PJ-Tertial Visceralchirurgie in Freeman Hospital (5/2019 bis 7/2019)

Station(en)
Colorectal and Intestinal Failure
Einsatzbereiche
OP, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Station
Heimatuni
Kiel
Kommentar
Das PJ (elective) in der Viszeralchirurgie am Freeman Hospital in Newcastle ist ein sehr fairer Deal. Grundsätzlich denke ich, dass es "den pefekten PJ-Ort" nicht gibt, da es sehr viele verschiedene Faktoren gibt, die ein Tertial beeinflussen, erst recht im Ausland, und so gibt es immer Vor- und Nachteile, die man persönlich gegeneinander abwägen muss, anders geht das gar nicht. Auch hängt die Wahrnehmung maßgeblich von den eigenen Vorstellungen, Erwartungen und Wünschen ab. Außerdem gilt besonders im PJ das, was einem in Famulaturen bereits ans Herz gelegt wurde, initiative ergreifen, sich trauen, versuchen selbst dafür zu sorgen, das mitzunehmen, was man gerne machen und lernen würde. Es gibt sicher Krankenhäuser, die so gut für PJler organisiert sind, dass man ganz von allein in den Alltag eingebunden wird; das Krankenhaus und v.a. die Station, auf der ich war, ist eher ein Ort, an dem man selbst aktiver sein sollte und sich von evtl. anfänglichen Anlaufschwierigkeiten nicht abschrecken lassen sollte. Denn dann kann das PJ dort ziemlich großartig werden.

