Das Centro sanitario Val Poschiavo (CSVP) ist im Valposchiavo inmitten eines malerischen Bergpanoramas am Fusse des Berninapasses in der Nähe des Lago di Poschiavo gelegen. Es handelt sich um ein kleines Grundversorgungsspital, welches internistische, chirurgische und gynäkologische Fälle behandelt. Es umfasst eine Bettenstation mit ca. 30 Betten, ein Altersheim im 2. Stock, eine Hausarztpraxis, eine Notfallstation/Pronto soccorso sowie einen OP-Saal. Während des Praktikums ist die Beschäftigung derart vielseitig, wie ich es ansonsten nirgends angetroffen habe. Die Hauptbeschäftigung richtet sich auf die Stationsarbeit. Sobald jedoch ein Patient in die Notaufnahme kommt, wechselt man in den „Pronto soccorso“.
Eine besondere Rolle übernehmen die Grundversorger/Hausärzte in der Region. Sie sind nebst der Tätigkeit in der eigenen Praxis ebenfalls als Spitalärzte tätig, sozusagen wie Belegärzte (medici accreditati). Sofern ein Patient eines Hausarztes im Spital liegt, kommt der verantwortliche Hausarzt mindestens einmal täglich zur Visite vorbei, um den Behandlungsplan weiter zu besprechen. Bei Interesse können auch tageweise Einblicke in die Hausarztpraxen erfolgen.
Die Umgangssprache ist Pus’chiavin, ein italienischer Dialekt. Jedoch sprechen quasi alle Puschlaver Deutsch/Schweizerdeutsch, da sie für die Ausbildung meistens in ein deutschsprachiges Gebiet ziehen. Für mich war es die Gelegenheit Italienisch zu lernen. Nach einem Sprachkurs von 15 Lektionen und mit einigen Grundkenntnissen in Französisch (was ja einige Ähnlichkeiten in Satzaufbau und Wortlaut aufweist) machte ich mich auf den Weg. Die Lernkurve ist steil, sodass ich nach fünf Wochen ein erstaunlich vielseitiges Sprachvermögen besass, welches durchaus alltagstauglich war.
Ich nutzte die Freizeit, um diverse Ausflüge im Kanton Graubünden und nach Norditalien, sowie nach Rom zu unternehmen. Mit dem Zug erreicht man innert 1,5h St.Moritz und innert 30 Minuten ist man in Tirano, von wo aus Milano in ca. 2,5h erreicht werden kann. Ebenfalls empfehlenswert sind Ausflüge auf den Berninapass sowie ins Val di Campo. Natürlich können jegliche Ausflüge mit dem eigenen Auto unternommen werden.
Im Sommer, insbesondere Juni und Juli finden zahlreiche Feste in und um Poschiavo von Dorffesten bis Openairs statt. Wer jedoch jedes Wochenende gerne in die Disko geht, sollte sich eher Richtung Zürich orientieren.
Wohntechnisch steht ein eigenes Zimmer in der Pikettwohnung zur Verfügung. Gelegentlich halten sich auch noch Angestellte im Pikettdienst in der Wohnung auf. Die Wohnung verfügt über eine voll ausgerüstete Küche (es fehlen bloss ein Mixer und eine Raffel), ein Badezimmer mit Dusche, einen Fernseher und Internetzugang (bei der Rezeption erhält man das entsprechende Passwort). Die Handtücher sowie die Bettwäsche werden zur Verfügung gestellt. Die Wäsche kann man gegebenenfalls in der hauseigenen Wäscherei waschen lassen. Ich bin jedoch jedes zweite Wochenende nach Hause gereist und habe zu Hause gewaschen.
Erreichbarkeit: Poschiavo ist innert 3,30h mit dem Zug von Chur aus erreichbar. Mit dem Auto ginge es schneller. Die Fahrt durch das Veltlin/Valtellina dauert bis Lugano 3h. Im Winter kann je nach Schneeverhältnissen der Berninapass für Zug und Auto geschlossen sein. Dann bleibt einzig der Weg über das Valtellina, um von Poschiavo wegzukommen. Dies sollte lediglich bedacht werden. Im Sommer sind die Verhältnisse jedoch bedenkenlos.
Der Bruttolohn entspricht 1000.- CHF. Davon werden die Wohnungskosten (150.- CHF/Mt), die Mahlzeiten (ca. 130-150.-CHF/Mt) sowie die Versicherungsbeiträge abgezogen. Mir blieb somit immer noch ausreichend Geld übrig für eigene Ausgaben. Ausserdem steht währende des Praktikumsjahrs ja primär der Wissens- und Fähigkeitszuwachs im Vordergrund.
Die Arbeitszeiten sind klar geregelt. Arbeitsbeginn ist jeweils morgens um 07:30 Uhr, am Mittag verfügt man über 30 Minuten Mittagspause und um 18:00 Uhr ist Feierabend. Dann ist aber wirklich Feierabend; Pikettdienst oder dergleichen gibt es nicht. Natürlich besteht die Möglichkeit, nach Wunsch in der Nacht gerufen zu werden, falls Notfalleingriffe stattfinden oder die Ambulanz ausrückt. Dies ist jedoch freiwillig. Wie erwähnt besteht bei Interesse die Möglichkeit, mit der Ambulanz auszurücken; jährlich finden ca. 300 Einsätze statt. Mittwochs werden jeweils die elektiven Eingriffe durchgeführt. Sie reichen von Karpaltunnelsyndromen über Crossektomien bis Hernienplastiken. Gelegentlich gibt’s eine Sectio. Dienstags werden Endoskopien durchgeführt. Ausserdem finden in regelmässigen Abständen Sprechstunden von Belegärzten in diversen Fachgebieten (Kardiologie, Onkologie, Ophtalmologie, etc.) statt. Der Sonntag ist garantiert frei.
Bewerbung
Eine Bewerbung kann wahrscheinlich kurzfristig wenige Monate im Voraus erfolgen, denn das Krankenhaus ist eher unbekannt in Studentenkreisen. Die optimale Beschäftigungsdauer liegt meines Erachtens bei zwei, höchstens drei Monaten.
Zu beachten gilt es jedoch, dass es sich nicht(!) um ein „Anlernspital“ handelt und man bereits Erfahrung im OP sowie im Umgang mit Patienten haben sollte, da je nach Intensität des Tagesprogramms die Zeit für ausführliche Instruktionen fehlt. Für mich war es der perfekte Abschluss des Praktikumsjahres mit der Gelegenheit, nochmals fachgebietsübergreifend tätig zu sein.