PJ-Tertial Psychiatrie in Universitaetsklinikum Marburg (7/2023 bis 10/2023)

Station(en)
2B, 4B, 5B
Einsatzbereiche
Station
Heimatuni
Goettingen
Kommentar
IPSTA-Bericht

Ich absolvierte mein drittes PJ-Tertial auf der Interprofessionellen Ausbildungsstation (IPSTA) der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKGM Marburg. Eigentlich wollte ich mein PJ mit dem Chirurgie-Pflichtteil beenden, sah dann aber die Annonce für dieses gemeinsame Projekt von Fachschaft und Klinikum. Nach 8 Monaten Blutentnahmen, Haken halten und Aufnahmen klang es verlockend: interdisziplinäre Zusammenarbeit auf einer eigens dafür ausgerichteten Station, enge oberärztliche Betreuung, eigene Patient*innen für Psycho- und Psychopharmakotherapie. Die IPSTA verspricht, in einem geschützten Rahmen all das zu vermitteln, das man sich ansonsten in der Assistenzärzt*innenzeit unter größerem Druck und mit weniger Zeit aneignen müsste. Also meldete ich mich. Erste organisatorische Hürden wurden vorab in einem sehr netten Telefonat besprochen, in dem auf meine Wünsche eingegangen wurde. So wurde mir ermöglicht, zum Tertialende genügend Fehltage zu nehmen, um meine Lernzeit für das M3 nicht zu beeinträchtigen.

Richtig begann mein Tertial auf der geschützten Station 5A mit dem Schwerpunkt Suchterkrankungen. Dort sollte ich in die Grundlagen der Arbeit in der Psychiatrie eingeführt werden, mich mit den Computersystemen vertraut machen und erste Therapieerfahrungen sammeln. Mit wenigen Patient*innen und einem Störungsbild, dessen Psychotherapie durch das Motivational Interviewing gut manualisiert ist, war diese Station ein passender Ort. Besonders schön war, dass ich direkt ins Team eingebunden wurde. Nicht nur wurde meine Meinung gefragt und ernst genommen, man frühstückte auch gemeinsam und beging ein gemeinsames Sommerfest, zu dem alle auf Station arbeitenden eingeladen waren.
Auch war ich mit interessanten Störungsbildern konfrontiert, neben Suchterkrankungen gab es Schizophrenien, Depressionen, bipolare Störungen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen unter den Erkrankungen, um nur einige zu nennen. Schnell durfte ich bei den Therapien dieser mitwirken, mich gleichzeitig mit einem Studientag pro Woche dazu fortbilden.
Die verhaltenstherapeutisch ausgerichtete Gruppentherapie Sucht übernahm ich in der zweiten Woche mithilfe eines bereitgestellten Materialordners. Dies war meine erste Gruppentherapie und ich konnte einiges über Methoden und Gruppendynamik lernen. Das Team war froh über diese Mithilfe, da in letzter Zeit kein Personal dafür zur Verfügung stand, obwohl die Gruppentherapie zum Goldstandard bei Suchterkrankungen gehört. Dass dieses Verfahren vorher einige Zeit nicht durchgeführt werden konnte, sah ich mit Bestürzung. Nach mir kam aber zum Glück wieder eine Psychotherapeutin in Ausbildung, die sie weiterführen konnte.
Ein Manko war eine etwas verwirrende IT-Infrastruktur, in der ich mir einige wichtige Funktionen selbst erschließen musste. Eine systematische Einführung würde einem die Arbeit etwas erleichtern, die grundlegenden Funktionen lernt man jedoch schnell.
Nach der 5A wechselte ich auf die Station 4B, da der Assistenzarzt im Urlaub war und es keinen personellen Spielraum gab, um einen Assistenzarzt diese Station gänzlich übernehmen zu lassen. So wurde ich zum ersten medizinischen Ansprechpartner für eine ganze Station auch somatisch schwer kranker gerontopsychiatrischer Patient*innen. Trotz wirklich guter und aufopfernder Betreuung durch die Oberärztin, die Pflegekräfte der Station und meine psychologischen Kolleg*innen war dies ein forderndes Intermezzo. Gestärkt hat mich dabei die Gewissheit, mich jederzeit bei jeglichen Kolleg*innen und Vorgesetzten im Haus melden zu können. Erst im Nachhinein merkte ich allerdings bei mir selbst ein Unwohlsein ob der großen Verantwortung, die ich doch in diesen zwei Wochen spürte. Solche Gefühle früher anzusprechen ist eine Lehre, die ich ziehen kann und allen weiteren PJler*innen mitgeben würde.

