PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in St. Clare´s Mercy Hospital (4/2012 bis 5/2012)

Station(en)
Team Melvin, Heneghan, Browne (Gefäßchirurgie)
Einsatzbereiche
Station, OP, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Notaufnahme
Heimatuni
Leipzig
Kommentar
Nach den unzähligen positiven Erfahrungsberichten zu PJ-Tertialen in Kanada wagte ich es auch auf diese Insel für ein Traumtertial. Ich fühlte mich gut vorbereitet am Anfang meines letzten PJ-Tertials, war interessiert an Chirurgie, hatte Englischkurse besucht und viel zu Neufundland und Kanada gelesen.
Doch als das Tertial dann wirklich begann, war es v.a. enttäuschend.
Den Großteil des Tages verbrachte ich mit Warten und Stehen, weil ich abgesehen von Operationen nicht wirklich in die Arbeit mit einbezogen wurde. Was ich zunächst mir selbst zuschrieb, begriff ich mehr und mehr als ein generelles Problem, da auch die Assistenzärztin den halben Tag mit ihrem Handy spielte und später dazu gestoßene einheimische Studenten ebenso unterfordert waren.
Die Stationsarbeit wird zu einem großen Teil von Nurse practitioner (also weitergebildeten Krankenschwestern) übernommen und auch in den Ambulanzen findet sich in der Regel eine solche. Die übrigen Aufgaben kann ein Assistenzarzt allein völlig ausfüllen. So kam es dann auch, dass ich auf der Station bis auf wenige Patientenaufnahmen beschäftigungslos war. In der Ambulanz wurde ich von den Chirurgen teilweise weggeschickt oder einfach als anwesend akzeptiert. Einzige Ausnahme war Dr. B, der mich teilweise aktiv in seiner Ambulanz einband.
Im OP konnte ich viel sehen, da die drei Gefäßchirurgen im St. Clare´s die einzigen der ganzen Provinz sind und ein breites Spektrum abdecken. Da ein Chirurg auch Herzchirurgie betrieb, konnte ich auch seine OPs besuchen. In der Regel durfte ich mich zu den OPs einwaschen, war oft als zweite Assistenz v.a. Zuschauen. Als erste Assistenz wurde ich weitgehend unterschätzt, auch wenn man mit basalem Anatomiewissen zumindest theoretisch beeindrucken kann. War das OP-Team überwiegend beeindruckend herzlich mir gegenüber, waren zwei der drei Chirurgen im OP eher unangenehme Zeitgenossen. Lediglich Dr. B rettet auch hier meine Arbeit durch freundlichen Umgang, angemessene Antworten auf Fragen und hin und wieder das Überlassen praktischer Fähigkeiten (z.B. Intrakutannähte). Die Wartezeiten zwischen den OPs sind verglichen mit deutschen Verhältnissen riesig. Und so habe ich im Laufe des Praktikums viel Zeit in der Bibliothek verbracht.
Andere Teams hatten ihre eigenen Studenten, aber ich versuchte auch dort Einblicke zu erhalten, machte deutliche angenehmere Erfahrungen und konnte erahnen, weswegen die Bewertungen bisher gut waren. Angenehm war auch die Rolle des Unterrichts hier. Pro Woche gab zwischen 2 und 6 Unterrichtseinheiten, teilweise musste man dafür aber länger in der Klinik bleiben. Der Unterricht findet immer in Kleingruppen statt, ist meist fallbasiert und vom Level eher basal-praktisch ausgerichtet. Spaß hat das in der Regel gemacht. Symbolisch ist auch hier, dass während der acht Wochen ein einziges mal gefäßchirurgischer Unterricht stattfand.
Die Stimmung zwischen den Studenten und Assistenzärzten würde ich als überwiegend angenehm und offen bezeichnen. Mit den meisten konnte ich schnell ein gutes Verhältnis entwickeln, ein der wenigen Ausnahmen war meine Assistenzärztin, die Gefäßchirurgie und v.a. die Chirurgen in diesem Team weitgehend hasste.
Mittwoch und Freitag war in der Regel gar nichts zu tun, so dass ich auf andere Ambulanzen auswich oder früh nach Hause geschickt wurde. An langen Tagen (mit OPs und Unterricht), kann die Arbeit aber auch mal bis halb 6 dauern.
Um etwas mehr Erfahrung zu bekommen, habe ich mich auch um Rufbereitschaften bemüht, was aber oft schwierig war, da die einheimischen Studenten ihr eigenes Kontingent an Diensten ableisten mussten und für mich ganz wenige Lücken blieben.
Fazit zum Krankenhaus: Viele Operationen gesehen, guten Unterricht erlebt, ein anderes Gesundheitssystem besser kennengelernt, wenig praktisch gemacht, keine direkte Patientenbetreuung, insgesamt mein schwächstes PJ-Terial.

