PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in Hospital Universitario del Caribe (11/2022 bis 3/2023)

Station(en)
Station, Notaufnahme, OP, Sprechstunde, Hospitation in anderem Bereich
Einsatzbereiche
Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Station, OP, Notaufnahme
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
PRO
- Kolumbien ist ein unglaublich sehenswertes, vielfältiges Land
- Cartagena ist eine sehr schöne und dank des Tourismus auch relativ sichere Stadt
- eine Zeit lang an der Karibikküste zu wohnen ist schon traumhaft
- Kolumbianer:innen, insbesondere costeño/as, sind so herzlich und gastfreundlich, dass es mir oft die Sprache verschlagen hat (auch verglichen mit anderen lateinamerikanischen Ländern)
- das Personal vom international office und der medizinischen Fakultät ist auch sehr freundlich und entgegenkommend, z.B. haben sie uns privat zum Essen eingeladen und bis zu 2 Wochen Urlaub war recht unkompliziert möglich (man sollte aber mit Vorlauf Bescheid geben und in unserem Fall auch schriftlich beantragen, vorherige PJs haben das nicht gemacht, weswegen sich der PJ-Chef der Chirurgie übergangen gefühlt hatte)
- der ältere Chef in der Chirurgie Dr. Herrera ist ein super Typ und hat uns gerade in den ersten Tagen sehr willkommen geheißen (leider ist nicht er, sondern der jüngere Chef – wer auch immer jetzt der eigentliche Chef ist - für die PJs verantwortlich), zudem sind Morgenvisiten mit Dr. Herrera sehr lehrreich (die colombiano/s haben viel Respekt vor ihm, weil er laut spricht und auch viel ermahnt – wir waren aus Deutschland schlimmeres gewohnt^^)
- i.d.R. sind vor Ort alle gut, schnell und informell über WhatsApp erreichbar, man muss nicht lange auf Antwort warten oder kann auch am Wochenende mal etwas nachfragen oder durchklingeln (das Contra dazu s.u.)
- das Klinikpersonal, Ärzt:innen, über Stations- und OP-Pflege bis hin zur Security sind extrem herzlich und offen, nirgendwo habe ich mich deplatziert gefühlt, nirgendwo als ob ich im Weg stünde (und das tat ich definitiv)
- man eignet sich notgedrungen schnell noch bessere Spanischkenntnisse an, gerade medizinisches Vokabular, da man viel dokumentieren, Verläufe schreiben, untereinander in den Gruppen und mit den AÄ “residentes“ kommunizieren muss
- an der einzigen öffentlichen Klinik der Stadt (abgesehen von der Geburtsklinik) wird man mit vielen Erkrankungen in fortgeschrittenen Stadien, armutsassoziierten Erkrankungen, komplexen sozialen Fällen, Verletzungen durch Gewalt (Schusswunden, Stichwunden, Machete) konfrontiert – das sieht man in Deutschland nicht (in dem Ausmaß), aber da es die Realität vieler Menschen auf der Welt ist finde ich es gut, damit konfrontiert worden zu sein
- bei unserem Tertial wurden wir in den regulären Dienstplan der hiesigen PJs “interno/as“ eingebunden (anfangs 7 Tage die Woche, nach Einspruch Mo – Fr im Schichtsystem, das heißt entweder 6 Stunden tags- oder 12 Stunden nachts, dazu kommt auf Station 1-1,5 Stunden eher da zu sein zur Prä-Visit sowie zweimal wöchentlich PJ-Seminare nachmittags für etwa 2 Stunden), nachfolgende deutsche PJs hatten aber andere Arbeitszeiten (täglich 7 bis 15/16 Uhr), daher unklar wie das in Zukunft weitergeht. Ich fand es gut, im regulären Plan mitzuarbeiten, auch da man besser mit den locals connecten kann
- du übernimmst eigene Patient:innen, allerdings eher für Untersuchung und Dokumentation, Entscheidungen treffen und oft auch allein Therapievorschläge obliegen den residentes
- keine Blutentnahmen, das macht die Pflege 😊 leider gibt es aber auch andere Dinge nicht, z.B. Sono (kein einziges Gerät auf Station, nicht mal im Schockraum der Nota, man muss dafür immer auf die Radio gehen) und generell relativ wenig interventionelle Maßnahmen (ab und an Punktionen, kleine Nähte), dafür viele körperliche Untersuchungen
- man lernt sehr eigenständig zu arbeiten, da die interno/as dort die Stationen auch administrativ schmeißen, oft sind sie die ersten, die die Patient:innen sichten und teilweise die einzigen, die sie fürs Erste untersuchen etc. – einem wird also viel Vertrauen geschenkt, gleichzeitig kann das natürlich auch in Überforderung münden
- in der Chirurgie gibt es zwei Mal wöchentlich PJ-Seminare, zusätzlich halten die residentes wöchentlich Vorträge, es gibt (zwei)wöchentlich klinisch-pathologische Fallkonferenzen und i.d.R. Mittwochmorgen chirurgisch-interdisziplinäre Fallbesprechung – die meisten dieser Veranstaltungen sind für interno/as sogar obligatorisch (aber eigentlich fällt nur in den PJ-Seminaren auf, wenn man fehlt)
- generell sind Mediziner:innen in Kolumbien sehr fit, was theoretisches Wissen, Leitlinien etc. anbelangt und die meisten residentes möchten dir etwas beibringen (und wenn nicht, liegt es auch oft daran, dass sie sehr überarbeitet sind bei durchschnittlich 90- bis 100-Stunden-Wochen, zumindest im ersten Jahr in der Chirurgie)
- im OP darf man i.d.R. am Tisch stehen und assistieren, insbesondere zunähen (ähnlich wie in Deutschland). Besonders die Thoraxchirurgen (ich glaube leider nur Männer) sind super und lassen auch unter Supervision mehr machen.
- Möglichkeit, in andere Fachabteilungen zu rotieren (Gyn/Päd), was ich zumindest für die Gyn (es ist eigentlich mehr Geburtshilfe) sehr empfehlen kann (allerdings mit dem neuen Chef in der Chirurgie fraglich wie/ob er es erlaubt s.u.)
- ein anderes Versorgungs-, Versicherungs- und Ausbildungssystem kennenzulernen und aus der eigenen Komfortzone rauszukommen weitet immer den Horizont
- die Lebensverhältnisse sind günstiger als in Deutschland, gerade was Miete oder Transportkosten (Bus oder auch Uber bzw. InDrive) anbelangt
- hoher Freizeitwert, da es in und um Cartagena genug zu entdecken gibt, von Stränden über Regenwald bis hin zu fantastischem Nachtleben


