen muss. Ein bisschen Achtung ist geboten, wenn man bei der Grenzkontrolle rausgefischt wird: Medizinstudierende in Clinical Electives sind nicht Visa-pflichtig, „Internships“ sind es dagegen schon – also Vorsicht was man an der Grenze sagt ;)

Ich bin sehr zufrieden mit meinem halben PJ-Tertial in Inverness. Ein anderes Gesundheitssystem kennenzulernen rückt viele Dinge in Deutschland in eine neue Perspektive. Ich weiß nun die Dinge, die besser laufen, viel mehr zu schätzen und kann mir gleichzeitig für meine persönliche Haltung und Arbeitsweise einige Beispiele an den britischen Ärzt:innen nehmen. Durch die wirklich tollen Eindrücke aus der schottischen Natur wird bleibt meine Zeit in Schottland sehr besonders und unvergesslich.
Bewerbung
Meine Bewerbung für ein Clinical Elective Placement habe ich etwa ein Jahr im Voraus an die Elective Officers im Highland Medical Education Centre ([email protected]) gesendet. Diese koordinieren die Praktikumsplätze für in- und ausländische Medizinstudierende, haben jedoch nur von Mai bis August Kapazitäten. Die erste Kontaktaufnahme erfolgte bei mir relativ informell über eine Email. Ich musste dann ein Formular ausfüllen um zunächst mein Interesse an einem Platz unter Angabe von drei Wünschen bezüglich spezifischer Abteilungen auszudrücken. Im Anschluss habe ich einen Platz in der Infectious Diseases Abteilung (meinem Zweitwunsch) angeboten bekommen und konnte mich formal darauf bewerben. Für das Einreichen der entsprechenden Unterlagen hatte ich nach dem Angebot vier Wochen Zeit. Diese umfassen ein Bewerbungsformular, einen Sprachnachweis (mein Abiturzeugnis war hier ausreichend), ein Transcript of Records, ein Führungszeugnis, eine Kopie des Reisepasses, eine Empfehlung von der Uni und einen Gesundheitsfragebogen inklusive Impfnachweise und HIV/HBV/HCV-Test. Zusätzlich muss eine Bewerbungsgebühr von 100 GBP überwiesen werden.
Unterricht
2x / Woche
Inhalte
Fallbesprechung
Repetitorien
Sonst. Fortbildung
Tätigkeiten
Blut abnehmen
Braunülen legen
Patienten aufnehmen
EKGs
Patienten untersuchen
Briefe schreiben
Dienstbeginn
Nach 8:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Essen frei / billiger

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
3
Klinik insgesamt
2
Unterricht
2
Betreuung
2
Freizeit
1
Station / Einrichtung
2
Gesamtnote
2

Durchschnitt 1.93