PJ-Tertial Chirurgie in Luzerner Kantonsspital Wolhusen (11/2018 bis 3/2019)

Station(en)
2 Ost, 2 West, 3, 7, OP, Notfall
Einsatzbereiche
OP, Notaufnahme, Station
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Vor der Bewerbung sollte man wissen, dass es sich um ein sehr sehr (!) kleines Spital handelt. Die Chirurgie (Allgemein-/Viszeralchirurgie sowie Unfallchirurgie) und die Orthopädie sind hier zusammengelegt, wobei der Schwerpunkt jedoch klar auf der Orthopädie liegt. Wer sich gar nicht für Orthopädie interessiert bzw. hauptsächlich die Allgemeinchirurgie kennenlernen will, sollte sich gar nicht erst bewerben. Die orthopädischen OPs bzw. Patienten machen hier ca. 70-80% aus!
Außerdem empfiehlt es sich, meiner Meinung nach, nur nach Wolhusen zu kommen, wenn man ein Auto hat. Der kleine Ort (ca. 4000 Einwohner) liegt 30min von Luzern entfernt. Feiern gehen, etwas trinken oder ins Kino gehen ist hier nicht möglich, lediglich Supermärkte gibt es. Egal, wo man hin will, man muss die Bahn nehmen.

Pro:
- Keine Blutabnahmen und keine "typischen deutschen" PJ-Aufgaben wie Zugänge legen etc.. Ich habe im Tertial kein einziges Mal Blut abgenommen.
- Lehrreiche Wochenenden: man visitiert eine Station alleine ist und Ansprechpartner der Pflege für alle Belange, hier hat man schon einmal einen kleinen Vorgeschmack, was einen später im Berufsleben erwartet - keine Sorge, man kann alles mit den Oberärzten absprechen und ist nie allein gelassen.
- Feste OP-Einteilung: man ist jeden Tag im OP eingeteilt, hier jedoch überwiegend in Knie- und Hüft-Prothesen
- Wenn man Interesse zeigt, sich einbringt und engagiert, kriegt man viel freundliches Feedback und fühlt sich richtig ins Team integriert
- Freundlichkeit: insgesamt habe ich das Team (Pflege, OP-Personal, Assistenz- und Kaderärzte) als sehr nett und freundlich wahrgenommen. Das herablassende Verhalten, was man aus deutschen Kliniken kennt, gibt es hier nicht! Mit fast allen Ärzten (ausser den beiden Chefs) ist man direkt per Du, das schafft eine wirklich nette Arbeitsatmosphäre. Mir wurde von allen Operateuren nach jeder einzelnen OP für meine Mithilfe gedankt.
- Ferientage: 9 Stück im Tertial plus zwei Kompensationstage für jedes Arbeitswochenende. Diese werden nicht von den 30 deutschen Fehltagen abgezogen
- Arbeitsbelastung: im Vergleich zu Erfahrungen von Kommilitonen in anderen Schweizer Spitälern kann man sagen, dass die Arbeitsbelastung eher gering ist. Klar gibt es mal volle OP-Tage und man kommt auch mal erst um 18 Uhr raus - häufig hat man jedoch tagsüber mehrere Stunden Leerlauf. Frühstück/Mittagessen und mal ein power nap im Personalhaus sind fast immer möglich.
- Skigebiete in der Nähe: da ich nur im Winter da war, kann ich über Sommeraktivitäten nichts sagen, wir waren ausschließlich Skifahren (Sörenberg, Engelberg, Melchsee-Frutt, Hasliberg sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in unter 2 Stunden zu erreichen).
- Essen im Spital ist zwar teuer (ca. 9 Franken), jedoch super lecker. Kann man sich ausnahmsweise mal gönnen, meist haben wir jedoch abends im Personalhaus gekocht
- OP: im OP darf man häufig nähen (subcutan, intrakutan, Hautnaht), muss dies jedoch auch manchmal einfordern. Mit der Zeit und wenn man Interesse zeigt, darf man auch mehr machen: bei Knie-TEPs Pins setzen und bohren, Varizen strippen, Metallentfernungen teilweise durchführen und kleinere OPs unter Aufsicht.
- Notfall: auf dem Notfall kann man eigene Patienten betreuen und, wenn man mag, anfallende kleinere Wunden nähen/versorgen
- Eigenes Telefon und ein PC Zugang mit allen Berechtigungen - in Deutschland ja leider nicht selbstverständlich!
- Pickett-Dienste: man hat ca. 1x pro Woche Rufbereitschaft (Pickett), muss also von 17 bis 7 Uhr telefonisch erreichbar sein und kommen, sofern im OP Hilfe gebraucht wird. Ich wurde im ganzen Tertial EINMAL angerufen und habe nur von drei anderen Tagen gehört, wo mal Unterassistenten nach 22 Uhr angerufen wurden. Angst um seinen Nachtschlaf braucht man hier also nicht haben.
- Wohnen im Personalhaus: es hat ein bisschen WG-Charakter, da die anderen Unterassistenten grösstenteils auf derselben Etage wohnen. Man kann abends schön zusammen sitzen und gemeinsam kochen.
- Man wird wenig für sinnlose Botengänge und nichtärztliche Aufgaben eingesetzt. Die einzige wahrlich sinnlose Aufgabe ist es, täglich Papierakten zu sortieren, die kein Mensch zu brauchen scheint und diese zum Zentralbüro zu bringen. Da lässt ein gutes komplett digitales System noch auf sich warten.
- Zitat eines Schweizer PJlers: "das hier ist Streichelzoo". Im Vergleich ist der Stresspegel und die Arbeitsbelastung hier wohl gering, während das Ansehen des Einzelnen durchaus gut ist. Wer Unikliniken meiden will und eher ländliche Versorgung mag, ist in Wolhusen genau richtig!