CONTRA
- manchmal wird es sehr heiß an der Küste (wir hatten in den ersten Wochen im November gerade aufgrund starker Regenfälle und schwülem Wetter oft Kopfschmerzen)
- der Verkehr in Cartagena ist chaotisch, der ÖPNV schlecht ausgebaut und die Umgebung um die Uniklinik keine sichere Wohnumgebung (zumindest aus meiner Perspektive als weibliche Person und mit Wohnerfahrung auch in anderen lateinamerikanischen Ländern)
- Organisation im Vorfeld des PJs etwas langwierig, da tw. erst spät oder auf Nachfrage Rückmeldungen erhalten, alles in allem aber nicht allzu kompliziert
- Kommunikation unter den interno/as sowie mit residentes und der Fakultät läuft überwiegend über WhatsApp, eine kontinuierliche Erreichbarkeit auch außerhalb der Arbeitszeit wird daher ein wenig vorausgesetzt, oft erfolgen Ankündigungen zu Seminaren, Tests etc. auch sehr kurzfristig
- zweiwöchentliche PJ-Seminare in der Allgemeinchirurgie finden in einem sehr stickigen Raum stand, sind sehr frontal, wenig interaktiv und i.d.R. immer mit einer MC-Prüfung verbunden (an sich kann die ja egal sein, aber man ist trotzdem ein wenig Lerndruck ausgesetzt und wir mussten uns auch für schlechte Ergebnisse vor dem Chef rechtfertigen)
- generell wenig Supervision (das Pendant zur Eigenständigkeit s.o.)
- ineffiziente Administration durch verschiedene Kliniksoftwares, langsames Inter- und Intranet bis hin zu Totalausfällen, man braucht insgesamt einfach Geduld
- keine eigenen Arbeitsmaterialen, Laptop/Tablet zum Dokumentieren muss man sich selbst mitbringen, auf Station und tw. auch auf Nota gibt es zu wenig Sitzplätze/Stühle, Kasacks muss man sich selbst kaufen (20€/Stück, werden dafür aber auch maßgeschneidert gefertigt,), keine Spinde oder andere Aufbewahrungsmöglichkeiten (Wertsachen bestenfalls immer am Körper tragen)
- quasi keine Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal, weder durch gemeinsame Visiten noch andere Art von mündlichem Austausch, Anforderungen an die Pflege werden immer nur als ausgedruckte Zettel überreicht – darüber hinaus habe ich mich aber auf persönlicher Ebene super mit allen verstanden
- der neue Chef der Allgemeinchirurgie, der auch für die ausländischen interno/as zuständig ist, legt weniger Freundlichkeit, Offenheit und Flexibilität an den Tag als es wohl früher der Fall war und generell für colombiano/as üblich ist. Meine Gruppe konnte durchsetzen, dass wir nicht wie ursprünglich geplant mit den anderen colombiano/as 6 bis 7 Tage die Woche in der Klinik sind sondern nur Mo bis Fr (im Schichtdienst). Es ist unklar, wie er das in Zukunft handhabt und ob das Arbeitszeitmodell jedes Mal neu „verhandelt“ werden muss – suerte!
- relativ wenig Zeit im OP für Chirurgie, dafür mehr Station, Nota und etwas Sprechstunde. Das hing aber auch sehr vom Einsatzplan ab, bei mir war es durchschnittlich einer von fünf Tagen in der Woche. Ich denke, wenn man viel Lust hat und Initiative zeigt, kann man öfter hin. Eigeninitiative ist sowieso das A & O (bin auf Nachfrage an einem meiner freien Tage z.B. mal mit der Anästhesie mitgelaufen, geht bestimmt auch auf anderen Abteilungen)
- man ist hauptsächlich in der Allgemeinchirurgie (plus Hospitation in Gyn/Päd s.o.), andere chirurgische Abteilungen sind nicht wirklich vorgesehen, daher etwas FOMO – es kann natürlich sein, dass ihr das verhandeln könnt. In Kolumbien ist nichts unmöglich 😉


