PJ-Tertial Plastische Chirurgie in Cho Ray Hospital (5/2023 bis 7/2023)

Station(en)
Plastic Surgery Ward
Einsatzbereiche
Station, OP
Heimatuni
Luebeck
Kommentar
Unterkunft
Circa 2 Wochen vor Tertialbeginn buchte ich ein AirBnB in District 5, Ho Chi Minh City (HCMC). Hier lebte ich mit einer vietnamesischen Familie zusammen in einer Wohnung, die nur 15 Minuten zu Fuß vom Krankenhaus entfernt war. Das zentrale District 1 war außerdem super leicht und schnell per Bus oder Taxi zu erreichen. Hier wohnte ich in einem klimatisierten Zimmer bei einem älteren vietnamesischen Ärztepaar. Ihr erwachsener Sohn sowie dessen Frau und Kind kamen aber auch häufig zu Besuch und Ersterer übernahm den Großteil der Kommunikation, da er am besten Englisch sprach. Mithilfe der Google Übersetzer App gab es aber trotzdem das ein oder andere Gespräch mit dessen Eltern über die Medizin in Vietnam, die Geschichte des Landes oder auch über das Spiel beim gemeinsamen Fußballgucken. District 5 hat neben der Nähe zum Cho Ray Hospital den Vorteil, dass es weniger touristisch ist und außerdem als HCMCs Chinatown ein Himmel für Marktschlenderer und Streetfoodliebhaber ist. In unserer Nachbarschaft sowie insgesamt in der Stadt fühlte ich mich sowohl tags- als auch nachtsüber durchgängig sicher. Insgesamt fand ich die Wohnungssuche ziemlich unkompliziert. Wer lieber allein wohnen möchte, der wird auch diverse Hostels oder Hotels in der Gegend finden, sodass man im Zweifel auch recht kurzfristig eine Bleibe finden würde.

