PJ-Tertial Innere in Regina General Hospital (5/2008 bis 7/2008)

Station(en)
keine
Einsatzbereiche
Station, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Notaufnahme, Diagnostik
Heimatuni
LMU Muenchen
Kommentar
Ich habe mein letztes Tertial in Regina, Saskatchewan geleistet.

Saskatchewan ist die mittlere der drei „Prärieprovinzen“ und liegt zwischen Alberta und Manitoba und grenzt im Süden an die USA. Sie ist die Region mit dem höchsten Anteil an „First Nations“, d.h. den ursprünglichen Indianer-Ureinwohnern.
Saskatchewan zeichnet sich durch eine vielseitige Landschaft aus, Weideflächen und Getreidefelder wechseln sich mit wunderschönen Nationalparks im Süden ab.

Es finden sich zwei Universitäten, die University of Saskatchewan in Saskatoon und die University of Regina. Hauptstadt ist letztere mit ca. 200.000 Einwohnern.

Das Krankenhaus:

Das Regina General Hospital bietet eine breite Palette an Abteilungen, von Herzchirurgie, Neurochirurgie, Radiologie bis zur Pathologie ist alles vorhanden. Vergleichbar mit einem deutschen Krankenhaus der Versorgungsstufe 2 bis 3. Das Haus selbst wirkt eher klein (6 Stockwerke) und überschaubar, bietet aber z.T. hochmoderne Einrichtungen, von denen man in Deutschland teilweise nur träumen kann: Telehealth-Videokonferenz-Säle, Computersäle oder die „Clinical Teaching Unit“: eine extra Station, auf der nur „Lehr“patienten liegen, d.h. interessante Fälle, mit speziell angestellten Ärzten und Studenten, wo ausschließlich anschauliche Lehre durchgeführt wird (momentan im Umbau). Im Erdgeschoss befindet sich das College of Medicine.

Arbeitsalltag/Ausbildung:

Am ersten Tag wird man eingeteilt, jeder Student erhält einen eigenen Pieper/Funk, elektronische ID-Karte und seinen Rotationsplan. Im Vergleich zum deutschen System ist hier alles ganz anders:
Studenten im 3. bzw. 4. Jahr („JURSIs“) sind einem „preceptor“, d.h. einem Lehrer (normalerweise Oberarzt) unterstellt, dem sie für diese Zeit folgen. Alle 2-3 Wochen rotiert man durch die verschiedenen Abteilungen. Als deutscher Student war ich die gesamten 8 Wochen natürlich in der selben Abteilung (General Internal Medicine, eine Art „Allgemeinmedizin“ ohne Subspezialisierung) beim gleichen Oberarzt, Dr. H. R. (Internist). Dr. R. ist anfangs etwas steif und „very british“, ist jedoch in der Lage, auf charmanteste Weise die schlimmsten Witze zu reissen…man hat also sehr viel zu lachen!
Normalerweise ist ein Resident, also ein Assistenzarzt, mit dabei. Für diesen gilt das gleiche Rotationsprinzip wie für die Jursis.
Richtige Stationsärzte gibt es hier nicht. Auf den Stationen finden sich keine festen Ärzte.

Jeder Patient ist einem anderen Arzt unterstellt, je nachdem wer gerade Dienst hat.

Der Tag beginnt ca. um 8 Uhr (je nach OA) üblicherweise mit exzellentem Teaching, Bedsideunterricht oder radiologischen Fortbildungen sowie Seminaren aller Art. Man bekommt dazu ein Logbuch. Danach wird mit dem Oberarzt Visite („rounds“) auf den Stationen gemacht (eben immer nur „seine“ Patienten, die anderen werden ignoriert). Man rennt daher den ganzen Tag im Krankenhaus herum.
Dabei ist man eher passiv, folgt dem OA eher. Es wird aber viel erklärt und die Patienten werden untersucht. Ebenso ist sehr viel Zeit, das Procedere zu besprechen. Je nach OA bekommt man viele Fragen gestellt. Wenn der OA nicht zugegen ist, kann man auch die Patienten alleine untersuchen und Anordnungen schreiben. Generell ist man als Student den Schwestern weisungsbefugt.

Mittags gibt es wieder Fortbildungen und je nach Oberarzt ist man mehr oder weniger schnell fertig, sodass man den Nachmittag zum Lernen nutzt oder zum Ausspannen.
Offizielle Arbeitszeit ist bis 17 Uhr.

Da gewohnte PJ-Aufgaben wie Nadeln legen oder administrative Tätigkeiten wegfallen (machen alles die Schwestern), ist die Arbeitsbelastung nicht so hoch wie in Deutschland, bis auf Liquorpunktionen fallen praktische Tätigkeiten wie sonographieren, Punktionen oder ZVKs legen oftmals leider weg (ausser in speziellen Abteilungen vielleicht). Hier wird deutlich mehr auf die Lehre gesetzt.
Der Unterricht ist hier wirklich um Welten besser!