Danach wurde ich auf der IPSTA eingesetzt, die eingebettet ist in eine Therapiestation für junge Erwachsene mit verschiedensten psychischen Störungen. Dort arbeitete ich in einem eigens eingerichteten Büro zu Beginn mit einer Psychologie-Bachelorstudentin, später auch mit einer Psychotherapie-Masterstudentin und einer Pflegeschülerin zusammen. Ziel der Station ist die Förderung der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit sowie die Förderung einer eigenverantwortlichen, möglichst selbstständigen und trotzdem eng supervidierten Arbeitsweise. Zu Beginn übernahm ich eine Patientin von meiner Vorgängerin, später gesellte sich ein weiterer Patient dazu. Von der Aufnahme über die Diagnostik bis hin zur Therapieplanung und -durchführung lag jeder Schritt in meiner Hand. Ich erarbeitete das Konzept gemeinsam mit der betreuenden Oberärztin, die sich 3 mal pro Woche intensiv Zeit für unsere Anliegen nahm, dem zuständigen Stationsarzt, der trotz viel Arbeit immer ein offenes Ohr hatte, der Pflege, die durch ihre große Erfahrung und ihrer Nähe zu den Patient*innen eine sehr wichtige Perspektive einbrachte, und natürlich den anderen IPSTA-Auszubildenden. Zweimal pro Woche gab es in der Visite die Möglichkeit, als ganze Station gemeinsam Entwicklungen zu beurteilen und die eigenen Patient*innen vorzustellen. Dabei wurde ich stets als vollwertiger Behandler ernst genommen.
Die Absprache unter den IPSTA-Teilnehmenden wird durch das gemeinsame Büro zur Selbstverständlichkeit. Die unterschiedlichen Perspektiven ergänzen sich dabei sehr gut und die viele gemeinsam verbrachte Zeit lässt einen auch auf persönlicher Ebene zusammenwachsen. So konnte man sich bei Problemen und Fragen immer an mehrere Ansprechpartner*innen wenden: erst an die anwesenden Auszubildenden, dann Stationspersonal und Oberärztin.
Besonders wichtig empfand ich dies für meine Psychotherapie-Lernerfahrung. Denn im Studium kommt dieser Aufgabenteil deutlich zu kurz, wird de facto nicht gelehrt. Darum war für mich die Gewissheit, Unterstützung in allen Fragen in der Hinterhand zu haben, Voraussetzung für die entspannte Entwicklung meiner Fähigkeiten in diesem Bereich, die ich bei zwei bis drei Einzelgesprächen pro Woche erproben konnte. Techniken, Arbeitsblätter und Manuale werden einem dabei von Kolleg*innen zur Verfügung gestellt. An diesen kann man sich auch als Anfänger*in entlanghangeln.
Auch für mein Staatsexamen konnte ich hier Sicherheit gewinnen. Zwar entfällt durch die enge Einbindung in die IPSTA auf dieser Station der Studientag, jedoch sind zwei Mini-CEx („Prüfungen“ an Patient*innen) Pflicht. Auch dort sammelte ich wertvolle Erfahrungen für meine anstehende Prüfung.
Einmal monatlich findet eine Besprechung mit den organisatorisch Verantwortlichen statt. Dort wird sich über Verbesserungspotenziale in Ablauf und Struktur ausgetauscht. Vorschläge in letzter Zeit waren zum Beispiel die engere Pausenabstimmung der Berufsgruppen, um nicht nur in getrennten Büros nebeneinander her zu arbeiten, sondern sich auch auf persönlicher Ebene besser austauschen zu können.

Begleitet wurde die Stationsarbeit durch eine Vielzahl an Fortbildungen und Supervisionen, in denen ich in meiner Problem- und Lösungsfindung von nicht nur fachlich, sondern auch didaktisch versierten Therapeut*innen unterstützt wurde und sich die Praktikant*innen auch untereinander unter die Arme griffen. Weitere Einblicke gab es in der EKT und der rTMS. Gemeinsam mit dem Klinikum Wehrda finden wöchentlich Geriatriefortbildungen statt. Nach der täglichen Frühbesprechung waren jeweils einmal pro Woche eine Fallvostellung sowie ein Journal Club angesetzt. Diese fanden zwar nicht immer statt, wenn, dann waren sie allerdings sehr spannend und lehrreich.

Insgesamt habe ich in keinem Tertial so viel gelernt, konnte so sehr therapeutisch und ärztlich tätig werden. Man ist eingebunden in eine Vielzahl an unterstützenden Strukturen und Lehrprogrammen, wie ich es an Unikliniken (leider) selten erlebt habe. Die Kolleg*innen und direkten Vorgesetzten sind immer für mich da gewesen, offen für fachliche Fragen und gleichzeitig durchweg persönlich sympathisch. Gleichzeitig ist die Arbeit fordernd, durch die Überarbeitung vieler Kolleg*innen kann das Gefühl aufkommen, selbst für vieles verantwortlich sein zu müssen. Auf der einen Seite muss man sich von dieser Erwartung selbst ein Stück weit freimachen, lernen, auch Nein sagen zu können. Gleichzeitig gibt es wohl hier von Seiten der Politik noch einiges an Handlungsbedarf.

Gut zu wissen: Man bekommt auf eine Essenskarte 300 Euro Guthaben kostenlos. Leider gibt es in der Nähe der Psychiatrie keine Mensa, vor der Zahnklinik hält allerdings ein Mensamobil mit Brötchen, Suppen und sehr netten Mitarbeiter*innen. Dort kann man das Guthaben verprassen oder sich vom übrigen Geld am Ende des Tertials mit Getränken und Schokoriegeln eindecken.
Unterricht
Kein Unterricht
Inhalte
Prüfungsvorbereitung
Fallbesprechung
Sonst. Fortbildung
Repetitorien
Patientenvorstellung
Bildgebung
Tätigkeiten
Untersuchungen anmelden
Botengänge (Nichtärztl.)
Eigene Patienten betreuen
Patienten untersuchen
Briefe schreiben
Patienten aufnehmen
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
1x / Woche frei
Tätigkeiten
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Mittagessen regelmässig möglich
Essen frei / billiger
Kleidung gestellt
Gehalt in EUR
400

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
3
Unterricht
2
Betreuung
1
Freizeit
2
Station / Einrichtung
2
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.6