PJ-Tertial Chirurgie in Kantonsspital Aarau (3/2021 bis 6/2021)

Station(en)
Viszeral, Trauma, Thorax, Gefäß, Kinder
Einsatzbereiche
Station, OP, Notaufnahme
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Ich kann von einem chirurgischen Tertial am KSA abraten.

Zunächst die einzigen positiven Punkte: die Formalitäten funktionieren, das Chefarztsekretariat ist sehr freundlich und hat sich um alles sofort gekümmert. Auch Kleidung, Ausweis, Telefon, ... läuft ohne Probleme. Zweitens ist die Stimmung mit der Pflege sehr harmonisch, das in Deutschland teils übliche Gemotze und Gegeneinander ist selten.

Nun zum Negativen:

Der Rotationsplan wird von den UHUs selbst gemacht und ist daher völlig chaotisch, manchmal ändert er sich noch im laufenden Monat. Rotationen in die einzelnen Fächer werden wochenweise vergeben, d.h. man ist gerne mal hier ein paar Tage, dann wieder dort, usw. Im Ergebnis lernt man nirgends die Mitarbeitenden wirklich kennen, womit sich die Frage nach eigenständiger Tätigkeit erübrigt. Lernen kann man so natürlich nichts, stören tut es aber auch keinen.

Morgens beginnt man in der Regel im Rapport des jeweiligen Faches (der Informationsgehalt hält sich i.d.R. in Grenzen), danach geht man auf Station oder in den OPS.

Auf Station läuft man danach die Visite mit und hilft den AAs beim Bürokram. Problemlösungskompetenz erwirbt man dabei nur sehr spärlich, da für jedes bisschen Komplikation die Oberärztlichkeit oder gleich der/die Leitende(r) gefragt wird. Gelgentlich muss man Rapportlisten erstellen oder kann einen Austrittsbericht schreiben - meistens sitzt man aber einfach nur da. Die Visiten sind auch nichts besonderes (chirurgisch eben). Teaching auf Visite kommt nur selten vor. BEs und Nadeln werden von der Pflege gemacht.

Im OPS hat der UHU drei Aufgaben: zunächst wird er zum Hakenhalten gebraucht, gerne auch bei Operationen, die keinen Hakenhalter nötig haben: Highlight sind Nabelhernien mit OA, AA und UA - überflüssiger wird's nicht. Zweitens dient er als Persönlichkeitsstütze der anwesenden OAs und Leitenden, die so eine weitere Person herumkommandieren können, wenn es operativ (mal wieder) nicht läuft wie es soll. Zuletzt fungiert man als Blitzableiter für gewisse OTAs (Verzeihung: Diplomierte Fachperson Operationstechnik) und empfängt so das gesamte Spektrum chirurgischen OP-Bullshits: die bloße Anwesenheit des UHUs am Tisch ist infektiologisch bedenklich, Instrumente werden einem aus der Hand gerissen oder hingeworfen, der Umganston rangiert irgendwo zwischen Gulag und Guantanamo, ...

Das ist natürlich völlig unfair gegenüber den netten Chirug(inn)en (die ihre OPs erklären und auch Nachfragen beantworten) und den vielen (machmal extrem) freundlichen OTAs, die in Aarau tätig sind (die einem das Instrumentarium erklären, es einem nicht übel nehmen wenn man etwas in die Hand nimmt und anschaut, die einem Abkleben beibringen, still mal ein Instrument in die Hand drücken damit man es dem Operateur unterjubeln kann, usw.). Allerdings prägen sich eben auch die negativen Erfahrungen ein und vieles war einfach inakzeptabel. Generell ist man im OPS zweiter Assistent, hält Haken und führt den Assistenzärzten den Faden beim Zunähen. An "Lehre" fällt dabei ab und an eine Frage für den UHU ab, man kann gelegentlich eine Struktur tasten o.ä. Nähen oder gar mal selbst einen OP-Schritt machen geht nicht. Das ist auch nicht verwunderlich, da die AAs selbst viel zu selten im OP sind und auch die OAs meistens gerade erst dabei sind, operieren zu lernen. Für PJ-ler ist das maximal sinnlos, aber auch für schweizer Wahlstudenten - wie soll man feststellen, ob einem die operative Tätigkeit liegt, wenn man steril in zweiter Reihe herumsteht?