Das Freeman Hospital ist ein rein elektives Krankenhaus, also keine Notaufnahme, alle OPs sind geplant (klar gibt es Noteingriffe, falls ein Patient sich verschlechtert, aber eben keine Patienten die per RTW oder über eine Notaufnahme kommen). In der Chirurgie gibt es verschiedene Teams, die sich auf verschiedene Stationen aufteilen (https://www.nhs.uk/Services/hospitals/Services/Service/DefaultView.aspx?id=92582). Ich war bei den Colorectal und Intestinal Failure (IF) Chirurgen, die sich eine Station teilen. Auf den anderen Stationen waren auch deutsche PJler, mit denen ich allerdings nicht so viel zu tun hatte. Im Krankenhaussalltag begegnet man sich höchstens zufällig im OP, PJ Unterricht gibt es nicht. Insgesamt scheint es wohl so zu sein, dass das elective Programm der Briten den Studierenden nicht ganz so viel abverlangt, wie das deutsche PJ, was Aufgaben, Verantwortung und Anwesenheit angeht. Es wird also grundsätzlich nichts von einem erwartet, aber deswegen warten auf einen eben auch keine definierten Aufgaben, wie wir es aus Deutschland kennen. Einmal waren die Ärzte auf Station sogar überrascht, wieso ich jeden Tag da war und mir nicht mal einen Tag frei genommen habe, ein solches Engagement seien sie nicht gewohnt. Also paar Tage Fehlen mit Absprache ist überhaupt kein Porblem und ohne wahrscheinlich auch nicht. An Tagen, an denen es keine OPs gab, war ich manchmal schon um 12 Uhr wieder zu Hause, aber es gab auch einige lange Tage, an denen ich (meist freiwillig) auch mal bis 17 Uhr geblieben bin. Es gibt Blutentnahme-Schwestern, Bronülen werden irgendwie im Laufe des Tages von den Assistenzärzten (F1) gelegt, meistens war ich dann immer im OP, sodass ich an einer Hand abzählen kann, wie oft ich das gemacht habe, wobei ich mich auch nicht darum gerissen habe. Der Tag beginnt mit einer schnellen Visite, die sehr chaotisch ist, die Patientendoku wird (als ich da war!) noch in riesigen Papierordnern handschriftlich gemacht und es dauert eine Weile, bis man sich in denen zurechtfindet, wobei Blutwerte und Befunde teilweise auch digital auftauchen, sodass es ein ständiges hin- und her Gelaufe ist zwischen PC und Mappe ist. Aber die Patienten liegen dort meistens sehr lang auf Station, sodass man sie irgendwann auch kennt. Die Oberärzte (Consultants) reden, die Assistenzärzte (F1) dokumentieren, der PJler reicht ab und zu Handschuhe ran oder macht auch die Doku, wenn man sich drum bemüht, eher chirarchisch und klassisch organisiert. Einmal die Woche gibt es eine Chef-Visite (mit Prof. Hogan), diese dauert dann etwas länger. Danach beginnt der für uns PJler spannende Teil des Tages, es geht in den OP. Oft rauschen die Oberärzte davon, ohne was zu sagen und man weiß nicht so recht, ob die OP schon los geht oder nicht, wo sie stattfindet und was für eine überhaupt, aber das kriegt man mit der Zeit raus. Man kann immer die jungen F1er fragen, bei mir waren sie sehr nett, hilfsbereit und haben mich extra überall hingebracht, wenn ich nicht wusste, wo lang. Ich empfehle einfach immer zu fragen, ob man mit in den OP darf und am Tisch auch irgendwann mutig zu sein - wenn man nicht sowieso aufgefordert wird - zu fragen, ob man auch mal nähen darf. Das Tertial war für mich das erste, ich habe vorher noch nie genäht oder geknotet, habe kaum am OP Tisch gestanden und habe im Laufe meiner 2 Monate in Newcastle sehr routiniert knoten, nähen, Kamera halten und viele andere kleine Handgriffe gelernt. Mit der Zeit lernen die Consultants einen besser kennen und merken auch das Interesse (wenn vorhanden), an den OPs teilzunehmen, sodass man immer mehr und mehr machen darf. Mein Supervisor (Mr Bergin) hat mich von vornerein sehr viel machen lassen, ich war sehr oft 1. Assistenz, aber auch als 2. Assistenz immer eingewaschen am Tisch und spätestens beim Zumachen aktiv am assistieren. Die anderen Consultants (Prof. Hogan und Mr Hainsworth) haben mich mit der Zeit besser kennengelernt und mich am Enden sogar fest als Assitenz für ihre OPs eingeplant. Erklärt wird von allein sehr wenig, aber Fragen werden immer beantwortet und je mehr Interesse man zeigt, desto mehr bekommt man auch zurück - wie gesagt, von den britischen Studierenden sind die Ärzte wohl nicht viel Interesse an der Teilnahme in OPs gewohnt, weswegen sie nicht selbstverständlich davon ausgehen. Die Op-Schwestern sind meistens sehr nett, wenn man sich oft genug im OP aufhält, kennen sie einen dann auch und wenn man am Ende immer noch beim Umlagern hilft und sich mit ein bisschen Menschenverstand höflich benimmt, ist man dort immer willkommen. So ist es möglich, sehr viel OP-Erfahrung zu sammeln, am Ende musste ich sogar feststellen, geübter gewesen zu sein, als deutsche PJler in meiner 2. Hälfte des Tertials zurück in Deutschland, die eben wie ich dann auch mehr Stationspflichten hatten und sich OPs mit den übrigen PJlern teilen mussten, während ich in Newcastle der einzige auf Station war und immer mit durfte. Das Spektrum ist dann natürlich auf die Viszeralchirurgie begrenzt, wobei Mr Bergin sehr eindrucksvolle Eingriffe am oberen GIT bei Crohn-Patienten macht, während die Colorectals Divertikel und Colon-Ca operieren. Und dann gibts noch die kleinen Eingriffe wie Fisteln, Fissuren, Hernien,... Mr Hainsworth operiert am Da Vinci, da darf man sogar mit einer eignen Konsole zugucken, nur mitmachen geht natürlich nicht. Zu den anderen OPs (also Vascular, Liver,...) kann man theoretisch auch dazu kommen, muss da aber mehr hinterher sein, weil man den anderen Chirurgen eben im Alltag gar nicht begegnet, außerdem sind auf den Stationen ja ebenfalls PJler gewesen, die in den OPs dabei sind, mit denen müsste man sich dann auch absprechen, sodass ich am Ende die gesamten 2 Monate in der selben Abteilung verbracht habe. Es ist mit Fragen aber sicher möglich, auch mal zu wechseln, ob es für eine Woche oder einen ganzen Monat ist, hängt denke ich davon ab, was man möchte, wie viele andere deutsche PJler gerade da sind und wie sehr man selbst hinterher ist. Sowohl viel Verschiedenes sehen, als auch wenig sehen, darin aber geübt sein, hat seine Vorteile und macht für das Examen M3 am Ende 0 Unterschied, die Frage, die ich denke, man sich stellen muss, ist, worauf hat man mehr Lust.

