Diagnostik, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Station
Heimatuni
TU Muenchen
Kommentar
Ich war im Rahmen meines PJ für ein halbes Tertial am Queen Square und kann es auf jeden Fall empfehlen, allerdings nur für ein halbes Tertial, weil ihr sehr wenig selbst machen könnt. Am besten erste Hälfte in London Theorie ansammeln und dann in DE anwenden.
Vorbereitung:
ich habe mich 2 Jahre im Vorhinein bei Angela Alton (siehe Website) beworben. Ich denke, man muss nicht ausgewählt werden, man muss einfach nur rechtzeitig dran sein, glaube ein Jahr reicht aber auch noch. Im Zweifel spontan nochmal fragen, sie meinte es springen immer mal wieder Leute ab. Das Krankenhaus ist auch so groß, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass die überhaupt zu viele Electives (PJler) haben können, aber vielleicht gibt es eine Obergrenze. Angela ist mega nett und hilfreich in der Vorbereitung. An Dokumenten muss man einiges einreichen, also da Vorlauf einplanen. Am nervigsten fand ich den Sprachtest, da gibt es verschiedene, die aber alle um die 250€ kosten, ich hab dann den TOEFL gemacht. Passt bei der Vorbereitung für den TOEFL auf, in der writing section wollen die eine ganz spezifische Strukturierung sehen, die nicht aus der Aufgabenstellung hervorgeht, mit einem Youtube-Video ist es aber easy. Studiengebühren 200 Pfund pro Woche.
Unterkunft:
die Uni stellt leider keine Unterkunft zur Verfügung, ihr müsst euch also privat kümmern. Angela schickt euch irgendwann eine Liste mit privaten VermieterInnen. Die hatten dann alle schon jemanden, bei der letzten auf der Liste hatte ich noch Glück und dort dann eine mega gute Zeit für vergleichsweise wenig Miete und super Lage. Ansonsten ist der Wohnungsmarkt natürlich eine komplette Katastrophe. AirBnB würde ich nur im schlimmsten Notfall empfehlen.
Anreise: mit dem Eurostar vom Festland. Wenn ihr rechtzeitig bucht, kostet es ca. 50€ pro Weg nach Paris, wenn spontan dann unbezahlbar. Der Zug ist super und bietet sich auch für einen Wochenendtrip nach Paris oder Niederlande an.
Krankenhaus: ihr seid vollkommen frei, es gibt keine Anwesenheitspflicht und Angela kontrolliert das auch nicht, wenn sie eure Bescheinigung ausstellt. Eure Ausbildung hat vier Säulen:
1) Eure „firm“. Anders als bei uns sind die Docs nicht nach Station aufgeteilt, sondern nach Team. Also das movement disorders team läuft dann immer durchs ganze Haus und sieht seine PatientInnen. Ich fand es sehr ineffizient, aber ok. Ihr seid also einem Team zugeordnet für je einen Monat. Ich war da jeweils einmal am Monatsanfang und habe es mir angeschaut und war dann nie wieder dort. Denn die Visiten (ward rounds) sind m.E. nicht so informationsdicht, das haben auch die anderen PJler berichtet. Wie immer ist es nicht schwarz-weiß und man sieht auch spannende PatientInnen und je nach Doc kann man auch bisschen was lernen, aber oft sind halt die Oberärzte dabei und alle bisschen gestresst und dann bleibt wenig Zeit für Lehre. Vor allem ist es aber ein elendiges Herumgelaufe zwischen den Stationen, warten auf Oberärzte, warten auf Patienten, insgesamt irgendwie recht chaotisch. Aber schaut es euch an.
