PJ-Tertial Innere in UNC Chapel Hill (11/2018 bis 2/2019)

Station(en)
GI, CICU, MedW
Einsatzbereiche
Diagnostik, Station
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Insgesamt muss ich sagen, dass mein Tertial in Chapel Hill der mit Abstand beste Abschnitt meines Studiums bisher war. Leider sind wir in Deutschland noch weit davon entfernt ähnliche Zustände zu haben.

Zunächst einmal zur Stadt und Uni. Chapel Hill ist ein kleines Dorf im Süden der USA im Staat North Carolina. Im Wesentlichen gibt es hier eigentlich nur eine der ältesten und angesehnsten öffentlichen Unis der USA, mit einigen Häusern außen rum, quasi ein Klischee College Örtchen. Noch dazu liegt es gefühlt im Wald, nachts und tagsüber streifen hier Rehe durch die Straßen. Natur pur! Dafür kann man im Ort selbst relativ wenig machen. Es gibt natürlich viele kleine Restaurants und Bars wenn man möchte und den ganz hübschen Campus der zum Verweilen einlädt, aber man hat in der Regel sowieso kaum Freizeit um sich an der begrenzten Auswahl an Sehenswürdigkeiten zu stören. Typisch für den Süden ist der allgemein sehr freundliche und höfliche Umgangston der Leute. Zudem ist Chapel Hill als kleines Collegedorf allgemein sehr weltoffen und liberal, daher auch zu Empfehlen wenn man einen 'Murica Kulturschock meiden möchte. Sehr grün und auch nach Einbruch der Nacht sicher.

Medizin in den USA ist so eine Sache: einerseits der Inbegriff des medizinschen Fortschritts, komplett elektronische Patientenakte, beeindruckendes nichtärztliches Personal (Pharmacists bei der Visite, nurses, Physician assistants, respiratory therapists etc.). Andererseits auch die teilweise miserablen sozialen Umstände trotz Versicherung: Patienten die sich bestimmte Medikamente einfach nicht leisten können oder im Extremfall ins Hospiz gehen, anstatt sich einer definitiven Therapie unterziehen um die Familie nicht noch mehr finanziell zu belasten.

Das tolle am PJ in den USA ist der völlig andere Umgang mit Studenten: man wird als vollständiges Mitglied des Behandlungsteams angesehen, extrem respektvoller Umgang, Dank für getane Arbeit wird jederzeit ausgedrückt, eigenständige Patientenbetreuung ist eine selbstverständliche Pflicht, Oberärzte geben regelmäßig spontan Teaching und sind jederzeit an Lehre interessiert, noch dazu eine Nulltoleranz gegenüber Student mistreatment (Deutschland *hust*). Die Patientenvorstellung erfolgt standardisiert nach dem SOAP - Schema. Subjective: was der Patient sagt, wie es ihm so geht, Beschwerden usw. Objective: Vitalparameter, KU, Labor, Bildgebung. Assessment: eine Zusammenfassung aus S&O, die Differenzialdiagnosen und das "big picture" was gerade mit dem Patienten abläuft und schließlich P-Plan, Therapie und weitere Diagnostik die man durchführen möchte.
Allerdings muss man sich im klaren sein, dass die Arbeitszeiten und Arbeitsbereitschaft deutlich länger und höher als in Deutschland ist (Freizeit trotzdem Note 1, weil man sonst sowieso gleich daheim bleiben kann). Regulär arbeitet man 6 Tage pro Woche auf Station, Dienstbeginn oftmals bereits um 6 Uhr morgens (in der Chirurgie teilweise Visite um 5 Uhr, man muss also vorher schon prerounden!). Es wird auch erwartet, dass man außerhalb von OP und Intensivstation allgemein sehr schick auftritt. Jeans und offene Schuhe sind nicht erlaubt. Also mindestens Anzughose und Hemd, Krawatte (oder Fliege wenn man mag) ist ausdrücklich erwünscht, wenn auch nicht obligat.

Ich habe insgesamt drei Rotationen absolviert: Medi 407 (Gastroenterology Consult Service), Medi 406 (CICU - Cardiovascular Critical Care) und Medi 465 (Acting Internship - Ward Medicine)