Wohnen:
Das international office hat eine Liste mit privaten Unterkünften, die an Austauschstudierende vermietet werden und günstiger sind als z.B. AirBNBs (aber deutlich teurer als die hiesigen colombiano/as wohnen). Die meisten sind in Manga oder Pie de la Popa. Ich kann Manga zum Wohnen sehr empfehlen, da es zentral und sicher, aber nicht touristisch ist. Habe für ein Zimmer in einer 4er-WG mit anderen Austauschstudis inkl. Air Condition und Küche ~230€ (1 150 000 COL) gezahlt. Achtung: wenn ihr in einem Haus mit „casera“ (Hauseigentümerin/hälterin) wohnt, steht ihr ggf. unter Beobachtung und dürft i.d.R. (ohne Ankündigung/Erlaubnis) keine Gäste über Nacht haben , das gilt auch oft für Häuser ohne casera und mit wachsamen Pförtnern, insbesondere bei weiblichen Mieterinnen und männlichen Gästen. Dies ist leider kulturell bedingt und gilt auch oft für erwachsene latino/as, die noch bei ihren Eltern wohnen, viele unserer Kommiliton:innen waren davon sehr genervt. Am besten im Vorhinein abklären oder solche Regeln schlau umgehen…

Essen:
Man kommt als Vegetarierin klar, vegan ist schwierig. Klinikessen wird bei Diensten >6h gestellt, enthält aber i.d.R. Fleisch (man kann bei der Küche fleischfreie Portionen erfragen). Dafür hat die Mensa der Fakultät, die direkt gegenüber der Klinik liegt, ein gutes vegetarisches Angebot, ebenso das Café Pupifrios 50 Meter vorm Klinikeingang hat gute vegetarische Sandwiches & frische Säfte. In Cartagena selbst v.a. im Zentrum ist Essen gar kein Problem, die Auswahl ist groß. Probiert unbedingt das Ely Café in Manga aus.

Kommunikation:
Verläuft beinah ausschließlich über WhatsApp. Kolumbianische SIM-Card bekommt man problemlos an vielen Orten und kann sie online oder wenn das nicht klappt an bestimmten Verkaufsstellen (oft in shopping malls) monatlich mit einem Paket beladen. Es empfiehlt sich, ein (älteres) Ersatzhandy mitzunehmen, falls man die deutsche SIM-Card braucht und das andere geklaut wird (beim Karneval in Barranquilla habe ich die unschöne Erfahrung gemacht).