2) Outpatient clinics = Ambulanzen. Hier habe ich die meiste Zeit verbracht. Das Queen Square ist eines der allerbesten und renommiertesten Neuro-Häuser weltweit, vielleicht Top 1. Hier tummeln sich alle Experten der UK und viele aus aller Welt. In den Ambulanzen seht ihr seltene Krankheitsbilder und könnt euch raussuchen, was euch interessiert. Man kann die Ambulanzen buchen, aber 50% finden nicht wie geplant statt. Hier müsst ihr einfach proaktiv sein und euch um 9 Uhr morgens vor die Ambulanzzimmer setzen und nett fragen, ob ihr zuschauen könnt. Wenn ihr immer nur nach Buchung geht, nehmt ihr wenig mit, weil die wirklich dauernd ausfallen. Am besten sucht ihr euch ein paar Consultants, zu denen ihr jede Woche mitgeht. Dann kennen die euch und erklären euch mehr. Die restliche Zeit könnt ihr dann spezielle Ambulanzen ausprobieren. Die Beschreibung in der Buchung trifft oft nicht zu / ist nichtssagend, am besten kurz die Leute googeln. CAVE: nicht alle Consultants sind im Buchungssystem. Ein Grund mehr, einfach an Türen zu klopfen. Manche Ambulanzen sind natürlich auch langweilig oder die Docs erklären nichts, ist ja immer so. Empfehlen kann ich Dr. Kaski, Dr. Petzold, Dr. Lunn., Dr. Ley Sander, Dr. Morrow, Dr. Zandi, aber auch andere waren gut.
3) Vorlesungen, Seminare, Fortbildungen: Ihr könnt an den Veranstaltungen der local student sowie der AssistenzärtzInnen teilnehmen. Die local students haben Neuro zum ersten mal und wenig Ahnung, die Vorlesungen sind natürlich recht basic. Die Teachings für die Assis sind manchmal spannend. Donnerstag findet die berühmte und sehr anregende Fallvorstellungsrunde / Gower‘s Round statt (Ja, der vom Gower‘s Sign. Wer im 19. Und 20. Jahrhundert irgendwas in der Neuro gerissen hat und nicht gerade Nazi war, war am Queen Square tätig).
4) Bibliothek: direkt neben dem Krankenhaus befindet sich eine gemütliche Neurologie-Bibliothek. Ich war hier ca. die Hälfte der Zeit und würde es auch nochmal so machen. So kann man die in der Klinik aufgeschnappten Fakten und Erfahrungen nochmal in Ruhe prozessieren und nachlesen. Das fand ich wirklich hilfreich.
5) Optional: ihr seid volleingeschriebene UCL-Studierende. Vielleicht findet ihr ja einen Kurs, den ihr spannend findet. Ich war in einem wöchentlichen Politik-Seminar, das hat mir sehr viel gegeben. Habe den Prof. einfach angeschrieben. Ob man sich auch offiziell für sowas einschreiben kann, weiß ich nicht, würde aber einfach inoffiziell nachfragen.
Stadt: Muss euch jetzt nichts zu London erzählen, aber mir hat es mega gut gefallen. Dachte davor, es sei eine Betonwüste der Investment-Banker, tatsächlich aber sehr grüne und lebenswerte Stadt. Mieten horrend, alles andere auch teuer aber gar nicht so viel mehr als in DE, vielleicht durchschnittlich 25% teurer. Britische Mentalität unterm Strich positiv. Die aus unserer Sicht übertriebene Höflichkeit ist m.E. ineffizient, aber nicht störend, im Gegenteil.
Zusammenfassend kann ich das Tertial sehr empfehlen. Es ist ein Privileg, an dieser einmaligen Einrichtung lernen zu dürfen, nehmt das wahr, wenn ihr euch wirklich für Neuro interessiert. Wenn ihr Neuro später nicht machen wollt, geht lieber woanders hin, denn am Queen Square kriegt ihr fast gar keine praktischen Erfahrungen, alles ist sehr akademisch und ihr habt wenig Möglichkeiten, PatientInnen selbst zu untersuchen. Deshalb auch zweite Hälfte in Deutschland machen. Andersrum geht auch, aber ich denke es macht Sinn, erst Theorie zu lernen und sie dann in der Praxis anwenden.
Viel Spaß!