2x die Woche gibt es Ambulanzen, dort darf man immer mitlaufen und wenn man drum bemüht ist, Patienten auch allein ein einem Raum sehen mit Anamnese und körperlicher Untersuchung, dann kam der Consultant dazu, hat sich evtl. eine Übergabe abgeholt, es meist aber einfach selbst nochmal gemacht. Ich mochte die Ambulanztage dennoch sehr gerne, weil ich mich dadurch in der englischen Anamnese geübt habe (der Newcastle Dialekt Geordi ist nicht ohne!), ein bisschen untersuchen durfte und einiges über Stoma-Versorgung gelernt habe, damit beschäftigen die sich viel. Hernien tasten, DRU machen, Wundversorgung, OP-Planung mit CT,... daily business, nichts exotisches bis auf Mr Bergins Crohn Patienten.

Auf Station gab es selten etwas zu tun, die F1er machen dort hauptsächlich Dokumentation (in den OP gehen die wohl gar nicht), Bronülen legen, mal was untersuchen, meist war ich auf Station nur vor oder nach den OPs. Es gibt dort verschiedene Pflege-Zuständigkeiten, auf eigene Bitte bin ich ein paar mal mit den Stoma-Therapeuten (stoma nurses) mitgelaufen, da gab es sehr nette, die einem viel erkären, so richtig was selbst machen, kann man da nicht, eher assistieren, weil es sehr viel Übung erfordert, aber auch das wäre bei Interesse und Geduld und Nachfragen sicher möglich. Für die Momente, in denen nichts passiert - und das kam schon immer mal wieder vor, weil insgesamt der Stationsalltag nach meinem Eindruck eher träge verläuft und die Ärzte viel Pause machen und Kaffee trinken - kann ich empfehlen, sich durch Patientendaten und v.a. CT Bilder zu klicken. Das Programm zum druchgucken der Bilder ist ziemlich intuitiv und die Befunde schnell da und sehr standardisiert geschrieben, sodass ich (einfach dadurch, dass ich es ständg gemacht habe) gelernt habe, ziemlich gut CT Bilder zu befunden. Angucken, sich überlegen, was es ist, dann Befund lesen und gucken, ob sich das deckt bzw. suchen, was der Radiologe schreibt. Kann ich statt des Rumsitzens und Decke anstarren echt nur empfehlen! Wenn man plötzlich anfängt, von allein Pathologien zu finden und zu erkennen, kann es sogar viel Spaß machen. Und wenn auch keine OP mehr ansteht und man darauf keine Lust mehr hat - ab nach Hause!

Es gibt eine Kantine mit Mitarbeiterpreisen, die überraschend lecker war, das Menu wiederholt sich allerdings wöchentlich, sodass man irgendwann alles kennt, aber immer etwas veganes und vegetarisches mit bei - man munkelte, dass dort ein Sternekoch arbeitet. Für Freizeitmöglichkeiten bietet die Stadt ziemlich viel, sowohl Sportler (Parks zum Joggen, Kletterhallen, Parkour Parks, Zirkusschule, Mountain Bike fahren, ...), Naturfreunde (Peak district, Lake district, Schottland um die Ecke), als auch Touris (Harry Potter Castle, Angel of the North, Edinburgh, ...) und Barbesucher werden reichlich Beschäftigung finden. Ich habe in den 2 Monaten, in denen ich dort war, sehr tolle Freunde aus Newcastle kennengelernt (muss man selbst hinterher sein, lief bei mir viel über Sport und Hobby, von alleine trifft man eher nur die deutschen PJler, englische PJler gab es zu dem Zeitpunkt nicht - s.u.). Gewohnt habe ich in einer WG mit Briten, die ich mir über Gumtree (https://www.gumtree.com/) ca. einen Monat vor Anreise gesucht habe. Das ist das englische Kleinanzeigen, allerdings auch mit Wohnungsanzeigen, so etwas wie WG gesucht gibt es glaube ich nicht, ist eher ein sehr deutsches Konzept, dort stellt der Vermieter einfach die Mitgleider zusammen. Die Uni Newcastle hat auf ihrer Homepage tolle Infos für Studierende bzgl. der Stadtviertel und Kosten und so zusammengestellt (https://www.ncl.ac.uk/accommodation/private/). Es gibt wohl auch so etwas wie Erasmus Wohnen (darüber haben die übrigen deutschen PJler wohl ihre Wohnung gefunden, das kenne ich nicht, falls nach dem Brexit überhaupt Erasmus noch funktioniert, kp, war vorher da! Auch gibt es Facebook Gruppen fürs Wohnen und irgendwelche anderen Wohnungsvermittlungsseiten, habe ich alles nicht genutzt. Auch ein Fahrrad kriegt man super günstig über Gumtree (20€ bei mir). OLIO heißt die englische foodsharing App, falls man daran Interesse hat, hab ich viel genutzt. Ansonsten war das Lebensmitteleinkaufen in Newcastle erstaunlich günstig im Vergleich zu Deutschland. Insgesamt habe ich diese Stadt sehr zu lieben gelernt!