Contra
- Wie oben schon erwähnt: ein sehr kleines Spital - orthopädisch sicherlich eine Top-Adresse, allgemeinchirurgisch werden jedoch nur die Basics gemacht (Hernien, Cholezystektomien, Appendektomien). Hier sind offene Bauch-OPs eine Rarität, wer da ein breites Spektrum mit Leber-, Pankreas-, Magen- und Ösophagus-OPs erhofft, wird enttäuscht.
- OP-Einteilung: alle Unterassistenten sind überwiegend in orthopädischen OPs eingeteilt, fast immer Knie- und Hüft-TEPs. Es gibt jedoch meiner Meinung nach so kleine Highlights wie allgemeinchirurische OPs, Metallentfernungen, Urologie- oder HNO-OPs und kleine Haut-OPs (Atherom, Lipom, Abszess etc.). Die Einteilung diesbezüglich habe ich nicht als fair empfunden. Manche Unterassistenten wurden sehr variabel eingeteilt und durften alles mal sehen, manche waren tagein tagaus in Hüften eingeteilt. Für die abwechslungsreicheren, seltenen OPs muss man sich mega ins Zeug legen, den Operateur selbst ansprechen und darauf drängen, noch mit an den Tisch zu dürfen.
- Fortbildungen: theoretisch jeden Dienstag für Unterassistenten und jeden Donnerstag für Assistenzärzte + Unterassistenten. Ich würde schätzen, alle 3 Wochen hat das stattgefunden und das auch nur mit Hinterhertelefonieren. Es gab jedoch einen sehr guten Naht- und Gipskurs.
- Eine Sache, die sich sicherlich nicht ändern lässt, die aber sehr sehr frustrierend ist, wenn man motiviert ist: permanent hinter den Assistenzärzten zurückstehen zu müssen und Dinge aus Prinzip nicht zu dürfen, weil man eben nur Unterassistent/in ist. So ist wohl das System, aber ich hätte mir gewünscht, ein wenig individuelle Förderung zu bekommen.
- Chefvisite: jeden Montagnachmittag läuft das gesamte Ärzteteam durch alle Zimmer um jedem einmal die Hand zu schütteln, für 90% der Mitlaufenden eine komplett sinnlose Veranstaltung.
- Kein Bedside-Teaching, was ich persönlich sehr schade finde. Höchstens mal an den Wochenenden, wenn man einen Kaderarzt konkret bittet, mit zu einem Patienten zu kommen.
- Offiziell wird jedem Uhu ein Assistenzarzt als "Mentor" zugeordnet. Die Realität sieht jedoch so aus, dass überhaupt keine Betreuung stattfindet. Es gibt eigentlich nur einen Assistenzarzt, der ehrlich um die Anliegen und Meinungen der Uhus bemüht ist und konsequent Feedback gibt. Schade!
- Es scheint eine Schweizer Eigenart zu sein, dass Kritik nur unterschwellig formuliert wird und man (vielleicht nur als Deutscher?) nicht so gut merkt, woran man ist. Kommunikation könnte hier deutlich verbessert werden.
- Anzahl der Unterassistenten: im November/Dezember waren wir 7, im ganzen Februar nur 4 - das ist vielleicht organisatorisch manchmal nicht anders zu lösen, aber sich wochenlang im Weg herum stehen und um OPs zu konkurrieren, macht keinen Spaß! Zu viert ist es wiederum knackig, denn Dienstag/Mittwochs kompensiert immer jemand, so dass man zu dritt die 3 OP-Säle abdeckt und die Station für den Abend liegen bleibt.
- Wer komplexe traumatologische Fälle, gerade während der Skisaison, sehen möchte, sollte sich besser im großen Spital in Luzern bewerben. Hubschrauber kommen höchst selten, komplexe Rückenverletzungen oder potentiell neurochirurgische Fälle werden direkt nach Luzern weiter verwiesen. Schockräume habe ich in dem Tertial keine erlebt.
- Personalhausverwaltung: fast alle von uns haben hier negative Erfahrungen gemacht. Es wurden private, im Flur kurz aufbewahrte Dinge weggeworfen, unfreundliche Zettel in der Küche hinterlegt,