Zuletzt ist man als UHU auf dem Notfall eingeplant. Hier gibt es Früh- und Spätschicht (08-16 Uhr, 16-24 Uhr). Hauptaufgabe was das Abnehmen und Versenden von Covid-Schnelltests, Einscannen von Dokumenten und Abtelefonieren von Vorbefunden. Patienten kann man anamnestizieren und untersuchen in Absprache mit den Assistentzärzten, aber jeder Patient wird hinterhersowieso noch von AA und OA gesehen, womit es keinen Sinn hat und man eigentlich nur den Patienten nervt. Schockräume kann man sich anschauen, allerdings sind die meisten Fälle unglaublich banal. Sehr gelegentlich kann man eine Wunde nähen.

Die einzelnen chirurgischen Fachrichtungen mag ich gar nicht aufdivideren, da die Probleme eigentlich überall die selben waren. Zwei honourable mentions: das Thoraxteam war sehr nett, der Leitende ist in der Lehre sehr engagiert, die Assistenten wirkten zufriedener. Hier konnte ich ein paar mal eine Hautnaht machen und habe tatsächlich was über Thoraxchirurgie gelernt (the horror...). Auch das Wirbelsäulenteam war zu meiner Zeit klasse (Stimmung im OPS humorvoll und gut, LA/OAin erklären und zeigen viel, interessante Eingriffe).

Zu Aarau selbst kann man nicht viel sagen: nordschweizer Provinz, nette Altstadt mit Kneipen und Cafes, ansonsten tote Hose. Dank Lockdown noch öder als wohl sonst schon. Die Unterkünfte sind teils eine Frechheit (siehe Vorberichte).

Zusammengefasst:

Gerade als PJ-Student nach deutschtem Recht würde ich Aarau meiden. Der Sinn eines PJs ist m.E. nicht wirklich erfüllt, auch wenn es an vielen deutschen Unikliniken inzwischen ähnlich läuft. Ich war damals in einer Übergangsphase, weswegen es mich heute nicht mehr allzu arg stört - hätte mir an der Chirurgie tatsächlich etwas gelegen, wäre ich übel enttäuscht gewesen. Auch was die Weiterbildung angeht, scheint die Schweiz nicht mehr gangbar: die Kultur des Verantwortung-weiterreichen-an-die-nächste-Hierarchieebene bedingt, dass man als Assistenzarzt eigentlich nur mitläuft und Bürokram macht, dann erst nach einigen Jahren als Oberarzt langsam auf eigenen Beinen stehen lernt. Ein kompetenter Chirurg werden kann man dort mangels Eingriffen wohl nur sehr spät in seiner Karriere, womit der lukrative Weg richtung Beleghaus nicht patent ist. Warum sich das noch irgendwer antut?

PS zum Mär des guten Verdientsts: man hat am Ende circa Fr 1000.- pro Monat in der Tasche - berücksichtigt man die circa doppelt so hohen Preise (exemplarisch Fr 9.- für ein Bier in der Kneipe) loht das definitv nicht mehr, insbesondere da viele periphere Häuser in Deutschland inzwischen den BaföG-Höchstsatz zahlen.
Bewerbung
I.d.R. 18 Monate vorher, aber auch kurzfristig möglich.
Unterricht
1x / Woche
Inhalte
Sonst. Fortbildung
Tätigkeiten
Botengänge (Nichtärztl.)
Untersuchungen anmelden
Notaufnahme
Röntgenbesprechung
Patienten untersuchen
Briefe schreiben
Poliklinik
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Kleidung gestellt
Mittagessen regelmässig möglich
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Unterkunft gestellt
Gehalt in EUR
1400 Fr + Wochenend/Nachtzuschlag
Gebühren in EUR
450 Fr Zimmer, 100 Fr Stellplatz, 200 Fr Sozialversicherungen

Noten

Team/Station
5
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
6
Klinik insgesamt
4
Unterricht
5
Betreuung
6
Freizeit
4
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
4

Durchschnitt 4.13