Praktikum
Die acht Wochen Praktikum in den verschiedenen chirurgischen Abteilungen des Krankenhauses waren extrem vielseitig und lehrreich. Da das Cho Ray die zentrale Instanz der medizinischen Versorgung von HCMC ist, gab es eine unheimliche Bandbreite von Krankheitsbildern und chirurgischen Prozeduren zu sehen. Da das Medizinstudium hier wie bei uns in der Landessprache absolviert wird, muss auch eine den Lerngewinn deutlich beeinträchtigende Sprachbarriere erwähnt werden. Auch Alltagsenglisch ist in Vietnam weniger verbreitet, sodass man sich immer jemanden suchen und sich an diese/n halten sollte, die/der in der Lage ist einem Dinge die ablaufen zu erklären. So fand man durchaus immer wieder jemanden, mit dem man sich gut über das aktuelle OP-Verfahren, Unterschiede in der medizinischen Versorgung zwischen Deutschland und Vietnam oder auch sonst über alles Mögliche austauschen konnte. Gelang das mal nicht, musste man eben Zuhause nochmal nachlesen, um die technischen Details besser nachvollziehen zu können. Praktisch gab es dafür umso mehr zu lernen: häufig wurde ich gefragt, ob ich mich einwaschen wolle, um helfen oder auch einfach nur näher am Situs stehen zu können. Hier durfte ich bei kleineren Dingen wie Naht, Debridement, Hauttransplantation und ähnlichem helfen und konnte so einige chirurgische Techniken einüben. Bei der Visite und in den Ambulanzen wurde allerdings leider ausschließlich Vietnamesisch gesprochen, da Englisch hier wirklich nicht besonders verbreitet ist, wie oben erwähnt. Hier darf man also nicht zu schüchtern sein, mitlaufende Englischsprechende zu befragen. Selbst Vietnamesisch zu lernen halte ich für ein zwar ehrbares aber auch wirklich großes Vorhaben. Da es sich hierbei um eine Tonsprach handelt, muss man zusätzlich zu den Vokabeln auch das komplexe System der Töne lernen, um sie zu beherrschen. Diese Töne können der gleichen Buchstabenfolge völlig verschiedene Bedeutungen geben. Im OP herrschte chirurgischerseits ein wirklich hoher Standard. Es wurde steril und technisch anspruchsvoll operiert, sodass ich in diesen Bereichen nur geringe Unterschiede zu deutschen Krankenhäusern feststellen konnte. Der Abstand allerding, der sterilen Bereichen oder eingewaschenem Personal gegenüber einzuhalten war, war wesentlich geringer, sodass man auch bei einer Vielzahl weiterer Observierender immer einen guten Blick auf Situs und OP-Technik hatte. Außerdem herrschte im OP eine sehr angenehme, entspannte Atmosphäre. Diese erleichterte das Lernen ungemein, da mit Unsicherheiten ganz locker umgegangen wurde und einem im Zweifel einfach erneut gezeigt wurde, wie diese oder jene Technik angewandt wird. Die meiste Zeit des Praktikums wird man im OP verbringen und auf den von Patient*innen und Angehörigen überfüllten Stationen eher nur auf eigenen Wunsch dabei sein. Arbeitsbeginn war um 8:00 Uhr im OP. Nur der Dienstag begann mit der auf Vietnamesisch abgehaltenen Morning Conference (Fallvorstellungen, soweit ich das beurteilen konnte) und der Chefarztvisite bereits um 7 Uhr. Das Dienstende war flexibel je nach OP-Plan, aber offiziell nach Mittagspause und Nachmittags-OPs um 16 Uhr. Der ökonomische Zustand des Landes Vietnam und seiner Einwohner*innen führt definitiv zu Unterschieden zur Arbeit in deutschen Krankenhäusern. In Vietnam gibt es zwar ein Sozialversicherungssystem, dieses deckt jedoch zumeist die Kosten nicht in angemessener Höhe. Dies führt letztendlich dazu, dass Erkrankte hier sehr spät und mit entsprechend fortgeschrittenen Krankheitsbildern und pathologischen Zuständen ärztliche Versorgung aufsuchen. Hinzu kommen sicherlich auch Defizite in Sicherheitsstandard auf der Arbeit, im Straßenverkehr oder auch zuhause, die zu heftigen Traumata führten, die wir in dieser Frequenz in Deutschland sicherlich nicht erwarten würden. Insofern war es wirklich beeindruckend, wie das medizinische Personal hier das Beste aus den Umständen machte und die Patient*innen so gut es ging versorgte. Bis zum Schluss ist mir eines allerdings nicht ganz klar geworden: während chirurgisch wie erwähnt auf hohem Niveau gearbeitet wurde, sah ich immer wieder Patient*innen, die für deutsche Verhältnisse eine wesentlich zu schwache Narkose erhielten und wiederholt drohten, intraoperativ ihr Bewusstsein zu wieder zu erlangen. Mehrfach habe ich Patient*innen gesehen, die während der OP die Augen geöffnet oder sogar ganze Gliedmaßen bewegt und (wahrscheinlich schmerzbedingtes, vielleicht aber auch durch die dissoziative Narkose mit Ketamin bedingtes) Stöhnen von sich gaben. Nach einem Hinweis auf das Wachwerden reagierten die Anästhesist*innen nur träge und gaben Medikamente nur in geringer Dosis nach. Auch die Atemwegssicherung habe ich in Deutschland anders gelernt: die Indikation zur Intubation scheint hier sehr eng gefasst und nicht selten wurden Patient*innen lediglich mittels Propofol-Kurznarkose und ggf. Ketamin und Fentanyl narkotisiert. Ein weiterer Unterschied zu Deutschland war, dass ununterbrochen Fotos von OP, aber eben auch Patient*innen gemacht wurden, durchaus auch mit persönlichen Merkmalen. Die Grundpflege der Patient*innen war Aufgabe der Angehörigen, die folglich in großen Mengen auf Station anzutreffen waren. Insofern habe ich in diesem halben PJ-Tertial im Cho Ray Hospital in HCMC praktisch-chirurgisch und gesundheitspolitisch wirklich viel gelernt, während ich bezüglich des Umgangs mit und dem Schutz der Patient*innen mit gemischten Gefühlen nach Hause flog. Die Erfahrungen durch das Erleben der dortigen Umstände möchte ich für meine Arbeit in deutschen Krankenhäusern beherzigen.

Freizeit
Die Vietnames*innen lieben ihr Land und seine Natur und freuen sich daher, wenn man daran Interesse zeigt. Im Sinne eines Abfeierns von Überstunden war es daher problemlos möglich, nach Absprache Zeit eingeräumt zu bekommen, um Orte wie Da Lat, den Cat-Tien-Nationalpark oder das Mekong-Delta zu erkunden. Diese Orte sind am besten mit den günstigsten Futa-Schlafbussen zu erreichen, in denen man gemütlich liegen und angeschnallt entspannen konnte. HCMC hat zwar auch einiges zu bieten, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind allerdings durchaus relativ zügig besichtigt. Langweilig wurde der Feierabend bei dieser pulsierenden 9-Millionen-Einwohnerstadt mit all den möglichen Aktivitäten, dem köstlichen Streetfood sowie den Bars und Clubs aber dennoch nicht. An dieser Stelle auch nur zu versuchen, die Vielseitigkeit der vietnamesischen Küche zusammenzufassen ist zum Scheitern verurteilt und daher versuche ich es auch gar nicht. Das muss man selbst erlebt und geschmeckt haben!
Als Gast wird man außerdem von vielen vietnamesischen Menschen verwöhnt: Höflichkeit ist eine wichtige Tugend, genau wie Gastfreundlichkeit. Auch wenn das Einkommen (Residents verdienen hier bspw. 500 US-Dollar im Monat) hier sehr gering ist, wurde ich regelmäßig von meiner Gastfamilie mit frischen Mangos, Kaffee oder Einladungen zu köstlichen Mittagessen beschenkt. Auch wurde ich von einem Arbeitskollegen am Wochenende zu seiner Familie ins Mekong-Delta eingeladen, wo wir die Obstfarm seiner Eltern sowie die Stadt Can Tho besichtigten und ins Fruktose-Koma fielen. Ein einmaliges Erlebnis!
Für die Fortbewegung durch das Verkehrschaos in HCMC kommen am ehesten Busse (hier kann die App „BusMap“ helfen, Google Maps funktioniert aber meist auch), Taxen (hierfür empfehle ich die App „Grab“ mit festgelegten Preisen) oder die eigenen Füße in Frage. Selbst Auto oder Motorroller zu fahren, halte ich für sehr gefährlich. Nicht zuletzt, weil ich zahlreiche Unfallopfer im Krankenhaus gesehen habe.

