PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in Universitaetsklinikum Heidelberg (6/2020 bis 10/2020)

Station(en)
Viszeral
Einsatzbereiche
Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Notaufnahme, OP
Heimatuni
Heidelberg - Fakultaet Heidelberg
Kommentar
Coronabedingt musste ich mein drittes Tertial leider in meiner universitären Exzellenz-Viszeralchirurgie verbringen, und ich muss sagen, es war mit Abstand das schlechteste Tertial in meinem PJ.

Pro:
- Man kann sehr gut Blutabnahmen und das Legen von Braunülen üben, denn davon gibt es massig.
- Eigenständig Patienten aufnehmen, Fall vorbereiten und in der täglichen Indikationsbesprechung um 15 Uhr vorstellen: Man lernt, wie man Google und Amboss nutzt, darf Befunden hinterhertelefonieren, und zugegebenermaßen am Patienten Anamnese und KU machen, was ganz lehrreich ist. Erwartet aber bitte nicht, dass euch irgendjemand anleitet.
- Allgemein-/Notfallambulanz: Hier kann man eigenständig Patienten sehen, chirurgische Wundversorgung machen, weiteres Prozedere mit den Assistenzärzten besprechen. Zusammenfassend also durchaus lohnend.
- Wenn man aus vorherigen Tertialen viel kann, kann man hier auch mäßig viel eigenständig machen.
- Kostenloses Mittagessen oder 2 belegte Brötchen täglich unter der Woche, sofern man es schafft, sich diese abzuholen und nicht 8 Stunden lang bei einer Whipple-OP assistiert.
- Die meisten AssistenzärztInnen sind eigentlich ganz cool, aber z.T. sehr demotiviert.

Contra:
- Keine Planbarkeit im Stationsalltag: Auf Station muss man als PJler täglich ab 7:15 Uhr Dienstbeginn Blut abnehmen und Braunülen legen, je nach Tag 10-25 Blutabnahmen. Bis 8 Uhr ist man mindestens damit beschäftigt. Meistens wird man dann um kurz nach 8 für den OP abgerufen, dabei spielt es keine Rolle, ob es ein Patient von der eigenen oder einer anderen viszeralchirurgischen Station ist. Totale Willkür, man weiß also davor nicht, ob man in den OP kann/muss oder nicht. Bei der Visite kann man normalerweise deswegen nicht mitlaufen, lernt dementsprechend nicht die Patienten der eigenen Station und ihre Krankheitsverläufe kennen, Lerneffekt = 0.
- 0 Möglichkeiten der Mitarbeit im OP (bis auf Hakenhalten): Im OP ist der Leberhaken dein bester Freund. Wird man, wie üblich, zu einem fremden Patienten in die OP gerufen, muss man sich erstmal die Krankheitsgeschichte des Pat. überfliegen. Wenn nicht, wird man oberarztabhängig erst einmal blöd angemacht ("Also, als PJ-Student muss man doch den Patienten kennen!!1!"). Ansonsten eben Hakenhalten bis die Hand abbricht, aber egal, Hauptsache spitzenbetont. Wenn der 1. Assistent barmherzig ist, lässt er/sie dich die Hautnaht machen.
- Keine Einarbeitung durch Ärzte/Pflege: Am ZVK Blutabnehmen? Braunülen legen? BGA machen? Nahttechniken? Knoten? Wie funktioniert ISH? Wie lege ich einen Brief an? Wie fordere ich etwas an? Wo sind die Utensilien auf der Station? Wo gibt's Arbeitskleidung? Wo gibt's Essen? Entweder man kann/weiß die Dinge, oder lässt es sich von anderen PJler zeigen. Eine Einarbeitung durch Klinik-Mitarbeiter existiert nicht und interessiert auch niemand. Am Ende einer Rotation kennen die meisten dich nicht mal mit Namen.
- Asoziale PJ-Koordination: Die PJ-Koordinatorin verdient wegen ihrer Unfreundlichkeit gegenüber Studierenden eine ganz besondere Erwähnung. Bspw. wurde uns PJlern im dritten Tertial offen kommuniziert, dass wir am Ende des Tertials keine 4 Wochen frei nehmen dürften, weil ja dann "keine PJler in der Klinik" mehr gäbe. Hierfür hat sie extra Kontakt mit unserem Studiendekanat aufgenommen, um uns dies quasi "von oben" zu verbieten. Auf diese Unverschämheit hat sich unser Dekanat zum Glück nicht eingelassen, aber die Tatsache, dass unsere PJ-Fehltage keine Urlaubstage sind und deshalb nicht der Genehmigung bedürfen, hat sie noch nicht gelernt.
- Hierarchiedenken wie im 19. Jahrhundert: In den OP kommen grundsätzlich nur die Oberärzte, Fachärzte (1. Assistenz) und die PJler (zum Hakenhalten natürlich). Assistenten machen die Stationsarbeit und kommen - bis auf wenige Ausnahmen wie z.B. bei Unterbesetzung oder im Dienst - in ihrer gesamten Fortbildungszeit nicht in den OP. Dementsprechend demotiviert und gefrustet sind viele Assistenten und die Stimmung merkt man der Klinik deutlich an. Wissens- und Kompetenzunterschiede werden in dieser Viszeralchirurgie künstlich aufrecht erhalten und die Hierarchie entsprechend auch.
- Kein PJ-Unterricht im gesamten Tertial: Während des gesamten Tertials gab es ("wegen Corona", Stand September 2020) keinen PJ-Unterricht und keine Studientage. Laut Approbationsordnung geht das nicht, ist den Verantwortlichen hier aber egal. Anscheinend habe ich wohl nicht viel verpasst, da die PJ-Fortbildungen in der Vergangenheit z.T. sowieso ausgefallen sind oder mangelhaft seien. Das PJ-Logbuch ist zwar nett gemeint, allerdings geht es komplett an der Realität des Klinikalltags vorbei, sodass man viele Sachen letztlich sowieso nur unterschreiben lässt.
- Achja, als PJler muss man übrigens im Laufe des Tertials noch 4 Dienste unter der Woche (7:15-24:00) und 2 Wochenenddienste (9:45-24:00) machen - selbstverständlich ohne extra Vergütung oder Essen.

Fazit: PJ in der Allgemein- oder Viszeralchirurgie? Tut euch einen Gefallen und sucht euch eine andere Klinik.
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Rehas anmelden
Botengänge (Nichtärztl.)
EKGs
Briefe schreiben
Blut abnehmen
Patienten aufnehmen
Braunülen legen
Untersuchungen anmelden
Patienten untersuchen
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Kleidung gestellt
Essen frei / billiger
Gehalt in EUR
400

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
4
Ansehen des PJlers
6
Klinik insgesamt
5
Unterricht
6
Betreuung
6
Freizeit
4
Station / Einrichtung
4
Gesamtnote
5

Durchschnitt 4.8