PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in Charite Campus Virchow (3/2020 bis 5/2020)

Station(en)
Transplantation
Einsatzbereiche
OP, Station
Heimatuni
Berlin
Kommentar
Fairer Weise möchte ich direkt vorne weg sagen, dass ich hier zwei Monate meines Pandemiebeginn-Chirurgie-Tertials bewerte. Dennoch gibt es viele Dinge, die mich gestört haben und die nicht allein auf die Pandemie zurückzuführen sind.

1. Visiten.
Ach, man mag doch meinen, dass man als PJler im Pandemie-Semester wenigstens mal bei den Visiten regelmäßig mitlaufen kann. Geregelte Lehre gibt es ja nicht - und für die Entdeckung von MS Teams und Zoom war es noch zu früh - und das meine ich nur ein wenig sarkastisch. Aber zurück zu den Visiten. Nein, einfach nein. Zwar waren die beiden Stationsärzte sehr bemüht, uns viele PJler auch zur Visite mitzunehmen, doch war diese in der Regel so durch die Klinikleitung und die Oberärzte getimed, dass wir maximal 3-4 Patienten gesehen haben. Wir mussten schließlich ja noch das Blut abnehmen ...

2. Blutabnahmen.
... denn das war unsere Hauptaufgabe. Ich bin morgens in die Klinik gefahren, um Blut abzunehmen, ein bisschen auf der Station herumzutrollen und im Verlauf des Tages noch mal einen Arztbrief anzulegen. Es gab wirklich wenig zu tun - wirklich. Die ganzen Transplantationen sind immer nachts gelaufen. Eigentlich hätte man auch mal mitmachen können, aber das war unser absolutes Privatvergnügen. Denn wir hätten am nächsten Morgen ja wieder die Blutabnahmen machen müssen und wer hat schon nicht mal so richtig Bock auf einen 38 Stunden Dienst, wenn er im PJ nicht bezahlt wird und den halben Tag eh an die Wand starrt. Ein Assistenzarzt kam immerhin auf die findige Idee, dass wir als PJler uns gegenseitig Vorträge halten, die die Assistenzärzte mit anhören und Fehler korrigieren. Denn wirkliche Lehre...

3. Lehre.
... fand wie gesagt nicht statt. Und ich meine jetzt auch nicht nur die Seminare und Vorlesungen, die die Klinik parallel zum PJ eigentlich anbietet. Die sind sogar recht gut bewertet und vielleicht eine Art Erlösung für den armen PJler. Lehre sollte auch auf Station durchaus laufen und nicht nur an zwei blutjungen Assistenzärzten hängen müssen. Ich weiß nicht, wie es dir, der du gerade diese Zeilen liest, geht, aber wenn ich als Student einen Oberarzt, der nun auch wirklich gerade Zeit hat und nichts weiter macht, eine Frage stelle, will ich auch mal bitte mehr als nur ein "Sie sind doch Student. Studieren Sie das doch selbst einmal." oder "Das müssen Sie sich selbst anlesen." hören. Mehrfach gefragt, mehrfach abgeblitzt. Klar vielleicht oft einfach Pech gehabt - aber das wäre ein ziemlicher Zufall. Immerhin gab es noch die Fachärztinnen, die für die Stationen mit zuständig waren und die auch wirklich sowohl in der Patientenbetreuung als auch in der Lehre motiviert waren. Doch leider wurden dank Covid beide sehr in die ITS eingespannt. Die beiden Stationsärzte haben wirklich versucht, unseren Tag nicht sinnlos vergehen zu lassen, aber gerade die klinische Erfahrung, die man eigentlich von Oberärzten lernen sollte, erlernen sie ja auch gerade erst und haben dabei einen ähnlich schwierigen Stand.

4. Apropos Stand.
Ich hatte unter dem Strich Glück mit den beiden Assistenzärzten. Wirklich! Sie waren sehr bemüht und haben ihr Wissen mit uns geteilt. Aber was da sonst noch für Gott-Komplexe herumlaufen! Nachdem wir einmal mehr nur wenig zu tun hatten, wurden wir von unserer Assistenzärztin ausnahmsweise (!) einmal pünktlich in den Feierabend entlassen. Als dann über eine Stunde nach dem Ablauf unserer eigentlichen Arbeitszeit ein weiterer Chirurg auf die Station kam, um seinen Fremdlieger zu betreuen, wollte er noch eine Blutentnahme. Eine einfache Blutentnahme. Er ging zu unserer Assistenzärztin und hat sie einfach zur Sau gemacht, warum wir pünktlich entlassen wurden. "PJler kann man doch nicht so früh nach Hause senden!" [Früh - der war witzig]. Die Story geht noch lange weiter, aber kurz gesagt, hat er ewig einen anderen PJ, der schon in den Überstunden war, aus dem Haus auf die Station telefoniert und ihm die Blutentnahme dann noch aufgezwungen. In der Zeit hätte er die Blutentnahme locker selbst schon einmal, zweimal, sechsmal, zehnmal gemacht. So viel zum Grundbild der PJler. Danke.

5. Apropos Arbeitszeit.
Man mag meinen, dass man Überstunden im PJ macht, wenn etwas besonders interessant oder spannend ist. Und nicht, weil man einfach noch dumm die Wand anstarren soll, bis man nach Hause geschickt wird. 3 Stunden Wandanstarren, um noch die Kurvenvisite mitzubekommen, bei der man dann eh nicht eingebunden wird und die Oberarzt-Nachfragen-Gummimauer jeden Anflug von Interesse zu Nichte macht. Übrigens gilt das auch, wenn man eine Frage zur Therapie des Patienten hat oder einem etwas aufgefallen ist. Dass mir der Patient bei der Blutentnahme vom Krieg im Jahr 1812 in seinem Heimatdort erzählt hat, hat den Oberarzt erst dann bei der Visite interessiert, als er den Assistenzarzt blöd angemacht hat, warum der Patient nun auf einmal im Delir sei.

Fazit: Im Regelbetrieb stelle ich mir die Klinik beeindruckend vor. Allgemein sieht man an der Charité Dinge, die man sonst nicht sehen kann. Ich hatte das große Pech, durch Covid fast nichts sehen zu können. Und dann noch großes Pech, fast nichts lernen zu können (: Ich war sehr froh, als ich nach der Hälfte meines Tertials weiter rotiert bin und eine andere Ecke der Charité kennen lernen durfte. Die Assistenten sind sehr bemüht und versuchen einen einzubinden. Und ich bin den beiden auch wirklich dankbar! Aber ihr Hebel ist klein im Vergleich zu dem grauen Trott, den wir erlebt haben. Wäre ich doch nach Mitte gegangen ...
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Botengänge (Nichtärztl.)
Rehas anmelden
Briefe schreiben
Braunülen legen
Blut abnehmen
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
1x / Woche frei
Tätigkeiten
Kleidung gestellt
Essen frei / billiger
Mittagessen regelmässig möglich

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
4
Ansehen des PJlers
4
Klinik insgesamt
4
Unterricht
4
Betreuung
5
Freizeit
1
Station / Einrichtung
5
Gesamtnote
4

Durchschnitt 3.8