Kosten
Für die Flüge zahlte ich etwa 700€ pro Flug. Eine Übernachtung lag im Schnitt bei 10€. Die Visumsgebühren betrugen etwa 100€ pro Monat, die Studien- sowie Verwaltungsgebühr für zwei Monate betrug etwa 640€. Street Food kostete etwa 0.5 – 3 €.

Fazit
Die Zeit im schönen Vietnam war für mich sehr bereichernd. Die chirurgische Versorgung mit dem hohen Standard wie im Cho Ray Hospital in einem ökonomisch schwächeren Land kennenzulernen, wird mich und mein Arbeiten als Arzt sicher prägen. Das Leben in einer asiatischen Metropole mit lästigem Lärm, Smog und Müll auf der einen Seite sowie beeindruckenden Tempeln, leckerem Streetfood und einer unglaublichen Auswahl an Unternehmungsmöglichkeiten auf der anderen Seite, habe ich sehr genossen. Dieses von diversen Invasionen, Kriegen und Kolonisierungs-Versuchen gebeutelte Land war vor allem im kapitalistischen Zentrum des Landes HCMC ein echter Schmelztiegel der Kulturen zwischen dem kommunistischen China und den westlich orientieren Ländern wie Hong Kong, Singapur und Japan sehr spannend. Die beeindruckende Natur Vietnams mit Gebirge, Dschungel, Flusslandschaften und Traumstränden ist wirklich faszinierend und die Erinnerungen daran werden mich sicher noch häufiger mit Fernweh plagen. Darüber hinaus lohnt sich eine Reise nach Vietnam allein wegen der Menschen. Mit ihrer herzlichen Art und der großen Gastfreundschaft fällt es sehr leicht, sich schnell in dieser ganz anderen Welt mit ihrer komplexen politischen Geschichte, all ihren Traditionen und Verhaltensregeln zurechtzufinden.
Bewerbung
Ein Jahr vor Tertialbeginn bewarb ich mich mit Lebenslauf und Motivationsschreiben beim Cho Ray Hospital über die E-Mail-Adresse training.crtd@gmail.com. Eine Woche später bekam ich bereits eine Antwort von dem Leiter des für die Electives zuständigen Training Centers, Dr. Uyan Tran. Einen Monat nach dieser Eingangsbestätigung der Unterlagen meldete ich mich erneut bei der oben genannten E-Mail-Adresse, da bis dahin keine Antwort gekommen war. Danach wurde mir allerdings innerhalb weniger Tage die Zusage in Form eines „Letter of Acceptance“ für das halbe PJ-Tertial zugesandt. Wenn also nicht immer schnell eine Antwort kommt, sollte man nicht aufgeben, und im Zweifel einfach nochmal eine Mail mehr hinterherschicken. Vor Ort wurde einem ein Mitarbeiter des Training Centers zugeteilt, der einem dabei half, die richtigen Räumlichkeiten zu finden, einem den Studierendenausweis aushändigt und auch die Zahlung der Studiengebühren entgegennimmt. Flugtickets buchte ich ein halbes Jahr vor Tertialbeginn. Außerdem kümmerte ich mich vor Abreise um ein Visum, welches man bei der Botschaft in Berlin oder beim Generalkonsulat in Frankfurt beantragen kann. Es gibt auch die Möglichkeit eines E-Visums. In meinem Fall musste das Visum (vielleicht noch wegen der COVID-19-Pandemie) vor Ort verlängert werden. Für die Verlängerung nutzte ich dann das E-Visum und machte einen sogenannten „Border-Run“ (näheres hierzu findet man im Internet). Nicht zuletzt hierfür würde ich mehrere Passbilder einpacken. Kleidung, Sonnencreme, Kamera, Powerbanks, Wasserdesinfektionsmittel, Reiseapotheke, und Händedesinfektionsmittel brachte ich in meinem Gepäck mit. OP-Schlappen, Kasak und Kittel wurden vor Ort vom Cho Ray Hospital gestellt.
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Mitoperieren
Chirurgische Wundversorgung
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
Vor 15:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Gebühren in EUR
640

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
2
Klinik insgesamt
1
Unterricht
3
Betreuung
3
Freizeit
1
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
2

Durchschnitt 1.73