Fazit:
- Optimal für orthopädisch SEHR Interessierte
- Keine Empfehlung, wenn man ein breites Spektrum der Allgemein-/Viszeralchirurgie sehen will bzw. gerne häufiger als alle 2-3 Wochen in eine bauchchirurgische OP eingeteilt werden würde
- Keine Empfehlung, wenn man viel Teaching und auf das M3 zugeschnittene Lehre erhofft
- Sehr nettes Team und nettes Spital ohne viel "Action"
- Ich persönlich habe mich sehr wohl gefühlt und mich und meine Arbeit stets geschätzt gefühlt. Ich bin jedoch froh, dass es vorbei ist und ich demnächst wieder Maximalversorgung mit einem breiteren Spektrum sehen kann.
Bewerbung
ca. 8 Monate im Voraus per Mail an das Orthopädie-Sekretariat
Unterricht
1x / Woche
Inhalte
Nahtkurs
Bildgebung
Patientenvorstellung
Fallbesprechung
Sonst. Fortbildung
Tätigkeiten
Eigene Patienten betreuen
Notaufnahme
Patienten aufnehmen
Patienten untersuchen
Botengänge (Nichtärztl.)
Röntgenbesprechung
Briefe schreiben
Mitoperieren
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Unterkunft gestellt
Essen frei / billiger
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Kleidung gestellt
Gehalt in EUR
1250CHF (netto 750CHF = ca. 680 Euro)

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
2
Klinik insgesamt
2
Unterricht
4
Betreuung
4
Freizeit
2
Station / Einrichtung
2
Gesamtnote
2

Durchschnitt 2.13