Fortbewegung:
Per Bus (von Manga aus zur Klinik morgens recht verlässlich 20min, nachmittags je nach Verkehrslage) oder per Uber/InDrive (recht preisgünstig für deutsche Verhältnisse). Motos würde ich nicht empfehlen, allein weil es oft keinen Helm gibt für Mitfahrende. Radfahren halte ich außerhalb von Manga für lebensmüde, auch aufgrund der Hitze.



Persönliches Fazit:

Cartagena ist ein sehr guter Ort, wenn man in der Klinik viel und intensiv eingebunden sein und lernen möchte, euch gleichzeitig aber auch freie Zeit am Herzen liegt. In anderen kolumbianischen Fakultäten ist es mit der Freizeit und „Sonderregelung“ als international schwieriger – auch an der UdC sollte man letzteres besser nicht ausreizen. Jedem muss klar sein, dass von kolumbianischen Studis & jungen Ärzt:innen eine sehr hohe Präsenzzeit erwartet wird (die nicht immer nur lehrreich und effektiv ist sondern oft auch aus Warten besteht) – man muss selbst ein Gefühl dafür entwickeln, wie sehr man als international davon abweichen kann und möchte, auch im Sinne zukünftiger PJs aus dem Ausland.

Für mich waren die Monate in Kolumbien persönlich und fachlich enorm bereichernd und ich würde sie jederzeit wiederholen. Nicht nur aufgrund der vielen schönen, unbeschwerten Momente (von dem tollen Nightlife in Cartagena bis hin zu Ausflugszielen an der costa und darüber hinaus), sondern vor allem aufgrund der Erfahrungen außerhalb meiner Komfortzone, durch die ich als Mensch und hoffentlich auch als angehende Ärztin gewachsen bin. Und nicht zuletzt aufgrund der Freundschaften, vor Ort oder jetzt in Deutschland.

Ich würde sehr empfehlen mit soliden Spanischkenntnissen (mind. B1, eher B2) nach Cartagena zu gehen. Und generell viel Toleranz und Offenheit mitzubringen. Für die meisten unserer kolumbianischen Kommiliton:innen ist es gar nicht selbstverständlich, das Studium finanzieren zu können und erst recht nicht, Praktika in anderen Ländern zu absolvieren. Wir haben da an unseren deutschen Unis sehr liberale Regelungen und die colombiano/as oft keine direkten Vorteile durch unsere Präsenz vor Ort. Trotzdem wird man von Ihnen oft auf Händen getragen und erhält viel Aufmerksamkeit und Interesse (manchmal zu viel). Aller organisatorischen und kulturellen Barrieren und der oft nötigen Geduld zum Trotz, die ein Auslandstertial in Kolumbien erfordern mag, kann ich glaube ich nicht genug GRACIAS sagen an jene, die es vor Ort ermöglicht und zu einer wunderbaren Erfahrung gemacht haben.

Wenn ihr noch offene Fragen habt, meldet euch gerne!
Bewerbung
Ich habe mich ein Jahr vorher beworben, andere nur 3 bis 6 Monate (viel eher bekommt man auch nicht unbedingt Antwort).
Per Mail an die sehr liebe Sekretärin Luzmila Chamorro (movilidadmedicina[a]unicartagena.edu.co) und am besten Kopie ans International Office (rinternacionales@unicartagena.edu.co).

Noch ein Tipp zum Ankommen: Für die Einschreibung, Zahlung der Immatrikulationsgebühr vor Ort (geht nur persönlich in Banken) und Anfertigung der Kasacks gehen sicher 3-5 Tage ins Land ohne dass ihr richtig starten könnt, die tauchen aber auch nirgendwo auf :)
Unterricht
3 x / Woche
Inhalte
Sonst. Fortbildung
Patientenvorstellung
Fallbesprechung
Repetitorien
Tätigkeiten
Untersuchungen anmelden
Eigene Patienten betreuen
Chirurgische Wundversorgung
Mitoperieren
Notaufnahme
Patienten untersuchen
Briefe schreiben
Patienten aufnehmen
Punktionen
Botengänge (Nichtärztl.)
Dienstbeginn
Schichtdienst
Dienstende
Schichtdienst
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Essen frei / billiger
Gehalt in EUR
-
Gebühren in EUR
230€ Immatrikulationsgebühr

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
3
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
2
Unterricht
2
Betreuung
2
Freizeit
2
Station / Einrichtung
2
Gesamtnote
2

Durchschnitt 1.93