PJ-Tertial Chirurgie in Spital Maennedorf (2/2012 bis 6/2012)

Station(en)
4B, 1C, 1D
Einsatzbereiche
Station, OP, Notaufnahme
Heimatuni
Giessen
Kommentar
Mein Chirurgietertial in Männedorf war im Großen und Ganzen recht gut. Ich würde nicht nocheinmal dort hingehen wollen, aber ich bereue es nicht dort ein Tertial verbracht zu haben. Die Arbeitsatmosphäre und der Kontakt zu Pflege und Ärzten waren sehr gut, aber hätte ich vorher gewusst wie wenig ich dort lernen würde, dann wäre ich wohl woanders hingegangen.

Pro:
- wirklich sehr herzlicher Umgang, man kommt sich als PJler (UHU) geschätzt vor.
- in der Ambulanz ist die Betreuung durch Assistenz- und Oberärzte super gut gewesen. Nach Einarbeitung konnte ich Patienten selbstständig untersuchen, sie dann den Kollegen vorstellen, Diagnose und Therapie vorschlagen und den dazu notwendigen Schreibkram selbstständig erledigen. So konnte ich phasenweise fast wie ein Assistenzarzt arbeiten mit dem Wissen, dass alles kontrolliert und besprochen wird. So hab ich sicherlich am meisten gelernt und ich muss sagen, dass mir eine so gute praktische Betreuung in Deutschland noch nicht zuteil geworden ist.
- selbst im OP ist die Atmosphäre sehr angenehm gewesen.
- direkt am Zürichsee gelegen. Das Bisschen Freizeit das einem zur Verfügung steht hat hohen Qualitätswert.
- mit der Bahn in 20 Min. in Zürich.

Contra:
- hoher Arbeitsaufwand: Wir mussten einen "Notfall-OP-Rufdienst" besetzen und auch die Wochenenden und Feiertage voll abdecken. Je nachdem wieviele PJler grade im Haus sind kann das in extrem viel Arbeit ausarten. Vor allem deshalb, weil der "Notfall-OP-Rufdienst" schnell von Assistenzärzten in der Ambulanz dazu missbraucht werden kann ihnen den lästigen Aufnahme-Papierkram abzunehmen. Das geht sogar so weit, dass man abends/nachts gerufen wird mit der Ansage: "Du brauchst den Patienten garnicht mehr untersuchen, mach einfach mal die schriftliche Aufnahme mit den Infos die ich dir gebe.". Der Lerneffekt steht bei Null und man fühlt sich als Tippse abgestempelt.
- chirurgische Lehre fand ausserhalb der Notaufnahme faktisch nicht statt. Es gibt ein Curriculum von Fortbildungsveranstaltungen im Haus, aber anscheinend spielt die Chirurgie da nicht mit. PJ-Unterricht, wie man ihn aus Deutschland kennt, gab es nicht. Seltsamerweise gab es aber Studentenunterricht für Studis aus Zürich, für den wir die Patienten akquirieren mussten. Die Teilnahme daran wurde aber nie angeboten. Einmal habe ich es geschafft mitzugehen, an den restlichen Terminen war ich arbeitstechnisch verhindert.
- im OP war eigentlich nur Hakenhalten angesagt. Gelegentlich von Arbeitsbeginn bis Feierabend (je nach Anzahl der PJler). Fragen wurden stets freundlich, aber ohne Intention Lehre betreiben zu wollen knapp beantwortet. Das gilt im Besonderen für die im Haus angestellten Chirurgen. Im OP konnte ich fast ausschließlich etwas von Belegärzten lernen. Das jeweilige Fachgebiet hat dabei keine Rolle gespielt. Interessante OP-Aktivitäten wie Nähen etc. waren generell nur bei sehr wenigen Chirurgen möglich.
- so muss ich leider feststellen, dass ich im OP eigentlich nichts lernen konnte :(

Dass in der Schweiz alles unverschämt teuer ist weiß man ja, deshalb wird das hier nicht unter "Contra" aufgeführt. Wenn man sich aber mal verdeutlicht, dass für ein 8m² Zimmer etwa die Hälfte des Monatslohns draufgeht, dann ist das schon echt krass.
Kleinigkeiten wie die Tatsache, dass die Haushälterin des Wohnheims eine Gebühr dafür verlangt, wenn bei der Zimmerübergabe nicht designmässig zueinander passendes Besteck vorhanden ist (Besteck wird natürlich beim gemeinsamen Essen gemischt und getauscht. Am Ende war mein Besteck vollständig und tadellos, aber meine zum Messer passende Gabel lag eben in einem anderen Zimmer.), oder der Umstand, dass das Spital sich nicht in der Lage sieht "Mehrausgaben" im Sinne einer Auszahlung des letzten Lohns auf ein deutsches Konto (Gebühren!), oder der Versandgebühr für einen Brief an die Uni Zürich (Äquivalenzbescheinigung!) aus Kulanz zu übernehmen hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack. Nach viermonatiger Arbeit im Spital unter Bezug eines am Arbeitsaufwand bemessenen Sklavenlohns halte ich das für eine Enttäuschung. Das sind Dinge über die man eigentlich lachen möchte.

Der Chefarzt hat einen straffen Führungsstil. Auch das ist sicherlich nicht jedermanns Sache.

Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass in diesem kleinen Haus hauptsächlich Viszeralchirurgie praktiziert wird. Zu meinem (anfänglichen) Entsetzen bestand das Hauptgeschäft aber aus Traumatologie und Orthopädie. Männedorf hat es tatsächlich geschafft mich diesen Fächern sehr viel näher zu bringen, sodass ich sie am Ende wirklich mit großem Interesse verfolgen konnte. Ich halte das für einen unbezahlbaren Verdienst, denn es beeinflusst meine Berufswahl extrem.

ZUSAMMENFASSUNG:
Gelernt hab ich so gut wie nichts, aber schön wars trotzdem :)
Man kann sein PJ sicherlich schlechter verbringen als hier.
Bewerbung
Etwa 1,5 Jahre vor dem PJ. Ging problemlos.
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Briefe schreiben
Gipsanlage
Röntgenbesprechung
Patienten untersuchen
Notaufnahme
Untersuchungen anmelden
Eigene Patienten betreuen
Patienten aufnehmen
Chirurgische Wundversorgung
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
17:00 bis 18:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Kleidung gestellt
Gehalt in EUR
~ 717 EUR
Gebühren in EUR
~ 496 EUR

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
2
Klinik insgesamt
3
Unterricht
5
Betreuung
3
Freizeit
3
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
3

Durchschnitt 2.8