Wenn man Dienst hat, bleibt man bis zum nächsten Tag um 12 Uhr im Krankenhaus (ca. 30 Stunden Dienst). Als Student wird man als erster angefunkt, nimmt die Patienten auf und bespricht das ganze mit dem Resident, der dann das letzte Wort hat. Teilweise können die Nächte ganz schön anstrengend sein, wenn man nachts um 2 angefunkt wird und ein Patient mit Herzinfarkt oder Lungenembolie in der Notaufnahme liegt. Als deutscher PJler wird einem schon etwas mulmig, wenn man nachts von der Schwester auf Station gerufen wird und man selbst Medikamente anordnen soll/darf. Aber auch hier gilt: man soll dabei etwas lernen, die letzte Verantwortung trägt immer der Oberarzt und man kann immer fragen. Generell sind die Schwestern und das paramedizinische Personal viel besser ausgebildet als in Deutschland.

Fast alle Oberärzte haben zusätzlich ihre Praxis („clinics“), wo sie nachmittags bis um 16-17 Uhr hausärztlich Patienten betreuen bzw. die aus dem Krankenhaus entlassenen Patienten weiterbehandeln. So habe ich die hervorragende Möglichkeit angenommen, mehrmals pro Woche mit Dr. R. dutzende Patienten zu behandeln. Neuaufnahmen habe dabei ich selbst übernehmen dürfen. Das Krankheitsspektrum ist teilweise völlig anders, durch die langen und dunklen Winter ist hier z.B. Vitamin D-Mangel endemisch. Auch das Keimspektrum ist ungewohnt.
Durch den langen Kontakt mit demselben Oberarzt konnte ich gute Kontakte knüpfen, sollte und durfte viel recherchieren und eine wissenschaftliche Publikation sprang dabei auch raus. Wer hier arbeiten möchte, sollte sich vorzeitig informieren, die Voraussetzungen sind zwar sehr streng, die Ärztegehälter dafür um ein vielfaches höher als in Deutschland, bei viel besseren Bedingungen.

Die medizinische Versorgung ist insgesamt vergleichbar, allerdings sind die Wartezeiten sehr lange, z.b. 3-6 Monate für ein elektives CT, bis zu einem Jahr für einen Termin beim HNO-Arzt. Es herrscht allgemeine Versicherungspflicht.
Leider gibt es auch viele soziale Probleme, gerade mit den First Nations. So sind Alkoholismus, Kokain- und Heroinabusus weit verbreitet. Entsprechend viele Endokarditiden und Leberzirrhosen sowie Drogenentzüge sieht man auf Station und in der Notaufnahme.

Der Kontakt zu anderen Studenten ist schnell hergestellt, alle sind supernett und man freundet sich ganz schnell an.

Ingesamt mangelt es einem an nichts, die Uni ist superhilfsbereit und flexibel.
Unterkünfte gibt es in Regina en masse, am besten ist es auf dem Campus der University of Regina.

Fazit:


Ich habe in Regina eine der schönsten Erfahrungen meines Lebens gemacht. Medizinisch nehme ich wahnsinnig viel mit, sowohl neue Untersuchungstechniken als auch Denkanstöße und ausserordentliche Erfahrungen. Menschlich ist Kanada ein Traum, alle sind offen, zuvorkommend und hilfsbereit. Ausserdem interessieren sich alle für Europa und die Leute reisen sehr viel. Es herrscht ein reger und komplikationsloser multikultureller Austausch, mein OA stammt aus Pakistan und hat in Irland studiert und ist zweifellos der beste Lehrer während meines Studiums gewesen. Kanada ist ein wunderschönes Land, zum Großteil noch sehr naturbelassen, wild und geheimnisvoll.

Contra:
- kaum praktische Tätigkeiten wie in Deutschland (obwohl das ja auch kein Garant ist), ausser in einzelnen speziellen Abteilungen (Katheterlabor).
Bewerbung
Ich habe mich Ende 2006 bei der University of Saskatchewan per email für Innere Medizin oder Chirurgie beworben und die Unterlagen prompt von der Koordinatorin für International Affairs zugeschickt bekommen.
Achtung: nur die University of Saskatchewan hat eine medizinische Fakultät! Allerdings befindet sich das College of Medicine auch in Regina, sodass man sich zwar in Regina bewirbt, aber mit der University of Regina studientechnisch eigentlich nichts zu tun hat. Die beiden Universitäten haben jedoch eine Kooperation.
Unterricht
Häufiger als 5x / Woche
Inhalte
Repetitorien
EKG
Sonst. Fortbildung
Patientenvorstellung
Bildgebung
Fallbesprechung
Tätigkeiten
Röntgenbesprechung
Notaufnahme
Patienten untersuchen
Eigene Patienten betreuen
Patienten aufnehmen
Dienstbeginn
Nach 8:00 Uhr
Dienstende
15:00 bis 16:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Essen frei / billiger
Kleidung gestellt
Mittagessen regelmässig möglich
Gebühren in EUR
800

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
1
Unterricht
1
Betreuung
1
Freizeit
1
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1