Wichtiger Tip: War mir irgendwie nicht klar, hätte mich wahrscheinlich besser informieren müssen, in England werden im Krankenhaus keine Kasaks getragen (über Hygiene möchte ich hier keine Diskussion starten, macht euch selbst einen Eindruck ohne den deutschen Klugscheißer zu spielen xD), sondern Hemd, Hose, Lederschuhe, bzw. Bluse, Rock, Strumpfhose/Kleid, Ballerinas/Stöckelschuhe, also so Theater/Bewerbungsoutfit. Solltet ihr also dabei haben. Hatte ich alles nicht, zuerst wurde mir empfohlen, das einzukaufen, ging dann aber doch mit Hose und blauem Kasak, was eine riesige Ausnahme war, muss man glaube ich aushalten können, der weirdo auf Station zu sein und trotzdem so zu tun, als wäre alles normal ;)
Bewerbung
Bewerbung läuft c.a. ein halbes Jahr im Voraus über Mrs Sandra Larmour, eine wundervolle Koordinatorin, die per Mail sehr schnell per Du schreibt, unglaublich hilfsbereit ist, immer zuverläsig antwortet und einem vor Ort bei allem paperwork hilft. Genauer Ablauf der Bewerbung wird auf der Homepage gut und ausführlich beschrieben (https://www.ncl.ac.uk/sme/study/undergraduate/content/electives/), Fragen dazu werden kompetent und hilfreich per Mail beantwortet. Das Maximum sind 8 Wochen, das die Uni anbieten kann, man muss das Tertial also splitten, was ich persönlich sowieso empfehlen würde, um für sich selbst den Vergleich zu dem deutschen PJ zu haben bzw. in einer Struktur gewesen zu sein, die einen mit PJ-Unterricht usw. aufs M3 vorbereitet, tut da Freeman Hospital natürlich nicht. Die Chancen, einen Platz zu bekommen, stehen in den Sommermonaten wohl besser, weil die britischen Studierenden eher in den Wintermonaten ihr elective haben, wobei ich mir nicht sicher bin, welche konkreten Monate das sind. Ich war dort im 1. Tertial 1. Hälfte von Mai bis Juli, nach mir kamen neue deutsche PJler.

Tip: Falls es nach dem Brexit noch Erasmus gibt, kann man Geld über Erasmus Praktika, 500€/Monat bekommen. Das offizielle deutsche PJ geht glaube ich 2 Tage kürzer, als die Mindestaufenthaltsdauer für Erasmus. Das ist allerdingts kein Problem, diesen Zusammenhang kennt die Uni Newcastle bereits, sodass es möglich ist, extra für Erasmus, das elective dort um eine Woche zu verlängern, ohne es in die eigenen deutschen PJ Dokumente einzutragen. Ich bin also bereits eine Woche vorher angereist (geht dementsprechnd nur wenn man in Newcastle anfängt oder aufhört, mittendrin kollidiert das mit den PJ-Zeiten), als das deutsche PJ begonnen hat. Auf meinen Erasmus Dokumenten war ich also 9 Wochen dort, auf meinen PJ Dokumenten war ich 8 Wochen dort, sowohl mein Kieler Erasmus Büro, als auch mein Kieler PJ Koordinator, als auch Mrs Larmour haben unabhängig von einander den Move, das so zu machen, vorgeschlagen, also nix illegal oder getrixt. Alles official.
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Mitoperieren
Patienten untersuchen
Poliklinik
Chirurgische Wundversorgung
Botengänge (Nichtärztl.)
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
15:00 bis 16:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Gebühren in EUR
200 £ non-refundable administration fee

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
2
Klinik insgesamt
2
Unterricht
6
Betreuung
2
Freizeit
1
Station / Einrichtung
2
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.8