Medi 407
In den USA ist sehr üblich, dass viele Subspezialisierungen der Inneren Medizin keine eigenen Stationen führen, sondern reine Consult Services, also quasi für den Rest des Krankenhauses Konsile durchführen. Die meisten Stationen am UNC Hospital sind daher generalistisch ausgelegt. In diesem Monat war ich entsprechend dem gastroenterologischen/hepatologischen Service zugeteilt.
Die Arbeitszeiten waren im Gegensatz zu den folgenden Rotationen sehr entspannt mit Beginn um 8 Uhr und Ende zwischen 16 bis 18 Uhr.
Ich bin drei Wochen in der Gastro geblieben und eine Woche in der Hepatologie, was ich im Nachhinein ganz empfehlen kann. In der Gastro drehen sich die meisten Konsile um GI-Blutungen, Übelkeit/Erbrechen, Ileus und chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Hier arbeitet man mit einem Fellow, einem fortgeschrittenen Assistenzarzt im 4. bis 6. Jahr der eine Subspezialisierung (also Gastro z.B.) durchführt. Morgens trudeln üblicherweise ein ganzer Haufen Konsile ein die man anschließend eigenständig bearbeitet, also Anamnese, KU, sowie das Konsil schreibt mit den Differenzialdiagnosen und weiteren Therapieschritten. Das ganze stellt man dann am Nachmittag dem Attending, also Oberarzt, eigenständig vor, der dann entsprechend sein OK gibt. Anschließend guckt der Fellow noch über das Konsil drüber und gibt ebenfalls sein OK. Da sich die Patienten im ganzen Haus befinden, kommt man mit quasi allen möglichen Disziplinen in Berührung, die Visiten dauern allerdings aufgrund der weiten Wege oftmals Stunden. In der Hepatologie läuft es quasi identisch ab. Ich persönlich fand die Gastroenterologie für mich als Student interessanter, da man hier eher ausführliche Anamnesen und Differenzialdiagnosen machen muss. In der Hepatologie landen hauptsächlich Patienten mit Hepatitis und/oder Leberzirrhose, entsprechend sind sie sehr komplex und man hat als Student eher weniger ein Erfolgserlebnis, da es eher um das spezielle Management als um Differenzialdiagnosen geht. Nichtsdestotrotz gibt es hier ein enormes Lernpotential dank der Erklärungswut der Ärzte. Wer Lust hat ist jederzeit in der Endoskopieabteilung willkommen. Selbstverständlich geben die Oberärzte hier ausführlichen Unterricht während der einzelnen Untersuchungen. Man sollte auf jeden Fall einmal die Gelegenheit nutzen um Dr. Barron von der interventionellen Endoskopie über die Schulter zu schauen. Super Typ, wurde von der Mayo Clinic abgeworben und ist der wahrscheinlich beste Interventionist der USA (und der Welt).

Medi 406 - Cardiovascular Critical Care
Hier ist man auf der CICU, der kardiologischen Intensivstation. Dienstbeginn ist hier variabel, fest ist nur die Visite um halb 8. Ich bin meistens schon um 6 dagewesen um ausreichend Zeit für das prerounding, also die eigenständige Visite durchzuführen. Das Patientengut besteht aus terminaler Herzinsuffizienz bei denen es oftmals um das weitere Managment mit HTX oder LVAD geht, sowie STEMI/NSTEMI. Das Team besteht aus bis zu zwei Medizinstudenten, zwei Interns (Assistenzärzte im ersten Jahr) die die Patienten betreuen, einem Resident als Teamleader vor Ort (ab dem zweiten Jahr) und einem Fellow als übergeordnetem Vorgesetzten, sowie einem oder zwei Attendings (je einer für die ACS Patienten und Herzinsuffizienz Patienten). Man selbst übernimmt üblicherweise zwei oder gerne auch mehr Patienten der Interns und arbeitet diesen zu. Morgens holt man sich die Informationen über etwaige Vorkommnisse vom Nachtdienst Resident ab und guckt anschließend über die Vitalparameter, erweitertes hämodynamisches Monitoring, Laborwerte und etwaige Bildgebung. Daraus macht man sich einen Reim und überlegt sich Assessment und Plan. Anschließend Visite mit dem ganzen Team, man stellt sein SOAP vor und der Oberarzt nickt das idealerweise ab, anschließend schreibt man die Progress note in dem man sein SOAP dokumentiert. Danach ist manchmal allerdings oftmals auch etwas Leerlauf, den man idealerweise mit dem Lesen von uptodate überbrückt. Zwischendurch kann man auch noch zu Patienten mit ACS ins Katheterlabor oder ins Emergency Department, oder auch zu Reanimationen (Code Blue). Insgesamt eine sehr tolle Rotation in der man durchaus schon viel für die spätere Arbeit auf einer Intensivstation viel mitnehmen kann. Die Arbeitszeiten waren allerdings schon sehr anstrengend: 6 Tage die Woche mit ca. 10-12h.

Medi 465 - Acting Intership Ward Medicine
Acting Internships, manchmal auch Subinternships genannt, sind die Königsdisziplin der Rotationen und werden üblicherweise von den 4th year students absolviert. Hier übernimmt man die Rolle eines Interns mit eigenem Pager, der dem jeweiligen Resident, dem Teamleader, zuarbeitet. Das ganze findet auf einer peripheren Station statt, die Zuteilung erfolgt über die Uni. In meinem Fall MedW, einer generalistischen Station mit Patienten aus der Gastro, Hepatologie und benigner Hämatologie. Auch hier Dienstbeginn zwischen 6 und 7 bei dem man sich mit dem Resident des Nachtdienstes zum "Sign out" trifft, sprich zur Übergabe. Anschließend prerounding der Patienten, Formulierung des SOAP und Visite, gefolgt von eigenständiger Anordnung von Medikamenten und Untersuchungen in der elektronischen Patientenakte, Dokumentation sowie Anmeldung von Konsilen und Kommunikation mit anderen Fachdisziplinen und Angehörigen. Quasi Assistenzarzt pur. Insgesamt die beste Rotation von allen aufgrund der völlig autonomen Arbeitsweise, wobei natürlich der Resident als Mentor stets da war für Hilfe und Feedback. Auch hier regulär 6 Tage pro Woche, Dienstschluss variabel zwischen 16 bis 19 Uhr.