Kleidung: Klassisch sind sicher Lederschuhe, Hose/Rock (keine Jeans), Hemd/Bluse und Kittel. Wahr ist aber auch, dass man den ganzen Tag mit grüner OP-Kleidung umherlaufen kann und viele Schwestern Lauf- oder Turnschuhen in der Klinik tragen. Es geht also auch unkomplizierter. Vorsicht vor zu kostbarem Schuhwerk, denn es gibt keine extra OP-Schuhe, sondern nur Überzieher und bei großen Blutspritzern können die eigenen Schuhe schnell mal an langes Andenken erhalten.

Essen: Die Cafeteria ist nicht wirklich qualitativ hochwertig und es gibt keine Preisnachlässe für Mitarbeiten oder Studenten. Es empfiehlt sich daher eher, eigenes mitzubringen. Der Studentenraum bietet Kühlschrank und Mikrowelle.

Abseits des Krankenhauses: Neufundland ist mit Sicherheit ein bemerkenswertes Stückchen Erde. Landschaftlich geprägt von weiten Wäldern, schroffen Küsten und rauem Wetter bietet es v.a. Outdoor-Fans viele Erlebenswertes. Im Mai-Juni stellen die Eisberge sicher ein Highlight dar, im Juni-Juli die Wale und Puffins, im September das oft perfekte Wetter. Die Saison eröffnet offiziell erst ab Ende Mai, so dass davor nahezu alle Museen und Unterkünfte außerhalb St. John´s geschlossen sind. Mit dem East Coast Trail beginnt einer der schönsten Fernwanderwege weltweit in St. John´s und der Gros Morne Nationalpark wird von vielen als überwältigend beschrieben. St. John´s als Hauptstadt ist übersichtlich, aber kulturell durchaus bereichernd. Nicht weniger bemerkenswert sind aber die Menschen. Was das genau heißt, möchte ich jedem selbst überlassen zu entdecken.
Obwohl ich mit April-Mai sicher nicht zur besten Reisezeit in Neufundland war, waren meine Erlebnisse total bereichernd und völlig ausfüllend.

Wohnen: Die Medizinische Fakultät sendet mit der Zusage für einen Praktikumsplatz eine Liste mit potentiellen Unterkünften. Außerdem finden sich auch auf Universitätsseite Angebote von Einheimischen. Ich selbst habe ein krankenhausnahes Zimmer bei einer netten Einheimischen gehabt, mich aber oft auch mit anderen deutschen Studenten getroffen. Ein guter Kompromiss im Nachhinein.

Kosten: Ein Vorteil der Universität ist sicher, dass man als PJ-Student keine Studiengebühren bezahlen muss. Dennoch sind die Gesamtkosten für das Leben in St. John´s sehr groß, v.a. in Zeiten der aktuellen Euroschwäche mit schlechten Wechselkursen. Die Gesamtkosten für meine 10 Wochen hier (2 Wochen Urlaub, 8 Wochen Praktikum) beliefen sich bei eher sparsamer Lebensweise ab der Bewerbung bis zur Wiederkehr auf etwa 3.300 €.

Letztlich ein sehr wechselhaftes Tertial. Mit dem gefäßchirurgischen Team habe ich in Kombination mit einer schwierigen Assistenzärzten eher ins Klo gegriffen und ohne Lichtblicke wie dem Unterricht, überwiegend netten Kollegen und Dr. B wäre es ein enttäuschendes Tertial gewesen. Neufundland ist immer ein Reise wert, auch ohne PJ.
Bewerbung
Auf der Internetseite der Medizinische Fakultät (med.mun.ca) findet man eine sehr ausführliche Beschreibung der Bewerbungserfordernisse (derzeit konkret unter med.mun.ca/UGradME/Clerkship-Electives/Visiting-Students.aspx). Bewerbungen sind 4-9 Monate vor Antritt des Praktikums anzugeben. Die Zusagewahrscheinlichkeit hängt sehr mit dem konkreten Bewerbungszeitraum zusammen. Im Sommer/Herbst ist es schwer, im Winter/Frühjahr leichter.
Unterricht
3 x / Woche
Inhalte
Prüfungsvorbereitung
Fallbesprechung
Tätigkeiten
Patienten untersuchen
Notaufnahme
Mitoperieren
Patienten aufnehmen
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Gebühren in EUR
Bewerbungsgebühr 100C$ + Registrierungsgebühr Ärztekammer 50 C$, keine Studiengebühren

Noten

Team/Station
4
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
2
Klinik insgesamt
2
Unterricht
1
Betreuung
4
Freizeit
2
Station / Einrichtung
4
Gesamtnote
3

Durchschnitt 2.67