Sowohl auf der CICU und auf Station konnte man regelmäßig zur Noon conference, einer sehr guten Fortbildungsveranstaltung mit gratis Essen. Morgens wäre auch noch der Morning report mit gratis Kaffee und Bagel, oftmals war ich aber mit prerounding beschäftigt.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die praktische Ausbildung von Studenten (allgemeine Stationsarbeit, klinische Arbeitsweise, eher weniger "handwerkliches" wie Punktionen) in den USA viel besser funktioniert als in Deutschland (dass einem wirklich Angst und Bange wird). Beschreibungen der Zustände des PJ in Deutschland (ewige Blutentnahmen, teils extrem respektloser Umgang von Seiten der Kollegen, eigene Patienten höchstens als "Bonus") lösten bei amerikanischen Ärzten und Studenten regelmäßig blankes (!) Entsetzen aus. Aber nicht alles ist unbedingt besser in den USA, ganz im Gegenteil. Was Arbeitsbedingungen angeht kommt es im Einzelfall darauf an, aber die obig beschriebenen Umstände wären ja auch in Deutschland eher ungewöhnlich bzw. unangenehm, in den USA allerdings eine absolute Selbstverständlichkeit. Zudem ist das Gehalt während der Weiterbildung vergleichsweise mies, als Facharzt dafür exorbitant höher. Und dann natürlich das leidige Problem von fehlender Krankenversicherung bei einzelnen Patienten, aber auch teils extremer Copayments trotz Versicherung, dass teilweise wirklich Existenzgefährdung darstellen kann. Was die allgemeine Lebensqualität angeht, so ist Deutschland sicher einen Schritt voraus (Kriminalität, freier Zugang zu guter Bildung, besseres soziales Netz)
Bewerbung
In meinem Fall etwa 9 Monate früher über das IVS Programm der Medical School. https://www.med.unc.edu/oia/visiting-international-students/ Es fallen Bewerbungsgebühren die nicht zurückerstattet werden im Falle einer Absage. Die Zusage für den ersten Monat kam im Juli, allerdings für die beiden anderen Monate erst einen Monat vorher nachdem ich explizit nachgefragt habe, was mir natürlich schon einige Sorgen bereitet hat, ob ich dann auch das ganze Tertial dort machen kann (+ Fehlzeit von 20 Tagen). Auf der Internetseite findet sich ein Katalog mit den ganzen möglichen Rotationen. Für Medi 465 wäre eigentlich ein LOR aus den USA nötig gewesen, ich hatte diese Rotation erst auf meine Wunschliste gesetzt als ich nach dem Stand der Dinge meiner folgenden Monate gefragt hatte, ist anscheinend irgendwie unter gegangen und war kein Problem ohne. Allgemein muss man sagen, dass Administration in den USA im Vergleich zu Deutschland sehr ineffizient und langsam ist. Allerdings sind die Leute des IVMS sehr freundlich und hilfsbereit im Gegensatz zu ein paar anderen US-Unis. Äquivalenzbescheinigung wird problemlos ausgestellt, man ist ausdrücklich den Studenten der UNC gleichgestellt.
Insgesamt muss ich allerdings darauf hinweisen, dass PJ in den USA zunehmend schwieriger wird, nicht zuletzt durch das im Vergleich zu noch vor 10 Jahren deutlich geringere Angebot. Ich selbst habe mich auch noch an anderen Unis (Harvard, Cornell) für ein zweites Tertial im Frühjahr in der Chirurgie beworben, aber entweder komplette Absagen oder nur für einen einzelnen Monat erhalten, nicht zuletzt dann noch die happigen Bewerbungsgebühren von bis zu $300 in den Sand gesetzt (trotz sehr guter Noten, LORs, gutem USMLE Score). Insgesamt ist daher PJ in den USA sehr riskant wegen oftmals sehr kurzfristiger Rückmeldungen (fast immer 4 Wochen vorher), man sollte also fest bereit sein ggf. ein Tertial in Deutschland wiederholen. Und nicht zuletzt zahlt man einen ganz stolzen Preis, die extrem gute Lernerfahrung macht dies allerdings wieder wett, da ich mich von internistischer Seite durchaus auf den Berufsstart vorbereitet fühle.
Unterricht
Häufiger als 5x / Woche
Inhalte
Fallbesprechung
Sonst. Fortbildung
Patientenvorstellung
Repetitorien
Tätigkeiten
Briefe schreiben
EKGs
Patienten untersuchen
Untersuchungen anmelden
Rehas anmelden
Eigene Patienten betreuen
Patienten aufnehmen
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
nach 18:00 Uhr
Studientage
1x / Woche frei
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
1
Unterricht
1
Betreuung
1
Freizeit
1
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1